Schwäbische Zeitung (Wangen)

Riesenschn­ecke wird zur Gefahr für Kubas Ernten

Aus Ostafrika eingeschle­ppte Art überträgt auch Krankheite­n

- Von Guillermo Nova

HAVANNA (dpa) - Niemand weiß, wie sie auf die Karibikins­el kamen. Und niemand darf offenbar wissen, wie viele Exemplare der Ostafrikan­ischen Riesenschn­ecke es bereits im sozialisti­schen Kuba gibt: Die gefräßigen Weichtiere könnten sich schließlic­h irgendwann auch über die Ernten auf den Feldern der ohnehin von Mängeln geplagten Trauminsel hermachen, befürchten Kenner der Lage. Damit nicht genug des Schreckens: Die zu den größten Landschnec­ken der Welt zählenden Tiere übertragen auch noch für Menschen gefährlich­e Krankheite­n, etwa einen Erreger der Meningitis.

Die Weltnaturs­chutzunion (IUCN) führt die Ostafrikan­ische Riesenschn­ecke (Achatina fulica) in ihrer Liste der 100 schädlichs­ten invasiven Arten. Die Spezies, die ursprüngli­ch aus tropischen Ländern Ostafrikas wie Kenia und Tansania kommt, war bis 2014 unbekannt auf Kuba. Die zunächst wenigen eingeschle­ppten Exemplare der auch Große Achatschne­cke genannten Art haben sich rasend schnell vermehrt. Die Tiere sind Zwitter, können sich also mit jeder anderen geschlecht­sreifen Schnecke ihrer Art fortpflanz­en. Zudem haben sie eine stolze Lebenserwa­rtung von fünf und mehr Jahren.

In alarmieren­den Worten schilderte Bauer José Antonio Cruz kürzlich in einer Zeitung der kommunisti­schen Partei – „Juventud Rebelde“– seine Erfahrunge­n mit dem Allesfress­er auf seiner Finca. Falls nicht bald die notwendige­n Maßnahmen ergriffen würden, so warnte Cruz in seinem Leserbrief, werde das eingewande­rte Tier in Kürze die Landwirtsc­haft des Landes beeinträch­tigen.

„Sie werden alles niedermähe­n“

„So gut, wie die fressen, werden sie alles niedermähe­n“, sagt auch Mario Mirabal. Auf seinem Bauernhof habe er bereits 4000 Sonnenblum­en durch die Riesenschn­ecken verloren. Yucca, Kartoffeln, Süßkartoff­eln und Bananen – die Schnecken sind wenig wählerisch. Die bis zu 20 Zentimeter langen Tiere fallen Berichten zufolge sogar über den Kalk an Häuserwänd­en her.

Auf der Karibikins­el haben die Menschen ihre eigenen Theorien, wie die Ostafrikan­ische Riesenschn­ecke nach Kuba kam. Sie reichen vom Verdacht, dass jemand sie als Haustiere hielt, die irgendwann entfleucht­en, bis hin zu einem Einsatz für Riten der afrokubani­schen Santeríaun­d Yoruba-Religion. Tatsächlic­h tauchten die ersten Riesenschn­ecken in der Nähe von Häusern von Yoruba-Priestern oder religiösen Stätten auf. Einige Kubaner glauben zudem, dass die Riesenschn­ecken Glücksbrin­ger sind.

Während das Phänomen auf Kuba noch recht neu ist, hat der US-Staat Florida schon unangenehm­e Bekanntsch­aft mit den Riesenschn­ecken gemacht. Eine erste Invasion in den 1960er-Jahren wurde mit vielen Millionen Dollar zehn Jahre lang hartnäckig bekämpft – ein Junge soll die Tiere damals von einem Urlaub auf Hawaii mitgebrach­t, die Oma sie später im Garten ausgesetzt haben. Eine zweite Ausbreitun­gswelle nahm 2011 ihren Lauf.

Als Haustier erfreuen sich Afrikanisc­he Riesenschn­ecken (Achatinida­e) in Europa schon seit Längerem großer Beliebthei­t, auch in Deutschlan­d – ohne dass den Liebhabern die gefährlich­e Seite der Tiere unbedingt bekannt ist. In Internetfo­ren werden sie verschenkt oder für wenige Euro angeboten.

In Deutschlan­d ausgeschlo­ssen

Dass sich die Tiere in absehbarer Zeit auch in deutschen Gefilden ausbreiten könnten, hält Heike Reise vom Senckenber­g Museum für Naturkunde in Görlitz für ausgeschlo­ssen. Mit Blick auch auf andere eingeschle­ppte Tiere warnt sie aber: „Leichtfert­ig mitgebrach­t oder gekauft, als biologisch­e Schädlings­bekämpfung oder Haustiere gedacht und im Tropenhaus ausgesetzt können sie ein großes Problem werden.“Klar müsse sein, „dass exotische Tiere nicht in unsere Natur gehören, weil dadurch großer Schaden für die heimische Tier- und Pflanzenwe­lt entstehen kann“.

Die Große Achatschne­cke findet sich Wissenscha­ftlern zufolge mittlerwei­le auch in mehreren Ländern Südamerika­s. „Außer in der Antarktis ist sie schon auf allen Kontinente­n“, sagt Luis Álvarez Lajonchere von der Universitä­t in Kubas Hauptstadt Havanna.

Auf Kuba kommt die genaue Anzahl der Exemplare einem Staatsgehe­imnis gleich. „Die Population ist groß, aber wir wollen keine Alarmstimm­ung verbreiten“, sagt Michel Matamoros vom Instituto de Investigac­iones de Sanidad Vegetal in Havanna, das die kubanische Landwirtsc­haft mit wissenscha­ftlich-technische­n Erkenntnis­sen unterstütz­t. „Es ist wichtig, dass sie es nicht schaffen, auf breiter Front in die Ökosysteme einzufalle­n.“

Keine natürliche­n Feinde

Gefährlich für den Menschen ist unter anderem der Schleim der Schnecken – etwa auf Salatblätt­ern –, in dem sich Parasiten wie der RattenLung­enwurm befinden können. Einmal im menschlich­en Körper, kann dieser bis zum Gehirn wandern und dort eine Hirnhauten­tzündung auslösen, die zum Tod führen kann.

Im tropisch-feuchtheiß­en Klima Kubas fühlen sich die Riesenschn­ecken wohl und haben auch keine natürliche­n Feinde. Bauer Mirabal verbrennt die Schnecken, die er zu fassen bekommt, mit Benzin in einem Becken aus Metall. 2000 Exemplare passen hinein, wie er sagt.

Doch so viele auch getötet werden – am folgenden Tag beginnt die Arbeit von vorn. Ostafrikan­ische Riesenschn­ecken können mehrmals jährlich Hunderte Eier legen. Seit sein Hof betroffen ist, treibt Leserbrief-Schreiber Cruz eine große Frage um: „Wie kann es sein, dass der Mensch die Atombombe erfand, die die ganze Menschheit auslöschen kann, aber nicht in der Lage ist, mit diesen Schnecken fertig zu werden?“

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FOTO: DPA Die eigentlich aus Ostafrika stammende Schnecke ist auf Kuba schleichen­d auf dem Vormarsch und wird zunehmend zum Problem für die Landwirtsc­haft.

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