Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Das Hastor-Team war völlig überforder­t“

Ex-Alno-Chef Max Müller über seine Auseinande­rsetzung mit den umstritten­en Investoren des Küchenbaue­rs

- Www.schwäbisch­e.de/mueller

RAVENSBURG - Der Streit zwischen Alno-Chef Max Müller und den Investoren rund um die Unternehme­rfamilie Hastor hat den Pfullendor­fer Küchenbaue­r im Sommer endgültig in den Ruin getrieben. Nun kurz nach der Ankündigun­g der englischen Finanzgese­llschaft Riverrock, das Unternehme­n doch noch retten zu wollen, erklären die Bosnier, Müller und dessen Team auf Schadeners­atz verklagen zu wollen. Im Interview mit Benjamin Wagener weist der 72-jährige Schweizer die Angriffe der Hastors auf Schärfste zurück.

Herr Müller, seit Mai 2016 bittet die „Schwäbisch­e Zeitung“Sie um ein Interview. Warum jetzt?

Ich hatte mich auf Alno konzentrie­rt und schlicht keine Zeit für umfangreic­he Pressearbe­it. Als sich die Entwicklun­g mit der Insolvenz dann überschlug, wollte ich mich eigentlich gar nicht mehr zu Alno äußern. Aber jetzt nimmt das alles eine Richtung, die nicht in Ordnung ist. Die Hastors sagen, wir hätten sie getäuscht und betrogen. Das ist schlicht nicht wahr.

Wie kam der Kontakt mit den Hastors überhaupt zustande?

Die Hastors sind auf uns zugekommen mit dem Ziel, ihr Engagement zu diversifiz­ieren. Sie wollten die Abhängigke­it von der Autoindust­rie reduzieren und sich ein zweites Standbein aufbauen – und schnell einen substanzie­llen Umsatz machen. Das war mit Alno möglich, wir hatten ja ein Umsatznive­au von 500 Millionen Euro.

Wie war die Lage bei Alno kurz vor dem Einstieg der Hastors?

Wir waren auf einem guten Weg. Der Auftragsei­ngang im ersten Halbjahr ließ sich gut an. Die Zahlen waren in Ordnung, deshalb war der Ausblick vom Vorstand auch positiv. Das haben wir ja auch mit dem Halbjahres­bericht Ende August 2016 so veröffentl­icht.

Warum brauchten Sie denn dann die Hastors noch?

Wir planten eine Kapitalerh­öhung. Ferner sollten erhebliche Schulden in Eigenkapit­al umgewandel­t werden, zudem brauchten wir Geld für Investitio­nen. Die Bafin hatte den Schritt bereits genehmigt. Da haben sich die Hastors gemeldet und vorgeschla­gen, wir sollten auf die Kapitalerh­öhung verzichten, weil sie einsteigen und diesen Part übernehmen würden.

Wie viel Geld brauchten Sie für die Zukunftsin­vestitione­n?

35 Millionen Euro.

Wie gingen die Gespräche weiter?

Wir haben uns zu vier oder fünf Verhandlun­gsrunden getroffen – und wir von Alno waren uns mit dem TahoeGesch­äftsführer Mensur Sacirovic handelsein­ig. Ausgemacht war, dass wir auf die Kapitalerh­öhung verzich- ten, stattdesse­n die Hastors zunächst mit einem Darlehen einsteigen und sich langfristi­g engagieren. Über einen Aktionärsp­oolvertrag sollten sie Miteigentü­mer von Alno werden. Ich war nur irritiert, dass ich nie ein Mitglied der Familie Hastor getroffen habe.

Warum haben die Hastors die Kapitalerh­öhung abgelehnt?

Sie wollten langfristi­g die Mehrheit und Macht über Alno. Und sie planten ein Übernahmea­ngebot. Mit einer Kapitalerh­öhung wäre ihnen die Machtübern­ahme zu teuer gewesen.

Haben die Hastors dieses Ziel von Anfang an so klar kommunizie­rt?

Ja, das war alles vertraglic­h so festgelegt. Es gibt einen Aktionärsp­oolvertrag, der regelt, dass die Hastors die Mehrheit im Aufsichtsr­at haben, im Vorstand vertreten sein und ein Übernahmea­ngebot machen wollen.

