Schulden führen zu Straftaten
Bei ihrer Diebstour ließen die Angeklagten auch Werkzeuge im Raum Wangen mitgehen
WANGEN/TETTNANG (sig) – Ein Schöffengericht am Amtsgericht Tettnang hat unter Vorsitz von Richter Martin Hussels-Eichhorn ein Brüderpaar zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren beziehungsweise sechs Monaten – ausgesetzt zur Bewährung auf zwei Jahre – verurteilt. Sie waren auch im Raum Leutkirch und Wangen auf Diebestour. Dem 23-Jährigen wies das Gericht zehn Diebstähle – davon drei gemeinschaftlich begangene – sowie eine Hehlerei nach. Dem demnächst 27-Jährigen lediglich einen Einbruchdiebstahl. Beide befanden sich bis gestern seit fünfeinhalb Monaten in Haft.
In Fußfesseln und Handschließen waren die Brüder am Morgen getrennt aus den Haftanstalten in Ulm und Hinzistobel vorgeführt worden. Nach knapp sechs Stunden wurden sie der Fesseln entledigt und mit Tränen in den Augen in die Bewährungszeit entlassen. Beide hatten die Vorwürfe eingeräumt. Vor allem der jüngere Angeklagte war 2016 und bis zur Festnahme der beiden am 5. Juli dieses Jahres in Tettnang, Wangen und Leutkirch nachts unterwegs, um aus meist offenstehenden landwirtschaftlichen Schuppen oder Garagen Werkzeuge im Gesamtwert von fast 28 000 Euro zu stehlen.
Anschließend wurden die Gegenstände – von der Kettensäge bis zur Bohrmaschine – teils über „Freunde“nach Osteuropa verkauft oder behalten. Grund des Diebeszugs: Der 23Jährige war arbeitslos, nachdem ihn sein Wangener Arbeitgeber entlassen hatte. Der Zoll war dahinter gekommen, dass der Chef den 23-Jährigen nicht versichert und möglicherweise als Scheinselbstständigen beschäftigt hatte. Von eben diesem Arbeitgeber und einer weiteren Person hatte der Angeklagte zuvor einen Kredit über zusammen 6000 Euro erhalten, den er – ohne Arbeit – nicht zurückzahlen konnte.
Seine Fehlentscheidung: Er flüchtete in Straftaten, um sich so über Wasser zu halten und seine Schulden begleichen zu können. „Ich habe keinen andere Ausweg gesehen, um zu Geld zu kommen“, ließ er die Dolmetscherin übersetzen. Selbst wenn er eine Arbeit für wenig Geld fand, hätte das nicht zum Leben gereicht, erst recht nicht zur Rückzahlung der Schulden, die innerhalb von drei Monaten zu begleichen waren, versuchte der Angeklagte zu erklären, warum er straffällig geworden sei. Die Not habe ihn zum Diebstahl getrieben.
Mit seinem älterer Bruder, der erst einen Tag aus Osteuropa zu Besuch bei ihm in Tettnang war, sei er in ein Gehöft in Leutkirch über eine vier Meter hohe Leiter durch eine Dachluke in einen Schuppen eingestiegen. Vom Dachboden ließ er eine Handkreissäge samt Bohrhammer, Bohrmaschine, Akku-Schrauber und zwei Rohrzangen im Gesamtwert von etwa 700 Euro mitgehen. Der demnächst 27-Jährige wurde mit seinem Bruder gefasst und befand sich wie dieser seit Juli dieses Jahres in UHaft.
Anwesen sind schlecht gesichert
Das Werkzeug-Sortiment, auf das es der 23-Jährige auch in anderer Besetzung (Freund „Theophil“steht separat vor Gericht, er war in Haslach verhaftet worden) abgesehen hatte, war vielschichtig: Es handelte sich um Bohrmaschinen oder -hämmer, Handkreis-, Motor- oder Stichsägen, Akku-Schrauber, Winkelschleifer, ein Stromaggregat oder ganze Werkzeugkoffer. Wenn die Türen nicht offen standen, waren sie zumindest leicht – weil halb verfault – einzudrücken. Allein um die 30 Motorsägen sollen sich unter dem Diebesgut befunden haben. Ob das von den Eigentümern als gestohlen Gemeldete ausschließlich von den Angeklagten zu vertreten ist, daran hegte das Gericht vor dem Hintergrund der ungenügenden Sicherung Zweifel.
Teilweise wurde das gestohlene Werkzeug von der Polizei sichergestellt oder – wenn noch nicht verkauft – von den Angeklagten zurückgegeben. In einem Fall will der 23Jährige das Diebesgut von einem „Kumpel“gegen zwei Stangen Zigaretten erworben haben, was ihm die Anklage wegen Hehlerei einbrachte. Er will nicht gewusst haben, dass die Sachen gestohlen waren.
Das Gericht sprach den 23-Jährigen in zehn Fällen des gemeinschaftlich begangenen Diebstahls sowie in einem Fall der Hehlerei schuldig und erkannte auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Sein 27-jähriger Bruder wurde zu sechs Monaten, ebenfalls auf Bewährung verurteilt. Da beide seit fünfeinhalb Monaten in U-Haft sitzen, wurden die Haftbefehle gestern aufgehoben.