Plötzlich ist das Dach über dem Kopf weg
Die Stadt Kempten stellt zwei Unterkünfte für Menschen bereit, die akut von Obdachlosigkeit bedroht sind
KEMPTEN - Manchmal geht es ganz schnell: Der Job ist weg, der Partner auch, das Geld reicht nicht mehr für die Miete. Dann droht eine Zwangsräumung, plötzlich fehlt das Dach über dem Kopf. Abhilfe schafft hier die Stadt Kempten: Sie unterhält zwei Unterkünfte – am Schumacherring und in der Reinhartser Straße – für Menschen, die ansonsten auf der Straße leben müssten. Laut Thomas Klett vom Rechts- und Ordnungsamt der Stadt Kempten steigen die Anfragen momentan, auch durch die verschärfte Situation am Wohnungsmarkt.
„In letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen eine Zwangsräumung droht“, sagt Klett. 123 Personen seien momentan in den Unterkünften der Stadt untergebracht. Diese sollen aber keine dauerhafte Lösung sein, die Ausstattung ist einfach. Das Angebot geht von Apartments (ab 25 Quadratmeter) bis hin zu größeren Wohnungen, in denen mehrere Menschen leben. Während am Schumacherring eher Familien oder alleinerziehende Mütter untergebracht sind, wohnen in der Reinhartser Straße tendenziell mehr Männer.
Laut Klett stammen die Bewohner mittlerweile aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten: „Vom ehemaligen Gefängnisinsassen bis hin zur Familienmutter, die durch Streit eine Wohnung verloren hat, haben wir da alles.“Eine neue Bewohnergruppe seien auch anerkannte Flüchtlinge, die zwar momentan noch als sogenannte „Fehlbeleger“in Asylbewerberheimen geduldet würden. Sind die anerkannten Flüchtlinge aber einmal auf dem freien Wohnungsmarkt und finden zu einem späteren Zeitpunkt keine passende Bleibe, dürfen sie nicht wieder in das Asylbewerberheim zurück.
Eigentümer der ObdachlosenUnterkünfte ist die Stadt, verwaltet werden die insgesamt 47 Wohnungen aber von der Bau- und Siedlungsgenossenschaft (BSG) Kempten. Bei neuen Anfragen überlegen die BSG und das Ordnungsamt der Stadt gemeinsam, welche Art der Unterkunft in Frage kommt: „Wir versuchen natürlich, das möglichst sozialverträglich zu gestalten“, sagt Matthias Seitz von der BSG. Sprich: Gruppen, in denen Konflikte vorprogrammiert sind, sollten möglichst nicht zusammen wohnen. Das Ziel für die Bewohner sei immer, dass sie bald eine neue Bleibe finden. Sie müssen nachweisen, dass sie sich auf Wohnungsangebote bewerben. Wer die Miete für die Wohnung in der Notunterkunft zahlt, ist unterschiedlich. Manche Bewohner erhalten staatliche Leistungen wie Hartz IV oder eine Rente und zahlen davon Teile der Miete.
Sogenannte Durchreisende, also Menschen, die dauerhaft ohne festen Wohnsitz sind, kommen in den Unterkünften der Stadt nicht unter. Diese schlagen im Winter eher bei Institutionen wie der Bahnhofsmission auf: Laut Armin Ruf von der Caritas sehe man im Winter in der Bahnhofsmission auch Menschen, die man das restliche Jahr über nicht sehen würde: „Die kommen bei den kalten Temperaturen, um sich mit einem Tee aufzuwärmen.“In den Wintermonaten seien das etwa 200 bis 300 Menschen. Schlafplätze bietet die Bahnhofsmission in Kempten keine. Bei solchen Anfragen verweisen die Mitarbeiter auf die Wärmestube des Roten Kreuzes (Haubenschloßstraße), in der sich auch eine Übernachtungsstelle mit elf Betten befindet.
Auch Bettler sind im Winter wieder verstärkt in der Stadt zu sehen. So lange diese nicht aggressiv unterwegs seien, unternehme die Polizei dagegen nichts, sagt Andreas Ruepp, Fachbereichsleiter der Abteilung Ordnung und Sicherheit bei der Polizei Kempten. „Bei osteuropäischen Banden, die wie kürzlich in Altusried von Haus zu Haus ziehen, nehmen wir aber Personalien auf.“Er empfiehlt, diesen Bettlern kein Geld zu geben, da es sowieso nicht bei den Bedürftigen bleibe. „Dann unterstützt man nur die kriminellen Strukturen dahinter.“Obdachlosen zu helfen, die etwa mit einem Becher um etwas Geld bitten, dagegen sei aber nichts einzuwenden.