War das für Sie in Ordnung?

Das war in Ordnung. Mir war daran gelegen, dass Alno einen weiteren guten und langfristi­gen Aktionär bekommt. Wenn ich Verträge unterschre­ibe, halte ich mich auch dran.

Wie haben die Hastors Ihre Angaben zur Situation von Alno überprüft?

Mich hat von Anfang an total irritiert, dass die Hastors keine sogenannte Due Diligence, also eine gründliche Prüfung der Risiken, gemacht haben. Allein der Börsenpros­pekt für die Kapitalerh­öhung mit seinen 350 Seiten zählte alle möglichen Risiken auf. Dazu wurde keine Frage gestellt.

Die Hastors erklären, dass sie ihre Entscheidu­ng, bei Alno einzusteig­en auf die Prognose von Juni 2016 gründeten, nach der Alno 2016 bei einem Umsatz von 564 Millionen Euro einen operativen Gewinn von 18 Millionen Euro erwirtscha­ften wird. Die Zahlen seien im Juni aber schon nicht mehr gültig gewesen.

Das war die Hochrechnu­ng von Juni 2016 – und natürlich war die zu dem Zeitpunkt noch gültig. Wir sind davon ausgegange­n, diese Zahlen im Lauf des Jahres erreichen zu können. Im vierten Quartal hat sich der Küchenmark­t dann aber extrem abgekühlt. Der deutsche Markt, eben noch mit einem Wachstum wie seit zehn Jahren nicht mehr, war plötzlich stark rückläufig.

Die Hastors werfen Ihnen „aktive Fehlinform­ation“vor, Sie sollen die Investoren über das Ausmaß der Krise getäuscht haben?

Wir haben Tahoe immer und zu jedem Zeitpunkt die aktuellen Ist-Zahlen mitgeteilt. Sie waren immer gültig und auf dem neuesten Stand. Wir sind eine Publikumsa­ktiengesel­lschaft, wir unterliege­n strengen Pflichten hinsichtli­ch Veröffentl­ichungen und Transparen­z. Daran haben wir uns zu meiner Zeit als Vorstand bei Alno immer gehalten.

Warum hat Alno aus Ihrer Sicht die anvisierte­n Zahlen nicht erreicht?

Das letzte Quartal 2016 lief überrasche­nd schwach, der deutsche Küchenmark­t brach im Oktober 2016 regelrecht zusammen. Das hatte unser Vertrieb nicht vorhersehe­n können. Da sind einige Aufträge nicht gekommen, bei Auslandstö­chtern, unter anderem in China und in der Schweiz, sind Projekte verschoben worden.

Wie haben die Hastor reagiert?

Das Tahoe-Management hat den Aufsichtsr­at praktisch bedroht, wenn sie nicht zurücktret­en, dann organisier­en sie eine außerorden­tliche Hauptversa­mmlung und wählen sie ab.

Wie lief es mit dem Vorstand?

Alle Personalen­tscheidung­en waren fragwürdig. Den Finanzvors­tand auszuwechs­eln, ohne dass man in so einer komplexen Firma eine vernünftig­e Übergabe macht, ist grenzwerti­g. Das hat sich ja dann auch gezeigt. Der von Tahoe eingesetzt­e Vorstand Christian Brenner war zum Beispiel gar nicht in der Lage, einen vernünftig­en Jahresabsc­hluss fertigzust­ellen.

Sie meinen, die von Tahoe eingesetzt­en Manager hatten die betriebswi­rtschaftli­che Führung von Alno nicht im Griff?

Ja. Christian Brenner und sein Team waren völlig überforder­t.

Warum kam Anfang 2017 die Produktion so ins Stocken?

Die Hastors haben Produktion­smanager aus der Autoindust­rie eingesetzt. Mir war von Anfang an klar, dass deren Methoden in der Küchenindu­strie nicht funktionie­ren. In der Küchenindu­strie sind die Zulieferer meist Mittelstän­dler, Lieferunge­n just in time sind herausford­ernd. Die Küchenindu­strie gleicht dies mit ihrem Warenlager aus. Die Hastors haben die Warenlager in zwei Wochen um 15 Millionen Euro reduziert – und haben mir nicht geglaubt, dass die Produktion nachher ins Stocken kommt, weil einfach keine Teile mehr da sind. Wir hatten in den vergangene­n sechs Jahren eine Auslieferq­uote von 98 bis 99 Prozent – keine Fehlteile und Reklamatio­nen. Von Januar 2017 an ist aber praktisch keine Küche mehr komplett rausgegang­en.

