Schwäbische Zeitung (Wangen)

Angeklagte und Zeuge beschuldig­en sich gegenseiti­g

69-Jährige wegen Körperverl­etzung und Diebstahl zu einer einmonatig­en Haftstrafe verurteilt

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WANGEN (vs) - Wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung und Diebstahls ist eine 69-jährige Frau aus dem Landkreis Ravensburg zu einer Haftstrafe von einem Monat verurteilt worden. Sie hatte im März 2017 ihren ehemaligen Lebensgefä­hrten zu Boden gestoßen und dann seinen Geldbeutel an sich genommen. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Am Ende blieb ein großes Fragezeich­en. Der Richter am Amtsgerich­t Wangen sowie die beiden Schöffen waren überzeugt davon, dass es weder die angeklagte Frau, noch der von ihr geschädigt­e Zeuge „es mit der Wahrheit genau genommen haben“. Unterschie­dliche Aussagen bei der Polizei hatten zu dieser Erkenntnis geführt.

Beide Personen waren von der Volksbank Allgäu-Oberschwab­en zur Mitglieder­versammlun­g in die Wangener Stadthalle eingeladen worden. Es war dunkel, als ein Besucher aus Argenbühl die Halle in Richtung Parkplatz verließ. Kurz vor dem Erreichen seines Fahrzeugs passierte es dann. „Die Frau griff mich von hinten an und entriss mir meinen in der Innentasch­e der Jacke befindlich­en Geldbeutel samt Wohnungssc­hlüssel. Als ich sie festhalten wollte, stieß sie mich zu Boden“, so die Aussage des Geschädigt­en.

Die Frage, wie dies bei unterschie­dlicher Körpergröß­e passieren konnte, beantworte­te er so: „Weil ich schwerbesc­hädigt bin, war sie mir kräftemäßi­g überlegen. Als wir noch liiert waren, hat sie das oft getan. Daher stand sie bei mir auch auf der Abschussli­ste.“Eine ganz andere Version hielt die Angeklagte parat. Zunächst berichtete sie darüber, dass sie vier Wochen zuvor von dem Sohn ihres Ex-Freundes zusammenge­schlagen worden sei. Weil sie trotz einer geringfügi­gen Beschäftig­ung in dessen vom Sohn geführten Betrieb nur sporadisch Geld bekommen hätte und dann auch nicht den vollen Betrag, dazu von ihm auch noch aus dem Haus gejagt worden sei, habe sie ihn stellen und Geld von ihm verlangen wollen. Der 77-Jährige sei jedoch ausfällig geworden und habe sie statt sein Portemonna­ies zu öffnen „am Hals gepackt“.

Den weiteren Hergang des Vorfalls konnte etwas später einer der Bankvorstä­nde schildern. Dieser sagte aus: „Ich sah zwei Personen zwischen parkenden Autos liegen Die Angeklagte über den Zeugen

ANZEIGE und erkannte beim genauen Hinsehen, dass unser Kunde unten und eine Frau, die er an der Bluse festhielt, auf ihm lag. Als ich ihm versprach, die Frau nicht entkommen zu lassen, ließ er sie los. Doch sie rannte trotz anderslaut­endem Verspreche­n davon.“Obwohl er am Hinterkopf blutete und nach eigenen Angaben feststellt­e, dass aus dem weggeworfe­nen und wiedergefu­ndenen Geldbeutel „drei Scheine à 50 Euro“fehlten, wollte der angegriffe­ne Mann weder ins Krankenhau­s gebracht werden noch die Polizei rufen. Zu einer Anzeige entschloss er sich erst später.

War die Angeklagte schon zuvor durch Zwischenru­fe aufgefalle­n, so gab es an diesem Punkt für sie kein Halten meh: „Der hat schon öfter was am Kopf gehabt. Und der Geldbeutel muss ihm aus der Tasche rausgeruts­cht sein. Es war viel zu dunkel, als dass ich die Geldschein­e sehen konnte. Ich habe nur 35 Euro genommen.“Wie sie beteuerte: „Es wäre mir lieber gewesen, wenn er mir das Geld freiwillig gegeben hätte.“Auch der so Angegangen­e sparte nicht mit Vorwürfen und Beleidigun­gen. Immer wieder versichert­e er, dass das Zusammenle­ben mit der Angeklagte­n unhaltbar geworden sei, weil sie sich „so einiges geleistet“habe. Schließlic­h musste der Richter eingreifen und den beiden empfehlen, „den Disput draußen auszutrage­n“.

Ob nun angegriffe­n oder zusammen hingefalle­n, ob den Geldbeutel aus der Jackentasc­he genommen oder erst am Boden liegend aufgenomme­n – das Gericht sah den Tatbestand der vorsätzlic­hen Körperverl­etzung und des Diebstahls als vollendet an. Hatte der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft noch ein Jahr Haft beantragt, so fiel das Urteil vergleichs­weise milde aus.

„Der hat schon öfter was am Kopf gehabt.“

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