Wo 500 Euro viele schlaflose Nächte bereiten
SZ-Nothilfe half in diesem Jahr einem älteren Herrn, dessen Ölvorräte kurz vor Weihnachten zur Neige gehen
WANGEN/LEUTKIRCH - Eigentlich hätte die Notlage gar nicht eintreten dürfen. Eigentlich hat Walter Krause (Name von der Redaktion geändert) das monatlich zweistellige Wohngeld akribisch zurückgelegt. Doch dann haben die Zähne einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach einem Zahnverlust und einer OP war eine neue Prothese fällig, die bezahlt werden musste. Wo nur sollten nun jene 500 Euro herkommen, die für das Öl zum Heizen der 45 Quadratmeter großen Wohnung nötig sind?
„Sie dürfen mir glauben, ich heize sehr sparsam“, sagt Walter Krause. Erst mittags um vier wird der Ölofen in der kleinen Wohnung im Altkreis Wangen angestellt. Um 21 Uhr schaltet der Rentner wieder ab. 500 Euro benötigt der 78-Jährige für zwei Jahre Heizkosten. 500 Euro, die ihm in der letzten Zeit schlaflose Nächte und viele Sorgen bereiteten. Dass er überhaupt einmal in eine solche Situation kommen könnte, hätte sich Krause in jungen Jahren nie vorstellen können.
Als 14-Jähriger begann er eine Ausbildung zum Schreiner, schloss sie drei Jahre später ab. Mit 18 übernahm er den großväterlichen Betrieb und absolvierte mit 22 Jahren die Meisterprüfung. 1961 heiratete Krause, zwei Töchter wurden geboren. Die veraltete Firma bot der jungen Familie aber keine Zukunft: „1969 habe ich schließlich aufgegeben.“Der Familienvater stieg als kaufmännischer Angestellter in einen Textilbetrieb ein: „Wir haben damals unser Auskommen gehabt.“1973 wechselte Krause – auf Wunsch von Frau und Töchtern – Wohnort und Arbeitsstelle, arbeitete fortan als Hausmeister bei einem katholischen Schulwerk. Jene 400 Mark, die er fortan weniger verdiente, nahm er in Kauf.
Ehe ging in die Brüche
1979 ging die Ehe in die Brüche. Mit der Scheidung wurden auch der Versorgungsausgleich und damit die Übertragung von Rentenpunkten an die Ehefrau fällig. Krauses Wunsch, als gläubiger Christ in die Mission zu gehen, „klappte nicht so richtig“. Folglich arbeitete er in einem Kloster auf der Alb „für einen Hungerlohn“und half bei der Renovierung: „Ich hatte das Notwendige zum Leben, bin selbst durchgekommen.“
Immer wieder kam es zu Schwierigkeiten bei der Bezahlung des Unterhalts für die Töchter. Im Juni 1983 tat sich die Chance auf, im ehemaligen Textilbetrieb wieder einzusteigen. Bis 1998 führte Krause als Abteilungsleiter daraufhin ein zufriedenstellendes Leben mit regelmäßigen und ausreichenden Einkünften. „Bis schließlich die Reorganisation und eine Streichliste kamen.“
Mit 58 Jahren wurde ihm nahegelegt, in den Vorruhestand zu gehen. Krause kämpfte nicht, sondern dachte an andere: „Ich wollte nicht, dass man gegebenenfalls junge Leute und Familienväter entlässt. Das hat mir nicht so richtig gefallen.“Dass diese Entscheidung gleichzeitig bedeutete, dass die ohnehin schon überschaubare Rente nochmals eine Absenkung erfährt, hat er nicht bedacht: „Ich war immer schon der Typ, der, wenn er Geld hatte, es für andere spendete. Ich habe nie viel angesammelt.“
„Ich lebe sehr bescheiden“
Als im Herbst 1998 Krauses Mutter starb, musste der Vorruheständler auf niemanden mehr Rücksicht nehmen. Für ihn, der damals schon drei Wallfahrten hinter sich hatte, stand fest: Ich gehe ins Kloster. Miete brauchte er dort nicht zu bezahlen. Auch für die Verpflegung war gesorgt. „Meine Rente verwendete ich überwiegend zum Spenden“, sagt Krause. Dass mangels Bezahlung keine weiteren Rentenanwartschaften zustande kamen, erzählt er erst auf Nachfrage – und ohne Vorwürfe.
Zum erneuten Bruch in seinem Leben kam es, als er – gemäß der Tradition seiner Bruderschaft – an den nächsten Ort und ins Rheingau hätte ziehen sollen. „Das hat mir nicht so zugesagt. Ich hatte wegen meines Asthmas auch gesundheitliche Bedenken.“Schließlich kehrte Krause ins Allgäu zurück. Dorthin, wo es ihm schon vorher so gut gefiel.
Mit 825 Euro Rente nach einem langen Arbeitsleben und einem bescheidenen Wohngeld in Höhe von 26 Euro muss der Rentner heute leben. Rund die Hälfte geht für Miete und Nebenkosten drauf. Auch ein kleiner Kredit ist noch zu tilgen. Im Sommer brach ein Zahn. Die daraufhin benötigte Prothese war und ist Notwendigkeit. Zu den Töchtern hat er keinen Kontakt, sein Auto vor zwei Jahren verkauft. Auf Klagen wartet man dennoch vergebens: „Ich lebe sehr bescheiden, habe weder Internet noch TV.“Stattdessen betont er: „Ich möchte nicht zum Bettler werden.“
Dass die Situation, nun ohne Heizöl dazustehen, belastete, gesteht Krause ein: „Man fühlt sich schon etwas verlassen.“Umso größer ist die Erleichterung, dass zumindest das „Problem Heizen“nun durch die SZNothilfe gelöst ist: „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Ich bin sehr froh, dass es solche Organisationen gibt.“Nun kann er wieder zur Ruhe kommen und sich den Dingen zuwenden, die er gerne und regelmäßig macht: „Lesen und jeden Tag in den Gottesdienst gehen.“