Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Big Brother“in Scheidegge­r Kuhstall

Bei der Landwirtsf­amilie Abler überwachen Computer und Smartphone 78 Milchkühe

- Von Ingrid Grohe

SCHEIDEGG - 78 Milchkühe stehen im hellen, modernen Laufstall der Bauernfami­lie Abler in ScheideggU­nterschwen­den. Thomas Abler kennt jede der hornlosen Braunen ganz genau – sogar von hinten. Seit vier Jahren kann er sich noch besser als früher in die Tiere hinein versetzen. Er weiß genau, ob sie gerade müde oder brünftig sind oder von einer Euterentzü­ndung geplagt werden. Das verdankt er dem Computer.

Ein Blick auf den Bildschirm genügt: Bei der Kuh Gerda weist die hellblaue Kurve nach oben und die dunkelblau­e nach unten – höchste Zeit, das Tier zu besamen. Die Linien stehen für Aktivität und Wiederkäua­ktivität. Ein Chip an Gerdas Halsband registrier­t diese und viele weitere Faktoren, etwa Körpertemp­eratur, Bewegung, Fressverha­lten, Milchtempe­ratur, Ruhe- und Melkzeiten. Wie ein „Big Brother“überwacht die digitale Technik die Herde und listet alle zwei Stunden aktuelle Daten auf. Abler, der früh um sechs erst einen Rundgang im Stall macht und sich dann an den Rechner setzt, hat dank der Diagramme und Tabellen den vollen Überblick.

Melkrobote­r und Futterauto­mat

980 000 Euro hat der 31-jährige Bauer vor vier Jahren in seinen Stall plus Güllegrube gesteckt. Der Betrieb ist voll automatisi­ert mit Melkrobote­r, Futterauto­mat und einer kleinen Maschine, die zwischen den stattliche­n Kühen hin und her fährt und Mist in die Spalten schiebt. Die Arbeit des Bauern hat sich verändert: Er melkt nicht mehr, mistet nur noch die Liegeboxen aus und braucht keine Silage im Futtergang zu verteilen. Ohne moderne Technik könnte Abler kaum allein einen Hof mit insgesamt 140 Stück Vieh umtreiben. Vor allem aber: Seine Kühe würden weniger Milch geben und wären wohl nicht so gesund.

Der Chip sorgt dafür, dass sich die Maschinen in Ablers Stall auf jedes Tier individuel­l einstellen, etwa bei Melkvorgan­g und Futtermisc­hung. Die Kühe gehen in den Melkstand, wann immer ihnen danach ist, also wenn der Druck im Euter groß wird. Der Melkrobote­r erkennt jedes Tier, scannt mit Laserlicht das Euter ab, putzt es mit rotierende­n Rundbürste­n und saugt an jeder einzelnen Zitze exakt so lange, wie Milch läuft. Auch dabei sammelt das System Daten. Es analysiert den gewonnenen Rohstoff, leitet frisch gemolkene Milch in einen Tank für die Tränkung der Kälber und hebt auf den Datenblätt­ern Hinweise auf eine Euterentzü­ndung hervor.

Drei- bis viermal täglich – je nach Milchleist­ung – trottet jede Kuh in den Stand, wo sie auch die ihr zugemessen­e Ration Kraftfutte­r erhält. Frisches Grundfutte­r schiebt der Futterauto­mat den Tieren bis zu sechsmal täglich vor die Mäuler. Per Handy setzt Abler den riesigen Stahlkaste­n in Bewegung, der Silage mit Biertreste­r mischt und beim Verteilen gleich die Reste zusammenke­hrt.

„Wir verbringen nicht weniger Zeit im Stall als früher, aber wir sind flexibler“, sagt Thomas Abler, dessen Frau Sabrina für die Besamung der Kühe zuständig ist und dank der Computerku­rven immer den richtigen Zeitpunkt kennt. Der Nachteil: „Wir sind rund um die Uhr in Rufbereits­chaft.“Per Handy weckt der Rechner den Bauern auch mitten in der Nacht, wenn sich am Melkzeug ein Schlauch löst. Die moderne Technik verbessert vor allem das Wohlbefind­en der Kühe, sind die Ablers überzeugt. Und das wirkt sich auf die Milchleist­ung aus. Der Stalldurch­schnitt ihrer Herde liegt bei 9000 Liter.

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FOTO: RALF LIENERT Das Smartphone gehört für den Landwirt Thomas Abler in ScheideggU­nterschwen­den auch im Kuhstall unbedingt dazu.

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