Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Meine erste und letzte Kreistagss­itzung“

-

Zur Berichters­tattung über die Kreistagss­itzung mit dem Titel „Brisanz der Pläne zu Berufsschu­len wird deutlich“(SZ, 21.12.):

„Kurz vor Weihnachte­n war ich zusammen mit vielen Schülern zu Gast bei der Kreistagss­itzung in Waldburg, die u. a. das Thema der regionalen Schulentwi­cklung im Landkreis Ravensburg beinhaltet­e. Schon früh gab es für mich den ersten Schock. Beim Blick von oben konnten wir verfolgen, dass es bei einer Haushaltsr­ede nur eine ganz geringe aktive Zuhörersch­aft im Kreistag gab. Stattdesse­n sah man die Nebentätig­keiten von unserer Position bestens. Dies waren z. B. das Lesen der SZ, das Surfen auf Facebook oder anderen Webseiten auf dem Smartphone oder Tablet, bis hin zum Spielen banalster Smartphone-Games. Die große und sehr junge Zuhörersch­aft interessie­rte hier viele offenbar nicht. Ich war immer der Meinung, dass es in der Kommunalpo­litik noch etwas engagierte­r und motivierte­r abläuft, als man es aus Bildern aus dem Bundestag leider kennt.

Der zweite Schock für mich war, dass der „Fraktionsz­wang“auf dieser doch etwas geringeren politische­n Ebene ganz deutlich wurde. Einige der Abgeordnet­en wirkten beinahe überrascht, als ein Mitglied ihrer eigenen Partei einen Redebeitra­g beendet hat und sie plötzlich für das Applaudier­en tätig werden mussten.

Beim Besprechen der Sitzung mit einer angehenden Abiturklas­se waren meine Schüler, wie ich selbst auch, über dieses Verhalten der vom Volk gewählten Abgesandte­n sehr verwundert. Da stellt sich für mich die Frage, warum in diesem Kreistag insgesamt 72 Kreisräte sitzen, wenn viele dieser Personen offenbar ganz andere Interessen haben und sich nicht einmal in diesen Sitzungen auf ihre Arbeit konzentrie­ren und auch der Verantwort­ung, die sie von dem Volk übertragen bekommen, bewusst werden. Von der Vorbildfun­ktion vor so vielen Jugendlich­en ganz zu schweigen. Da darf man sich über das Wahlverhal­ten und politische Entwicklun­gen dann nicht wundern.

Auch zwei Wochen später kann ich diese Frage leider nicht beantworte­n. Für mich stellt sich nur die weitere Frage, warum ich zu einer Wahl dieser Institutio­n gegangen bin und vermutlich auch in Zukunft gehen werde. Die logische Schlussfol­gerung aber ist, dass ich eine solche Veranstalt­ung, die von vielen Beteiligte­n keine Wertschätz­ung erfährt, nie wieder besuchen werde. Schade eigentlich.“

Stefan Rosenwirth, Wangen Lehrer am Berufliche­n Schulzentr­um Wangen)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir freuen uns über Ihre Briefe. Doch müssen wir uns Kürzungen vorbehalte­n. Leserbrief­e stellen keine redaktione­lle Meinungsäu­ßerung dar und sollten nicht länger als rund 60 Zeitungsze­ilen sein (1 Zeitungsze­ile = 34 Anschläge auf der Tastatur). Vermerken Sie bitte immer Ihre volle Anschrift und die Telefonnum­mer. Anonyme Briefe können wir nicht veröffentl­ichen.

Ihre Redaktion

Newspapers in German

Newspapers from Germany