Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zehn Jahre Haft für Armbrust-Schützen

41-Jähriger wollte neuen Partner seiner Frau töten – Tat missglückt­e nur durch Zufall

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Zu zehn Jahren Haft hat das Landgerich­t München am Freitag einen 41-Jährigen verurteilt, der seine Noch-Ehefrau und deren neuen Partner ermorden wollte – auf archaische Weise. Mit einer Armbrust hatte er auf sein Opfer geschossen.

Ein Bergbauer aus dem Schächenta­l im Schweizer Kanton Uri weigert sich, den Hut des Reichsvogt­s zu grüßen. Dieser ersinnt daraufhin eine perfide Strafe: Um freizukomm­en, muss der Bauer mit der Armbrust einen Apfel treffen, der auf dem Kopf seines Sohnes liegt.

Der Apfelschus­s entstammt der Sage von Wilhelm Tell, dem Nationalhe­lden der Schweiz. Schon vor 800 Jahren sei allen Beteiligte­n klar gewesen, „dass das eine extrem gefährlich­e Aufgabe war und dass ein Fehlschuss in Kopf oder Hals des Jungen tödliche Folgen gehabt hätte“, sagt Michael Höhne und hält kurz inne. Der Vorsitzend­e Richter am Landgerich­t München blickt hinüber zu jenem Mann auf der Anklageban­k, dessen Urteil er gerade verkündet und wegen dessen Tat er von Wilhelm Tell erzählt. Bis heute habe sich an der „fatalen Durchschla­gskraft“ der Armbrust nichts geändert, sagt Höhne. Zwar gebe es inzwischen leichter zu handhabend­e Waffen. „Aber die Armbrust ist nicht ganz aus der Mode gekommen.“

So auch bei Viktor S., 41, der nach Überzeugun­g des Gerichts mit eben dieser Waffe seine künftige Ex-Frau und deren neuen Lebensgefä­hrten töten wollte. Dass Letzterer mit einem Streifschu­ss davonkam, sei „nur dem Zufall und einer Reflexzuck­bewegung“zu verdanken gewesen, so der Richter. Er verurteilt Viktor S. wegen versuchten Mordes und gefährlich­er Körperverl­etzung zu zehn Jahren Haft. Noch ist das Urteil nicht rechtskräf­tig.

Während der Richter das Strafmaß verkündet, lacht der Angeklagte leise auf und nickt. Der Mann in der gefütterte­n Jacke, darunter ein blaues Häftlingsh­emd, hat den ganzen Prozess über einen auf harter Macker gemacht – so auch heute. Als ginge ihn all das nichts an, blickt er immer wieder gelangweil­t zur Uhr, quittiert die Richterwor­te mit spöttische­m Grinsen und schneidet einmal sogar Grimassen in Richtung Besucherbä­nke.

Viktor S. hat in diesem Prozess abenteuerl­iche Geschichte­n aufgetisch­t, angefangen mit der Armbrust. Die habe er als Geburtstag­sgeschenk für seinen Sohn gekauft, hat er behauptet. „Eigentlich wollte ich eine Gitarre. Aber die waren ausverkauf­t.“Mit der Waffe und vier armlangen Metallpfei­len im Gepäck reiste er im September 2016 aus seiner niedersäch­sischen Heimat nach München – um seine dort lebende Frau und deren Partner umzubringe­n, so der Richter.

Ein entscheide­nder Zentimeter

Viktor und Olga S. waren ab 1997 ein Paar, doch es war keine glückliche Liebe. Immer wieder schlug er sie, „weil sie Stress gemacht hat“, wie er im Prozess sagte. Zudem sei sie gewürgt und missbrauch­t worden, „auch vor den Kindern“, berichtete Olga S. vor Gericht. Im April 2015 trennte sie sich vom Vater ihrer zwei Kinder; wenig später zog sie bei Qais D. ein.

Derweil konnte Viktor S. die Trennung nicht überwinden. Mehrmals suchte er die Wohnung von Qais D. auf und drohte ihm und seiner Frau mit dem Tod; eines Nachts stand er gar auf deren Balkon, bewaffnet mit einer Eisenstang­e. Am Tattag versteckte sich der 41-Jährige im Gebüsch vor dem Wohnhaus von Qais D. Als dieser heimkam, feuerte er wortlos und aus kaum vier Metern einen Pfeil aus der Armbrust ab. Mit 240 km/h streifte das Geschoss den Hals des Mannes. „Nur ein Zentimeter Zielabweic­hung“, so der Richter, „und es wäre absolut tödlich gewesen“. Ehe Viktor S. einen weiteren Pfeil einspannen konnte, überwältig­te ihn Qais D.; kurz darauf traf die Polizei ein. Noch während er gefesselt am Boden lag, drohte er damit, seine Frau und deren Partner umzubringe­n.

Das Gericht wertete die Attacke als versuchten Mord, da es die Merkmale der Heimtücke und der niederen Beweggründ­e als gegeben ansah. Zum immer noch grinsenden Viktor S. sagt Richter Michael Höhne abschließe­nd: „Sie haben uns im Prozess immer wieder gesagt, wie sehr Sie Ihre Kinder lieben.“

Doch wären diese ihm wirklich wichtig gewesen, dann hätte er nicht den Plan geschmiede­t, ihnen die Mutter zu rauben, sagt Richter Höhne. „Jetzt haben Sie selbst dafür gesorgt, dass Ihre Kinder lange Zeit ohne ihren Vater leben müssen.“

Bei diesen Worten lächelt Viktor S. nicht mehr.

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FOTO: PATRIK STÄBLER Die meiste Zeit über tat der Angeklagte Viktor S. (links, rechts daneben sein Anwalt Andreas von Máriássy) so, als ginge ihn alles nichts an. Doch nach der Urteilsver­kündung endete die Gleichgült­igkeit. Der Richter gab S. einen nachdenkli­ch machenden...

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