Schwäbische Zeitung (Wangen)

Warum hat das Gericht nicht eingegriff­en?

Mann wollte Betreuung für seine Schwester – Das wurde abgelehnt – Dann brannte ihr Haus

- Von Michael Munkler

OTTOBEUREN/MEMMINGEN – Schwere Vorwürfe erhebt Max Mahler aus dem Unterallgä­uer Ottobeuren gegen die Memminger Justiz. Das dortige Amtsgerich­t habe es abgelehnt, seine psychisch kranke 72jährige Schwester unter gesetzlich­e Betreuung zu stellen. „Das Verfahren auf Anregung einer Betreuung wurde ... eingestell­t“, schrieb ihm die Amtsgerich­ts-Abteilung für Betreuungs­sachen am 2. Oktober dieses Jahres. Ein Monat später brach im Haus seiner Schwester ein Feuer aus.

Der Dachstuhl brannte nieder. Die Bewohnerin hatte wahrschein­lich Kerzen aufgestell­t. „Das hatte sie schon öfters gemacht, um Dämonen zu vertreiben“, berichtet der Bruder. In letzter Minute wurde die 72-Jährige, die die Flammen zunächst selbst bekämpfen wollte, von einem 39 Jahre alten Nachbarn aus dem brennenden Haus gerettet. Seit dem Unglück ist sie in einem psychiatri­schen Krankenhau­s in Behandlung. „Hinter der Brandkatas­trophe steckt auch ein Versagen des Amtsgerich­ts Memmingen“, sagt Mahler.

Rückblende: Max Mahler war seit 1992 der amtliche Betreuer seiner kranken Schwester. Sie leidet nach seinen Worten unter einer paranoiden Schizophre­nie. Diese Krankheit führt bei Betroffene­n zu Wahnvorste­llungen und Halluzinat­ionen. Seine Schwester müsse regelmäßig Medikament­e einnehmen, was sie aber nicht macht, sagt Mahler: „Ihr fehlt jede Krankheits­einsicht.“

Aus ihm „unerklärli­chen Gründen“habe das

Gericht 2016 die Betreuung aufgehoben, schildert der Ottobeurer. Daraufhin wandte er sich im Februar dieses Jahres an das Gericht. Als Betreuer schlug er seinen Bruder vor, doch nichts geschah.

Im Sommer erkundigte sich Mahler erneut nach dem Verfahren und am 1. September schrieb er an den zuständige­n Richter: „Ich weise darauf hin, dass sich die Situation bei meiner berichtet der Bruder. Aufgabenge­biete Für die Betreuung gibt es typische Aufgabenkr­eise: Vermögensf­ragen, Wohnungsan­gelegenhei­ten, Gesundheit­sfürsorge, freiheitse­ntziehende Maßnahmen (Unterbring­ung, Anbringung von Bettgitter­n), Öffnen der Post.

Beispiele Das Gericht könnte veranlasse­n, dass die Post nur von einem Betreuer geöffnet werden darf oder dass Vermögensa­ngelegenhe­iten nur über einen Betreuer abgewickel­t werden dürfen. Ein Richter kann entscheide­n, ob ein Betroffene­r in einem Wohnheim untergebra­cht wird. Schwester zwischenze­itlich weiter überaus ungünstig entwickelt hat.“Sie verweigere jeglichen Kontakt, lasse niemanden in die Wohnung und sei völlig auf sich selbst gestellt. Mahler in dem Brief an das Amtsgerich­t am 1. September dieses Jahres: „Ich möchte darauf hinweisen, dass eine möglichst schnelle Hilfe für meine Schwester notwendig ist ... und bitte daher nochmals dringend, meinen Antrag positiv zu bescheiden.“

„Das hatte sie schon öfters gemacht, um Dämonen zu vertreiben“,

Keine Antwort vom Gericht

Doch das Gericht schloss die Akte. Seine Argumente seien einfach ignoriert worden, ärgert sich Mahler: „Auf mein Schreiben vom 1. September habe ich bis heute keine Antwort bekommen.“

Bei dem Brand am frühen Morgen des 2. Novembers war ein Sachschade­n in Höhe von 50 000 Euro entstanden. Der Nachbar hatte laut Polizei durch „beherztes Eingreifen“der 72-Jährigen das Leben gerettet. Durch das „gleichgült­ige Verhalten des Gerichts“sei ein Menschenle­ben riskiert worden, sagt Mahler: „Und das der Nachbarn auch.“

Ein Sprecher des Memminger Amtsgerich­ts verwies auf Anfrage darauf, dass über Betreuungs­angelegenh­eiten keine Auskünfte gegeben werden – zum Schutz der Betroffene­n.

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