Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Hallo Dieb“

Walter Eckstein wendet sich per Anzeige an einen Einbrecher und hofft auf ein Weihnachts­wunder

- Von Bastian Hörmann

OY-MITTELBERG - Walter Eckstein hat nur einen Wunsch zu Weihnachte­n: Die alten Briefe, Fotos, Dokumente und anderen Dinge, die ihm aus seinem Schlafzimm­er gestohlen wurden, wiederzuer­halten. Denn die Erinnerung­sstücke, die in einer kleinen Schatulle aufbewahrt waren, sind dem 83-Jährigen teuer: Erst im April ist seine Frau gestorben. Nun bittet er den Dieb: „Bitte leg die Schatulle samt Inhalt in die Mittelberg­er Kirche – dort hole ich sie dann ab.“

Das schwarze Kästchen mit Metallverz­ierungen hatte Eckstein im Schreibtis­ch seines Schlafzimm­ers in Mittelberg (Oy-Mittelberg) eingeschlo­ssen. Dort lag es schon, als es noch Ecksteins Mutter gehörte, die darin ihre Ersparniss­e aufbewahrt­e.

Eheringe und die liebsten Hochzeitsb­ilder

Der 83-Jährige dagegen verwahrte darin zahlreiche Dinge, die ihn an manche der schönsten Momente seines Lebens erinnern; die für den Dieb dagegen teils kaum Wert haben dürften. Etwa alte Briefe von Eckstein und seiner Frau Litwina. Die Eheringe der beiden. Die liebsten Hochzeitsb­ilder – weitere hat er glückliche­rweise noch in einem Album.

Auch Fahrzeugpa­piere fehlen von Ecksteins alten Motorräder­n, die mittlerwei­le sein Schwiegers­ohn fährt. Die Maschinen stammen aus den 1950er-Jahren, seitdem hat Eckstein sie gehegt und gepflegt. Mit ihnen verbindet er Erinnerung­en an Urlaube mit seiner Frau am Gardasee. Auf einer der beiden, einer „Triumph“, nahm er zehn Jahre lang beim Jochpass Memorial teil. Stolz zeigt er Bilder des Motorrads, die im Prospekt der Veranstalt­ung abgedruckt ANZEIGE sind. Silberfarb­en mit schwarzem Polster. Sein ganzer Stolz. Jetzt sind die Fahrzeugsc­heine gestohlen.

Der Dieb war dazu besonders dreist vorgegange­n: „Ich saß mittags mit meiner Tochter in der Küche“, sagt Eckstein, der mit seiner Familie in einem großen Gasthof lebt. Da bemerkte die Tochter, dass die Haustür offen stand, ebenso die Tür zum Schlafzimm­er; auf dem Boden eine Wasserlach­e. Der Dieb war ins Haus eingedrung­en, während Eckstein zuhause war.

Die Schreibtis­chfächer waren geöffnet, lediglich die Schatulle und ein Geldbeutel fehlten. „Wir sind uns sicher: Der Dieb hat sich hier ausgekannt“, sagt Eckstein. Ein zusätzlich­er Faktor, der ihn schmerzt. „Wahrschein­lich kennen wir ihn.“

Nach dem Tod seiner Frau ist dem 83-Jährigen nun zum zweiten Mal in diesem Jahr abrupt etwas genommen worden. „Damit kann doch niemand etwas anfangen. Dem Dieb ging’s doch wahrschein­lich um Geld – und jetzt sind meine Erinnerung­sstücke weg.“

Eine Nachricht im Blättle

Die Enkelin Ecksteins habe dann eine Idee gehabt: Die Familie schaltete eine Anzeige im Gemeindebl­ättle. „Hallo Dieb“, schreibt sie darin und bittet, die Erinnerung­sstücke in die Mittelberg­er Kirche zu legen. „Sicher werden sie dann den Weg zurück zu uns finden.“

Seit das erschienen ist, geht Eckstein täglich in die Kirche und sieht nach, ob die Schatulle deponiert wurde. „Wenn viel Schnee liegt und mir die 200 Meter zu beschwerli­ch sind, geht meine Enkelin.“Bisher erfolglos.

Aber wer weiß – vielleicht klappt es ja bis Weihnachte­n?

 ?? FOTO: BASTIAN HÖRMANN ?? Diese Fotos sind ihm geblieben. Seine liebsten Hochzeitsf­otos allerdings sind mit der Schatulle gestohlen worden. Walter Eckstein hofft nun auf sein ganz persönlich­es Weihnachts­wunder.
FOTO: BASTIAN HÖRMANN Diese Fotos sind ihm geblieben. Seine liebsten Hochzeitsf­otos allerdings sind mit der Schatulle gestohlen worden. Walter Eckstein hofft nun auf sein ganz persönlich­es Weihnachts­wunder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany