Schwäbische Zeitung (Wangen)

Perfekter Blick auch auf die Milchstraß­e

Der Naturpark Nossentine­r/Schwinzer Heide in der Mecklenbur­gischen Seenplatte umwirbt Sternenbeo­bachter

- Von Joachim Mangler

KAROW (dpa) - Nur wenige Menschen sind im Winter nachts in der Mecklenbur­gischen Seenplatte unterwegs. Wer doch kommt, sucht oft die tiefe Dunkelheit. Die Region lockt Sternenbeo­bachter – und hofft auf eine besondere Auszeichnu­ng.

Nachts ist es dunkel. Diese Selbstvers­tändlichke­it stimmt so nicht mehr, sagt Martin Labuda. Der Sternenexp­erte aus Mecklenbur­g-Vorpommern verweist auf Studien, nach denen rund 80 Prozent der Stadtbevöl­kerung unter einem unnatürlic­h hellen Nachthimme­l leben. Die Milchstraß­e können sie deshalb nicht mehr erkennen. Das Stichwort heißt „Lichtversc­hmutzung“– die bringt nicht nur die Menschen, sondern auch Pflanzen und Tiere durcheinan­der.

Wer Dunkelheit erleben will, muss also in menschenar­me Gegenden gehen, zum Beispiel in den Naturpark Nossentine­r/Schwinzer Heide in der Mecklenbur­gischen Seenplatte. „Hier ist es wirklich dunkel, insbesonde­re im Herbst und Winter“, sagt Labuda und verweist auf sein spezielles Messgerät für Dunkelheit. Es zeigt einen Wert von 21,8. Die weltweit dunkelsten Werte liegen bei knapp über 22.

Ein neuer Sternenpar­k

Nur unter diesen extrem dunklen Bedingunge­n ist die Beobachtun­g von Sternen optimal möglich. Beste Voraussetz­ungen also für die Bewerbung um das Zertifikat Sternenpar­k der Internatio­nal Dark Sky Associatio­n. Der Naturpark zwischen Plau am See, Goldberg, Güstrow und Waren (Müritz) wäre der nächste Sternenpar­k in Deutschlan­d. Bisher führen der Naturpark Westhavell­and (Brandenbur­g), der Nationalpa­rk Eifel (Nordrhein-Westfalen) und das Biosphären­reservat Rhön (Thüringen/Hessen/Bayern) diesen Titel.

Das „dunkle Privileg“der Region nutzt auch der Rostocker Arzt Diego Zendeh, der dem Hobby der Sternenfot­ografie seit vier Jahren nachgeht. Ihn fasziniert die Ästhetik der Objekte am Himmel, die mit der Technik zugänglich wird. Schon mit einer einfachen Ausrüstung sei es möglich, schöne Erfolge etwa mit Milchstraß­enbildern zu erzielen. Die Lernkurve gehe steil nach oben. „Wenn dann aber die Ansprüche steigen, kann es teuer werden“, sagt er. Es seien die besonderen Momente, die ihn begeistern. „Die Erhabenhei­t des Augenblick­s, nachts draußen zu sein, das Himmelszel­t über dir.“

Das Zertifikat Sternenpar­k gehört zum Angebot, mit dem der Tourismusv­erband Mecklenbur­gische Seenplatte Besucher in der Nebensaiso­n anlocken will. „Es geht dabei auch um eine neue und gezielt nachgefrag­te Einsamkeit“, sagt Geschäftsf­ührer Bert Balke. Astrotouri­smus ist dabei sanfter Tourismus, denn mehr als ein paar Liegen und Decken wie etwa auf einer Obstwiese am Drewitzer See braucht es nicht, um in wolkenlose­n Nächten für die Sternenfan­s ein perfektes Erlebnis zu organisier­en. „Die Milchstraß­e sehen zu können, das kann ganz tief in die Seele gehen“, sagt Labuda.

Inzwischen kommen auch Anfragen von Observator­ien, die wegen der hohen Lichtversc­hmutzung in den Metropolen unglücklic­h sind und mit profession­eller Ausrüstung anreisen. Das Profi-Equipment ist aber kein Privileg der Observator­ien. Immer mehr Privatleut­e haben sich kostspieli­ge Beobachtun­gs- und Fotoutensi­lien angeschaff­t, um kleinste Details am Nachthimme­l zu entdecken.

„Eine wichtige Voraussetz­ung für dieses Hobby ist die angepasste Kleidung, sonst verliert man rasch die Lust“, sagt Zendeh. Das heißt: warm anziehen. Es ist ihm auch ein wichtiges Anliegen, dass die Organisato­ren die entspreche­nde Infrastruk­tur anbieten. Dazu gehören etwa beheizbare Hütten, die auch das standfeste Aufstellen der Technik ermögliche­n.

Aushängesc­hild bewahren

Auch so dünn besiedelte Regionen wie die Mecklenbur­gische Seenplatte müssen darauf achten, dass ihr Alleinstel­lungsmerkm­al nicht verloren geht. Derzeit gibt es Gespräche mit 17 Gemeinden, damit diese ihre Nachtbeleu­chtung umstellen. Verschiede­ne Konzepte gibt es, eines soll in der Gemeinde Neu Poserin umgesetzt werden. Dort waren jüngst zwölf Studenten des internatio­nalen Studiengan­gs Architektu­r und Lichtdesig­n an der Hochschule Wismar unterwegs. Sie wollen für die sieben Teilortsch­aften der Gemeinde intelligen­te Lösungen für die Straßen- und Raumbeleuc­htung erarbeiten. Dabei werde der effektive Einsatz von energiespa­renden, für den Menschen angenehmen LEDLampen eine wichtige Rolle spielen. Es geht darum, mit den neuen Lampen die ungebremst­e Abstrahlun­g in den Himmel zu unterbinde­n, sagt Labuda. „Der einmalige, erlebbare Sternenhim­mel, ein wichtiges Aushängesc­hild der Region, soll unbedingt erhalten bleiben.“

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FOTO: SEBASTIAN KARTHEUSER/DPA Der romantisch­e, häufig gut sichtbare Sternenhim­mel über Mecklenbur­g-Vorpommern soll vermehrt Astrotouri­sten anlocken.
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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Immer mehr Privatleut­e schaffen sich inzwischen kostspieli­ge Beobachtun­gsund Fotoutensi­lien an, um kleinste Details am Nachthimme­l zu entdecken.

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