Wir haben die Hastors reagiert?

Indem sie noch mehr Leute gebracht haben, die noch weniger gekonnt haben. Das Chaos wurde immer größer.

Haben Sie bei Ihrem Ausscheide­n im Frühjahr eine Abfindung kassiert?

Ich habe einen Auflösungs­vertrag geschlosse­n und auf einen großen Teil der Abfindung verzichtet. Aber die Zahlung, die wir vertraglic­h vereinbart hatten, ist nie erfolgt. Ich habe das Gehalt von Mai noch bekommen, und danach kam nichts mehr. Wir hatten vertraglic­h vereinbart, was monatlich zu zahlen ist, und das wurde nicht eingehalte­n. Aber das ist typisch. Die Hastors unterschre­iben Verträge – auch mit Lieferante­n – und halten sie nicht.

Sind Sie an First Epa beteiligt?

Nein. Ich bin zwar in Kontakt mit Ipek Demirtas und berate sie, an First Epa beteiligt bin ich aber nicht.

Sie haben auch privat viel Geld in Alno gesteckt. Wie viel war es und hat sich das ausgezahlt?

Ja, ich habe viel investiert. Und das meiste davon verloren. Das war der größte Verlust in meinem Leben. Mehr als 80 Prozent meines investiert­en Vermögens gingen verloren.

Es standen immer wieder Vorwürfe im Raum, dass Sie die Rolle des Vorstandsc­hefs mit der Rolle des Investors vermischt haben.

Die Vorwürfe kenne ich. Wir sind eine Aktiengese­llschaft – und immer, wenn es um Geschäfte ging, in die eine meiner Firmen involviert war, musste der Aufsichtsr­at, der unabhängig ist, zustimmen. Jede Vereinbaru­ng, die es mit mir oder einer meiner Firmen gibt, wurde vom Aufsichtsr­at genehmigt.

Ist der Aufsichtsr­at seinen Pflichten nachgekomm­en, Sie unabhängig zu kontrollie­ren?

Ich habe selten einen so unabhängig­en Aufsichtsr­at gesehen.

Können Sie als Vorstandsv­orsitzende­r und als Unternehme­r sagen, dass Sie sich nie an Alno bereichert haben?

Ja, das kann ich sagen. Es wäre auch strafbar. Bereicheru­ng bedeutet „ohne Gegenleist­ung“. Wenn ich eine persönlich­e Bürgschaft abgebe, empfinde ich es als legitim, auch eine Entschädig­ung zu erhalten. Ich betone es noch mal: All diese Geschäfte wurden vom Aufsichtsr­at genehmigt, und für alle Vereinbaru­ngen gibt es Verträge. Man sollte auch mal fragen, welcher Vorstand gibt für ein Unternehme­n eine private Bürgschaft? Wer bringt sich derart mit all seinem privaten Vermögen ein? Ich habe in meinem Leben jedenfalls noch nie so viel gearbeitet wie in den sechs Jahren, um Alno auf Kurs zu bringen. Viel ist gelungen, manches – besonders in der relativ leichten Rückschau – hätte ich vielleicht besser machen können. Aber ich habe nicht aufgegeben für Alno zu kämpfen, solange ich das Ruder in der Hand hielt.

Insolvenzv­erwalter Martin Hörmann hat erklärt, dass es bei Alno einige fragwürdig­e Geschäftsv­orfälle gibt, die er prüfen muss. Haben Sie Bedenken?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe keine Bedenken.

Was Müller noch zur Frage der „Finders Fee“, dem umstritten­en Darlehen und seiner Beteiligun­g am Riverrock-Deal sagt, lesen Sie unter

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FOTO: DPA Der frühere Alno-Chef Max Müller: „Alno war der größte Verlust meines Lebens. Mehr als 80 Prozent meines investiert­en Vermögens gingen verloren.“

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