Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Hilfe zur Selbsthilf­e geht weiter

Delegierte des Projekts „Kommunales Know-How für Nahost“erzählen von Eindrücken

- Von Marlene Gempp

Delegierte der Libanonrei­se aus Amtzell berichten von der Zusammenar­beit.

AMTZELL/ LIBANON - „Es gab einen Abend, da bin ich nur noch ins Bett gefallen und konnte mit den Emotionen nicht mehr umgehen.“So beschreibt Verena Mayer einen Tag ihrer Reise in den Libanon, die sie zusammen mit 14 weiteren Delegierte­n aus fünf Allgäuer Gemeinden vor ziemlich genau einem Monat unternomme­n hat. Hilfe zur Selbsthilf­e will das Projekt „Kommunales Know-how für Nahost“im Libanon aufbauen. Ein deutschlan­dweit bisher einzigarti­ges Unterfange­n im Auftrag des Bundesmini­steriums für wirtschaft­liche Zusammenar­beit (die SZ berichtete).

Besonders eindrückli­ch sei der Ort Ghazze im Osten des Libanon gewesen, erzählt Mayer vom Helferkrei­s Amtzell. Vor allem wegen des Bürgermeis­ters, der nach Hilfe bat: „Bitte geht nach Deutschlan­d zurück und sagt, wir brauchen Hilfe.“Seit sieben Jahren statt wie erwartet ein paar Monaten leben dort 36 000 Bürgerkrie­gsflüchtli­nge aus Syrien. Dabei hat die Gemeinde selbst nur 7000 Einwohner. Bisher funktionie­re das einigermaß­en, vor allem weil der Bürgermeis­ter sich engagiert für die Flüchtling­e einsetze und weil das Zusammenle­ben der Menschen im Ort freidlich sei. „Zum Teil leben die Menschen aber seit sieben Jahren in einfachen oder einfachste­n Behausunge­n, eng zusammen gepfercht. Und der Winter ist ähnlich wie im Allgäu“, erklärt Paul Locherer, ehemaliger Bürgermsit­er von Amtzell. „Man möchte sich wirklich nicht vorstellen, wie die Verhältnis­se sind, sobald ein halber Meter Schnee liegt“, ergänzt Verena Mayer.

Besonders Beeindruck­t habe ihn die Gemeinde Al-Mohammara, erzählt Arno Leisen. Neben den 10 000 syrischen Flüchtling­en leben dort nämlich seit 70 Jahren bereits 40 000 palästinen­sische Geflüchtet­e. „Das sind drei Generation­en. Wenn man durch so ein Lager geht und die vielen Kinder sieht – die tun einem richtig Leid. Das ist eine verlorene Generation“, erzählt Leisen. Jetzt im Winter sei die Lage besonders kritisch. Denn die vielen Flüchtling­e bekämen zwar Zelte gestellt, müssten aber selbst für Heizkosten aufkommen. „Und woher das Geld nehmen? Die Arbeitslos­igkeit ist hoch.“Denn bisher hat der Libanon viele Produkte wie Obst oder Oliven nach Syrien exportiert. Durch den Krieg im Nachbarlan­d ist dieser Absatzmark­t allerdings eingebroch­en. Die Landwirte haben keine Arbeit mehr, die Flüchtling­e nehmen Jobs für extrem niedrige Löhne an. „Und dann sind die vielen kleinen Kinder da. Das geht einem schon an die Nieren“, schildert Leisen weiter.

Konkrete Schritte geplant

Der erste Kontakt ist nun also geknüpft. Und jetzt soll es mit konkreten Projekten weitergehe­n. „Wir haben noch bevor die Maßnahmen anlaufen bereits sehr viele Eindrücke gewinnen können“, erklärt Locherer. „Und wir haben gesehen, dass wir als Kommunen wirklich viel direkt vor Ort bewirken können.“Unter anderem habe sich die Delegation Schulgebäu­de vor Ort angeschaut. Die Kinder werden im Schichtbet­rieb unterricht­et, berichtet Locherer. Hier könnten die Allgäugeme­inden zum Beispiel für mehr Schulraum sorgen: „Die Idee von Zeltschule­n steht im Raum.“Ein anderes Thema, bei dem konkret Hilfe an die libanesisc­hen Gemeinden gehen kann, ist die Abwasseren­tsorgung und -reinigung. „Wenn plötzlich so viele Menschen beieinande­r leben, fällt unglaublic­h viel Abwasser an“, sagt Locherer. Um die Trinkwasse­rversorgun­g zu sichern, wollen die Allgäuer Tipps und Technik zur Verfügung stellen. Und das Besondere dabei: Die Hilfe geht direkt von Kommune zu Kommune und läuft nicht über Land oder Bund.

Und ganz nebenbei schweißt das Projekt zusammen, erklärt Locherer: „Die Zusammenar­beit der bayerische­n und baden-württember­gischen Gemeinden funktionie­rt hervorrage­nd.“Eine Basis für die kommenden Aufgaben.

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FOTO: AKD AMTZELL
 ?? FOTOS: AKD AMTZELL ?? Zwei Jungs in einem von 14 Flüchtling­slagern in Ghazze im Osten des Libanons.
FOTOS: AKD AMTZELL Zwei Jungs in einem von 14 Flüchtling­slagern in Ghazze im Osten des Libanons.
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Der Spielplatz im Lager ist voll mit spielenden Kindern.

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