May fährt geschwächt nach Brüssel
Niederlage für Premierministerin: Unterhaus will bei Brexit-Verhandlungen mehr mitreden
LONDON - Die erste Brexit-Abstimmungsniederlage für Premierministerin Theresa May im Unterhaus hat am Donnerstag zu scharfen Auseinandersetzungen innerhalb der konservativen Regierungspartei geführt. Während die elf Rebellen ihre Entscheidung mit dem Wohl des Landes begründeten, wurden sie von BrexitHardlinern als „Verräter“denunziert.
Die Regierungschefin reiste am Nachmittag nach Brüssel, um beim EU-Gipfel den übrigen 27 Staats- und Regierungschefs das 15-seitige Papier zu erläutern, auf das sich May mit EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker geeinigt hatte. Es macht den Weg frei zu Verhandlungen über eine zweijährige Übergangsphase und die künftigen Beziehungen zwischen Insel und Kontinent nach dem Austritt Ende März 2019.
Über das Ergebnis dieser Verhandlungen will das Parlament zu einem Zeitpunkt – wohl Ende 2018 – abstimmen, der das Votum „aussagekräftig“macht: Darum drehte sich die Debatte am Mittwoch. Die Regierung hatte zwar nach Drängen eine Abstimmung zugesagt, dieser aber keine Bindewirkung zubilligen wollen: Schließlich könne es sein, dass eine Einigung mit Brüssel erst in letzter Minute zustande komme und man den Deal dann sofort umsetzen müsse.
Mehrheit für Grieve-Klausel
Dagegen wehrte sich der hochangesehene frühere Generalstaatsanwalt Dominic Grieve, ein Konservativer, mit Unterstützung des ehemaligen Justizministers Kenneth Clarke sowie weiteren sechs früheren Regierungsmitgliedern. Zugunsten des Brexit sei mit dem Argument geworben worden, man wolle die Souveränität des britischen Parlaments wieder herstellen, argumentierte Grieve. „Genau das streben wir an.“Seine Ergänzung des Austrittsgesetzes der Regierung fand eine Mehrheit von 309:305 Stimmen. Neben elf Konservativen stimmten auch die meisten Labour-Mandate sowie die liberaldemokratische Fraktion und die schottischen und walisischen Nationalisten für die Grieve-Klausel.
Die Empörung der Brexit-Hardliner richtete sich gegen die elf Rebellen. Die „Verräter“sollten für die nächste Legislaturperiode nicht mehr aufgestellt werden, forderte die ToryAbgeordnete Nadine Dorries. Allerdings wiesen Oppositionspolitiker darauf hin, dass Dorries ebenso wie viele andere der ideologischen EUFeinde seit Jahren immer wieder gegen Vorlagen der eigenen Regierung gestimmt hatte.
Besonnene Torys riefen zur Mäßigung auf. Er selbst habe der Regierungsvorlage zugestimmt, erläuterte der EU-freundliche Abgeordnete Nick Boles. „Aber ich respektiere die Haltung der Rebellen und verurteile die Verratsvorwürfe.“
Da die Abstimmung relativ früh im Gesetzgebungsverfahren stattfand, hat die Regierung die Möglichkeit, im neuen Jahr das Ergebnis umzukehren. Davor warnte Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer und forderte Brexit-Minister David Davis dazu auf, einen Paragraphen zurückzuziehen, der kommende Woche zur Diskussion steht. Damit will die Regierung das Austrittsdatum 29. März 2019 gesetzlich verankern; die Opposition argumentiert, man solle sich Flexibilität bewahren, falls es Verhandlungsschwierigkeiten gibt. lassen. Darin bezeichnete der Ratspräsident verbindliche Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen als unwirksames und die EU spaltendes Mittel. Mehrere osteuropäische Regierungschefs bedankten sich bei Tusk für sein Verständnis, darunter auch der neue polnische Premier Mateusz Morawiecki. „Ich bin zufrieden, dass dieser Ansatz mehr und mehr in Brüssel gehört wird.“Und Tschechiens neuer Regierungschef Andrej Babis sagte: „Herr Tusk sagt, was wir denken, nämlich dass Quoten nicht die Lösung sind. Wir müssen gegen die Schleusermafia kämpfen, die diese unglücklichen Menschen nach Europa bringt und ihnen das bessere Leben verspricht, das sie hier nicht haben werden.“
Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerten vorsichtige Kritik an dieser Haltung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde deutlicher: „Wir brauchen nicht nur Solidarität an den Außengrenzen, sondern auch nach innen“, sagte sie zu Gipfelbeginn. Das Dublinsystem, das einen Flüchtling dem Land zuweist, wo er zuerst europäischen Boden betritt, funktioniere überhaupt nicht.
Die EU-Innenminister hatten im September 2015 auf Vorschlag der EU-Kommission in einer Mehrheitsentscheidung beschlossen, 120 000 Asylbewerber aus Griechenland und Italien auf andere EU-Staaten umzuverteilen. Ungarn hätte 1294, die Slowakei 902 Flüchtlinge aufnehmen müssen. Beide Länder weigerten sich aber und riefen stattdessen den Europäischen Gerichtshof EuGH an. Der bestätigte Anfang September den Innenministerbeschluss. Vergangene Woche nun reichte die EUKommission ihrerseits Klage vor dem EuGH ein, da die beiden Länder weiterhin nicht einlenken.