Sie will noch, sie kann noch
Angela Merkel geht im Moment durch eine der schwierigsten Phasen ihrer Kanzlerschaft. Das Scheitern der Jamaika-Sondierungen hat ihr mehr geschadet, als viele – vielleicht auch sie selbst – zunächst gedacht haben. Die Bevölkerung und wirtschaftliche Interessenvertretungen wie der Deutsche Industrieund Handelskammertag warten mehr als drei Monate nach der Wahl noch immer auf eine neue Regierung, neue Impulse, neue Perspektiven. Sie machen Angela Merkel für diese Hängepartie persönlich verantwortlich. Und die politische Konkurrenz versucht, Profit aus der Schwäche der Kanzlerin zu schlagen. Dabei agieren SPD und FDP durchaus auf unterschiedlichem Niveau.
Die Kanzlerin steht in der Kritik. Und es ist so klar wie legitim, dass in dieser Phase die Sozialdemokraten in Person von Sigmar Gabriel in die Offensive gehen und sich auch mit gehörigem Ellbogeneinsatz eine gute Ausgangsposition für die anstehenden Gespräche mit der Union verschaffen wollen. So ist das politische Geschäft nun mal. Merkel wird nicht erwartet haben, dass sie von den Genossen mit Samthandschuhen angefasst wird. Dafür ist sie selbst viel zu sehr Machtmensch.
Durchaus anders ist die Attacke von FDP-Vize Wolfgang Kubicki zu werten. Dass er für seinen Angriff auf die Kanzlerin mit dem PegidaSlogan von der Merkel, die weg muss, hantiert, ist bestenfalls sehr schlechter Stil. Klingt ganz danach, als wollten die Liberalen noch mal gegen Merkel nachtreten, die sie nach wie vor für ihr vorübergehendes Ausscheiden aus dem Bundestag verantwortlich machen. Ganz ähnlich, wenn auch weniger rustikal, hat jüngst auch FDP-Parteichef Christian Lindner von einer Zeit mit anderen Entscheidern in der CDU gesprochen. Aber noch ist diese Zeit ganz offenkundig nicht gekommen.
Merkel will noch, Merkel kann noch. Was sie aber braucht, sind Partner, die bei allen Differenzen bereit sind, mit Blick nach vorne Verantwortung für dieses Land zu übernehmen. Das gilt in der aktuellen Situation. Das gilt aber auch für den Fall möglicher Neuwahlen.