Im Weingartener Stadtwald werden 300 Bäume gefällt
Landratsamt spricht von „normalem Hieb“– Scharfe Kritik von Stadträtin Doris Spieß – Bewirtschaftung kostet Stadt noch Geld
WEINGARTENDas Lärmen der Kettensägen ist schon von Weitem zu hören, gefolgt von einem Moment der Stille. Dann knackt es gewaltig und es macht einen ohrenbetäubenden Schlag. Der Baum ist gefällt. Wieder und wieder spielt sich dieses Szenario derzeit im Weingartener Stadtwald ab. Auf einer Fläche von rund zehn Hektar, also etwa 14 Fußballfeldern, werden zwischen 250 und 300 Bäume gefällt. Insgesamt werden so rund 450 Kubikmeter Holz geschlagen. Doch obwohl längst nicht alle Bäume krank oder alt sind und der Eingriff in die Natur auf den ersten Blick doch recht martialisch wirkt: Dem Weingartener Wald soll damit etwas Gutes getan werden.
„Das ist ein ganz normaler Hieb“, sagt Marijan Gogic, Leiter des Forstamtes beim Ravensburger Landratsamt. „Wir machen das, damit die anderen Bäume genügend Platz haben.“Ein- bis zweimal in zehn Jahren werden solche Fällungen in einem Gebiet vorgenommen. Aktuell ist der Bereich rund um Pumptrack und Trimm-dich-Pfad westlich vom Freibad Nessenreben betroffen. Neben alten, kranken und morschen Bäumen werden auch gesunde und jüngere Bäume gefällt. So sollen die übrigen Bäume neben dem Platz auch genügend Licht bekommen. Zudem wird darauf geachtet, vermehrt Nadelbäume zu fällen, um die Laubbäume zu stärken. Schließlich steige bei Fichten mit zunehmendem Alter die Gefahr, vom Borkenkäfer befallen und zerfressen zu werden, erklärt Gogic.
Im Weingartener Stadtwald sei das Verhältnis aber bereits sehr gut. Mehr als 60 Prozent der Bäume sind Laubbäume. Die übrigen 40 Prozent sind Nadelbäume. Der nun betroffene Bereich befindet sich im Übrigen im Besitz der Stadt. Sie hat den Forst Baden-Württemberg, in diesem Fall also die untere Forstbehörde beim Landratsamt, mit dem Unterhalt beauftragt. „Alle Ermessensentscheidungen überlässt die Stadt den Fachleuten der Unteren Forstbehörde. Alle Unterhaltungsmaßnahmen, unter anderem auch Baumfällungen, unterliegen demnach den Einschätzungen der dortigen Experten“, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit.
„Das sind Erntemaßnahmen“
Doch erhält die Stadt regelmäßig eine Übersicht der durchgeführten Arbeiten. Auch im Gemeinderat schlägt das Thema regelmäßig auf. Allerdings werden dort keine Details besprochen. Bei manch einem Gemeinderatsmitglied stoßen die Fällungen daher erst recht auf wenig Verständnis. Doris Spieß von der SPD setzt sich seit Jahren für den Weingartener Stadtwald ein. „Schon vor eineinhalb Jahren gab es einen großen Einschlag, und damals hieß es, dass für die nächsten zehn Jahre Ruhe ist und jetzt hauen sie da 15 bis 20 Meter breite Schneisen rein“, sagt sie. „Die haben schöne, gesunde Buchen gehauen, die ANZEIGE noch Jahrhunderte gestanden wären.“Dafür würden manch krumme und kranke Bäume an den Wegesrändern stehen gelassen, so Spieß, die dafür nur eine Erklärung hat: „Das sind Erntemaßnahmen im großen Stil und das schmerzt mich am meisten“, sagt sie. „Ich habe den Eindruck, dass dem Holzabbauunternehmen eine Arbeitsgrundlage geschaffen wird.“
Umso unverständlicher ist für die SPDlerin, die jeden Tag spazieren geht, dass die Stadt trotz der Holzentnahme, welches verkauft wird, noch Geld drauflegen muss. Während im Jahr 2016 zumindest noch ein knappes Plus von 590 Euro erwirtschaftet werden konnte, wird für das laufende Jahr mit einem Minus von 9000 Euro gerechnet. Einnahmen von 30 000 Euro durch den Holzverkauf stehen Ausgaben von 39 000 Euro gegenüber. Für das Jahr 2018 wird mit einem Minus von 6800 Euro gerechnet. Das hängt – neben 16 000 Euro für das durchführende Baumfällunternehmen – vor allem mit den Kosten für den Baubetriebshof zusammen, die mit 12 000 Euro veranschlagt sind. Mit der Bewirtschaftung des Waldes beziehungsweise den Baumfällarbeiten hat das aber nur wenig zu tun. Vielmehr fallen vor allem Kosten für die Instandhaltung des Trimm-dich-Pfades oder ähnliche Posten an.
Die teils massiven Schäden an den Waldwegen, die durch das schwere Gerät der Holzfäller verursacht werden, und die damit verbundene mühevolle Instandsetzung, sollen laut Stadtverwaltung finanziell kaum zu Buche schlagen. 1000 Euro sind im Haushalt dafür pro Jahr eingeplant. Die verantwortliche Firma muss nämlich nur für Schäden an Bänken, Pfosten oder Ähnlichem aufkommen. Um die Schäden an den Waldwegen muss sich die Stadt kümmern. „Das ist kein Erholungswald mehr. Die Wege sehen schlimm aus“, sagt Spieß, die nun einen offiziellen Antrag in die Umwandlung in einen Erholungswald stellen will. Daher kann sie auch kaum glauben, dass der Baumbestand in Weingarten weiter wachsen soll. Laut Gogic werden zwar 450 Kubikmeter Holz gefällt, im selben Zeitraum sollen aber 600 Kubikmeter Holz nachwachsen.