Streit um Asylpolitik überlagert EU-Gipfel
Merkel kritisiert EU-Ratspräsident Tusk und beharrt auf Flüchtlingsverteilung in Europa
BRÜSSEL - In der Migrationsfrage ist zwischen EU-Kommission, Ratspräsidentschaft und einigen Regierungen offener Streit ausgebrochen. Ratspräsident Donald Tusk äußerte recht unverhohlen Kritik an dem Gemeinschaftsbeschluss, 120 000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland umzuverteilen. Vor Beginn des EU-Gipfels bemühten sich alle Beteiligten darum, versöhnliche Signale auszusenden.
Die Regierungschefs der in der Visegrad-Gruppe zusammengeschlossenen Länder Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen hatten Italiens Regierungschef 36 Millionen Euro angeboten, um die Sicherung libyscher Grenzen zu verbessern und Flüchtlingen bei der Rückkehr in ihre Heimatländer zu helfen. Auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war zu dem Treffen eingeladen. Hinterher stellte er sich demonstrativ mit dem ungarischen Regierungschef Victor Orban den Fotografen, obwohl sich beide über dieses Thema in den vergangenen Monaten heftig in die Haare geraten waren.
Orban: „Fluchtgründe ausmerzen“
„Die Visegrad-Länder sind bereit, mit einer ansehnlichen Summe die EU-Außengrenze zu schützen und Libyen zu helfen“, erklärte Orban selbstbewusst. „Wir sind auch bereit, uns an der Organisation derartiger Missionen zu beteiligen. Wenn man die Außengrenzen festigt und die Fluchtgründe ausmerzt, erzielt man Erfolge.“Juncker hingegen erklärte, es seien nicht alle Meinungsverschiedenheiten aus der Welt geschaffen worden. „Ich bin aber froh, dass es heute erste Ergebnisse gibt. Das beweist, dass alle zu Solidarität bereit sind.“Auch Ratspräsident Donald Tusk strich die Gemeinsamkeiten heraus. „Dieser Gipfel zeigt ganz deutlich: Nur wenn wir einig sind, können wir die schwierigsten Aufgaben bewältigen, zum Beispiel bei der gemeinsamen Verteidigung und beim Brexit. Wir werden aber auch über Themen sprechen, bei denen wir nicht einig sind. Bei der Währungsunion spaltet sich die Gemeinschaft in Nord und Süd, beim Thema Migration in Ost und West.“Tusk hatte für die Beratungen des Gipfels ein Papier zur Flüchtlingspolitik angefertigt und den Hauptstädten zukommen