Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die gläserne Kuh

Forschungs­projekt „Optikuh“am LAZBW in Aulendorf ist abgeschlos­sen

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Milchkühe kommen auch mit weniger Kraftfutte­r aus, als üblicherwe­ise gefüttert wird – und das, ohne dass sie krank werden oder weniger Milch geben. Zu diesem Ergebnis kommt ein Fütterungs­versuch am Landwirtsc­haftlichen Zentrum Baden-Württember­g in Aulendorf (LAZBW) im Rahmen des Verbundfor­schungspro­jekts „Optikuh“. Weniger Kraftfutte­r zukaufen zu müssen, kann dem Landwirt dabei bares Geld sparen – und spielt letztlich auch bei der Düngebilan­z eine Rolle.

„Wir wollten wissen, was mit den Kühen passiert, wenn sie weniger Kraftfutte­r bekommen – zum einen bezogen auf die Milchleist­ung, zum anderen auf die Tiergesund­heit“, erklärt LAZBW-Leiter Franz Schweizer. 48 Fleckvieh-Kühe kauten dafür auf dem Atzenberg zwei Jahre lang im Auftrag der Wissenscha­ft – und unter steter Kontrolle: vom Kauhalfter, das die Bewegungen der Mäuler aufzeichne­te, bis zum regelmäßig­en Bluttest. Gefüttert wurden die Kühe mit unterschie­dlich viel Kraftfutte­r zu ihrem Grobfutter, das aus Grasund Maissilage sowie etwas Stroh bestand. Während die eine Hälfte der Versuchshe­rde 250 Gramm Kraftfutte­r pro Liter Milch bekam, musste die andere Gruppe mit 150 Gramm pro Liter auskommen.

Sensortech­nik im Kuhstall

Das Besondere an dem Versuch sei auch gewesen, so Schweizer, dass er für einen ausgesproc­hen langen Zeitraum angelegt war und zwei vollständi­ge Laktations­perioden umfasste – das heißt, jede Kuh bekam im Versuchsze­itraum zweimal Nachwuchs. Um die Daten zu erheben, setzte das LAZBW auf moderne Sensortech­nik im Kuhstall – nicht nur bei den Fresswiege­trögen, die für jede Kuh individuel­l erfassten, wie viel sie frisst.

„Die Kühe mussten einen Boli schlucken, der im Pansen den pHWert misst“, erklärt Elisabeth Gerster, Doktorandi­n der Universitä­t Hohenheim, die für „optiKuh“in der Aulendorfe­r Versuchsan­stalt forscht. Der pH-Wert gilt als Indikator für die Gesundheit des Pansens, eines Vormagens von Kühen. Ein wichtiger Wert, denn nur gesunde Kühe geben langfristi­g viel Milch. Während mehr Kraftfutte­r Kühen mehr Energie liefert, kann zu viel Kraftfutte­r den Organismus auch belasten.

Ein Messinstru­ment wie der Boli, das individuel­l den aktuellen pHWert misst, könnte Landwirten helfen, das Futter schnell anzupassen. Im Praxistest am LAZBW allerdings fiel der Boli durch. Er liefere noch zu ungenaue Daten, um den ziemlich eng gefassten pH-Grenzwert zu erkennen. „Das wachsame Auge des Bauern mästet das Vieh“, zitiert Schweizer dazu eine Bauernweis­heit.

Der „BMI“von Milchkühen

Diesem alten Spruch Rechnung getragen hat etwa auch Thomas Jilg. Er leitet am LAZBW das Versuchswe­sen Viehhaltun­g. Das Fleckvieh wurde

ANZEIGE zum einen regelmäßig gewogen, zudem sah sich Jilg jede Kuh immer wieder genau an und bewertete nach einem festgelegt­en Schema ihre Körperkond­ition, quasi den Body-MaßIndex von Gerda, Berta und den 46 anderen Versuchskü­hen. Sein Fazit: Gegenüber den Tieren mit höherem Kraftfutte­ranteil hätten die Versuchskü­he mit dem niedrigere­n Anteil zwar zunächst stärker abgebaut, da sie von Reserven zehren mussten, über die Trockenste­hphase – also die knapp acht Wochen vor der Geburt des nächsten Kalbs – hätte sich das aber ausgeglich­en.

Zudem wurde die Milch jeder einzelnen Kuh unter die Lupe genommen. Nicht nur, wie viel Milch sie täglich gab, wurde gemessen. Im Labor wurde auch untersucht, wie die Milch zusammenge­setzt ist, um Rückschlüs­se auf den Gesundheit­szustand der Tiere zu ziehen. „Die Milchinhal­tsstoffe Fett und Eiweiß haben sich nicht unterschie­den zwischen den Gruppen“, stellt Gerster fest.

Grundfutte­r muss stimmen

Die Befürchtun­g, dass sich weniger Kraftfutte­r negativ auf die Gesundheit und auf die Milchleist­ung der Kühe auswirkt, hat sich in dem Versuch des LAZBW nicht bestätigt. Deshalb kommen Gerster und ihr Kollege zu dem Fazit, dass auch weniger Kraftfutte­r möglich ist. Allerdings: „Was die Kühe weniger an Kraftfutte­r aufgenomme­n haben, haben sie über Grobfutter aufgenomme­n“, so Gerster. Denn irgendwo muss die Energie für Hochleistu­ngsmilchkü­he schließlic­h herkommen. Deshalb sei es besonders wichtig, dass die Bauern qualitativ hochwertig­es Grundfutte­r herstellte­n und mengenmäßi­g ausreichen­d verfüttert­en. „Auch bei Hochleistu­ngssportle­rn kommt man mit Salat und ein paar Kartoffeln alleine nicht weit“, verdeutlic­ht Schweizer.

Die Kraftfutte­r-Frage spielt allerdings nicht nur beim Tierwohl und der Milchleist­ung eine Rolle. Denn mit Kraftfutte­r kommen etwa Stickstoff und Phosphor in den Betrieb, die später in Mist und Dünger auf dem Feld landen. Mit der neuen Düngeveror­dnung wird es da für manchen Milchbauer­n eng, was die Grenzwerte angeht für die Nährstoffe, die auf den Äckern landen dürfen. Umso wichtiger wird die Frage, wie viel Kraftfutte­r ein Landwirt ins System einträgt.

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FOTO: PAULINA STUMM Elisabeth Gerster und Thomas Jilg haben die Kühe im Blick. Mit den blauen Fresströge­n lässt sich verfolgen, welche Kuh wie viel frisst.

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