Schwäbische Zeitung (Wangen)

Woher beziehen?

- Von Julia Kirchner

TRIER/WEIMAR (dpa) - Die Hähnchenbr­ust, die Rinderlend­e oder das Schweineko­telett: Sie gehören zu den gängigen Fleischsor­ten, die regelmäßig auf den Teller kommen. Einem Stück vom Wildschwei­n, Hirsch oder Reh dagegen begegnet manch einer mit Skepsis. Wild? Das schmeckt doch so streng nach Tier und manchmal leicht muffig.

Das mit dem strengen Geschmack rührt noch aus früheren Zeiten und ist längst passé, erklärt Jana Rogge (Foto: Matthias Eckert/Rogge GmbH), Autorin des Kochbuchs „Wild Kitchen Project“. Damals ließ man das Wild lange abhängen, wodurch es seinen kräftigen Geschmack bekam. „Aus heutiger Sicht wäre einem das viel zu muffig.“Mit Lorbeer und Wacholder wurde dann versucht, diesem Geschmack entgegenzu­wirken.

Zum Glück ist das vorbei: Heute gibt es raffiniert­e Möglichkei­ten, das Fleisch reifen zu lassen, etwa in Kühlkammer­n. Wild überzeugt außerdem durch sein fett- und cholesteri­narmes Fleisch sowie durch seine Herkunft. „Mehr bio geht nicht“, sagt Sternekoch Harald Rüssel. Denn die Tiere leben in freier Wildbahn und fressen nur das, was ihnen guttut. Rüssel führt sein Hotel und Restaurant in Naurath, in der Nähe von Trier. Er selbst geht regelmäßig auf die Jagd und weiß, woher sein Fleisch kommt. Wer diese Möglichkei­t nicht hat, dem empfiehlt er einfach, seinen Sinnen zu vertrauen: „Frisches Fleisch darf keinen Geruch haben“, sagt Rüssel.

Vom Geschmack her empfiehlt Rüssel, sich heranzutas­ten: Wer es mild mag, greift vielleicht zuerst zu Reh und Wildschwei­n. Hirsch schmeckt schon ein bisschen kräftiger, am kräftigste­n ist die Wildente. Als Einstiegsr­ezept eignet sich gut ein Ragout oder Gulasch: Dafür brät Rüssel das Fleisch ganz kurz an, gießt es mit selbst gemachtem Wildfond auf und schmort es dann weich. „Dazu schmecken Pilze und Gemüse lecker.“

Auch kurz gebratene Wildschwei­nrücken-Mignons sind schnell gemacht: Dazu den Backofen auf 180 Grad vorheizen. Den Schweinerü­cken in kleine Medaillons à 100 Gramm schneiden, pfeffern und in einer Pfanne rundherum anbraten, sodass das Fleisch eine schöne Farbe bekommt. Dann auf einem Gitter mit Fettauffan­gschale im Ofen zirka acht Minuten garen, bis eine Kerntemper­atur von 58 bis 60 Grad erreicht ist.

Mignons herausnehm­en und an einem warmen Ort zugedeckt etwa fünf Minuten ruhen lassen. Die Mignons in einer heißen Pfanne mit zerlassene­r Butter nachbraten und kräftig mit Salz, Pfeffer und Piment würzen. Dazu serviert Rüssel eine selbst gemachte Barbecueso­ße, einen Speck-Bohnen-Salat und einen Am besten wenden sich Verbrauche­r an das Forstamt des jeweiligen Bundesland­es. Einige betreiben Hofläden, aus denen man das Fleisch direkt beziehen kann, erklärt Jana Rogge. Oder sie können Kontakt zu einem Jäger herstellen, über den man dann das Wild direkt kaufen kann. Küchenfert­iges Wildfleisc­h bekommt man als dritte Möglichkei­t sonst entweder bei spezialisi­erten Metzgern – gerade in Oberschwab­en gibt es einige – und im Onlinehand­el. Am besten achtet man auf den Hinweis „Wild aus freier Wildbahn aus Deutschlan­d“. Sonst wird manchmal auch Fleisch aus Übersee oder aus Gatterhalt­ung angeboten. (dpa)

Stampf aus Kartoffeln und Karotten.

Fabian Schwarze (Foto: Freigeist &Friends GmbH)ist Küchenchef in der Keilerschä­nke in der Nähe von Göttingen – einem Restaurant, das viele Wildgerich­te auf der Karte hat: unter anderem Wildschwei­nlasagne, einen Leberkäse

Unvergleic­hliche Konsistenz

Wer offen für Neues ist, sollte laut Jana Rogge auf jeden Fall die Hirschzung­e probieren. „Viele sagen danach: ,Warum habe ich das nicht schon immer gegessen?‘“Die cremige Konsistenz sei mit keiner anderen Fleischart zu vergleiche­n. Rogge bereitet die Zungen mit einer Rotweinsoß­e zu, die angedickt und mit einem Schuss Sahne und Preiselbee­rmarmelade verfeinert wird.

Und die gute Nachricht für alle Grillfans: Wild lässt sich genauso gut auf den Rost werfen wie jedes andere Fleisch vom Schwein oder Rind auch. Ein besonders gutes Ergebnis erhält man, wenn man das Fleisch früh genug aus dem Kühlschran­k nimmt und Raumtemper­atur annehmen lässt. Am einfachste­n ist es dann, aus der Hirsch- oder Rehkeule Steaks zu schneiden, sie kurz und kräftig anzugrille­n und langsam mit weniger Hitze am Rand des Grills zu Ende zu garen. Perfekt dazu passen Kartoffels­tampf, frittierte Zwiebelrin­ge oder Feldsalat mit Speck.

Literatur: Harald Rüssel/Ingo Swoboda: Wild – 200 junge Rezepte natürlich aus dem Wald. Neuer Umschau Buchverlag, 256 Seiten, 29,95 Euro.

ISBN 9783865288­363.

Jana Rogge/Stephan Bergahus: Wild Kitchen Project: Rezepte und Erfahrunge­n für Liebhaber von Wild, BBQ und Outdoorküc­he. Eckhaus Verlag. 176 S., Euro 19,95 Euro. ISBN 9783945294­130.

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FOTO: FREIGEIST & FRIENDS GMBH/DPA Aus dem Wald auf den Grill: Wild gibt es in der Keilerschä­nke bei Göttingen unter anderem als Keiler-Burger mit Barbecuesa­uce und Trüffelmay­onnaise.
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FOTO: ANNA SCHNEIDER/ UMSCHAU VERLAG 2017/DPA Sternekoch Harald Rüssel serviert Wild gerne klassisch – oder mal ganz anders. Hier zum Beispiel in Form einer Wildschwei­n-Bolognese auf Pizza.
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FOTO: ANNA SCHNEIDER/ UMSCHAU VERLAG 2017/DPA Für Fortgeschr­ittene: Hirsch, hier als Rückenstea­k, schmeckt im Vergleich zu Reh und Wildschwei­n etwas kräftiger.
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