Städtisches Vermögen rückt künftig in den Mittelpunkt
Wangener Rat setzt sich in der Sitzung am Montag erstmals detailliert mit neuem Haushaltssystem auseinander
WANGEN (jps) - Wenn der Gemeinderat kommenden Montag zur ersten Sitzung in 2018 zusammen kommt, beschäftigen sich die Kommunalpolitiker mit einem Haushaltsentwurf in bislang hier nie da gewesener Form: Denn die Verwaltung hat mit dem Jahreswechsel auf eine an die Betriebswirtschaft in Unternehmen angelehnte Haushaltsführung umgestellt. Sie löst die seit Jahrzehnten gängige kameralistische Art ab. Was auf den ersten Blick sperrig und technokratisch klingt, hat es in sich. OB Michael Lang spricht gar von einem „Zeitensprung“.
Bis zum Jahr 2020 müssen alle Kommunen im Land ihre Etats auf die so genannte doppische Haushaltsführung umgestellt haben. Seit mehreren Jahren laufen dafür in der Stadtverwaltung intern die Vorbereitungen, mit dem Jahreswechsel wird die Neuerung nach außen hin spürbar.
Zum einen durch die Art und Weise, wie der Gemeinderat den Haushalt berät. Bis dato gab es zwei Lesungen. Eine beschäftigte sich mit den laufenden Ausgaben (Verwaltungshaushalt), eine mit den Investitionen (Vermögenshaushalt). Am Ende standen die Reden der Fraktionsvorsitzenden und dann der Haushaltsbeschluss. Reden und Beschluss sind weiterhin Teil der Tagesordnung. „Gelesen“, also beraten, wird der Haushalt für 2018 am Montag aber in Gänze. In einer zweiten Diskussion am 5. Februar sollen dann Fakten ergänzt und am Montag aufkommende Fragen beantwortet werden, kündigen OB Lang und Kämmerin Yvonne Winder an.
Auch diese Neuerung sieht zunächst nach einem reinen Verwaltungsprozedere aus. Allerdings hat der neue Etatplan auch inhaltlich Bedeutung, weil er erstmals tatsächlich ausweisen soll, welches Vermögen die Stadt Wangen hat. Heißt: Im Vorfeld war in der Verwaltung alles erfasst und bewertet worden – von Tischen in den Schulen, über Feuerwehrautos bis hin zu Straßen oder Gebäuden wie dem Rathaus.
Dazu befuhren Fachleute beispielsweise vor einigen Jahren städtische Straßen mit Spezialfahrzeugen. Sie fassten zusammen, wie viele Schichten sie aufweisen und analysierten mit Kameras den Zustand. Um den Wert jeder Straße zu berechnen, flossen in die Bewertung dazu Herstellungskosten, Bedeutung der Verbindung und die Nutzungsdauer ein.
„Man sieht, was tatsächlich passiert“
Da mit der neuen Haushaltsführung allerdings auch Abschreibungen eingeführt werden, bleibt das „Vermögen Straße“nicht statisch, sondern verringert sich, wenn man nichts oder wenig investiert. „Wir stellen um von der Geld- auf die Ressourcenverbrauchsrechnung“, erklärt Lang das Prinzip. An der späteren Jahresrechnung könne dann jeder ablesen, ob die Stadt Wangen von der Substanz lebt oder Vermögen aufbaut. „Man sieht, was tatsächlich passiert“, so Kämmerin Yvonne Winder.
Dass nicht nur die Erfassung der Werte aufwendig, sondern deren Bewertung mitunter kompliziert und das Ergebnis kurios sein können, zeigt sich am Beispiel des Wangener Rathauses: Da es 600 Jahre alt ist, gilt es (mit Ausnahme von Sanierungen) als weitgehend abgeschrieben. Das allerdings entspricht laut OB längst nicht dem reellen Wert: „Der ist natürlich deutlich höher.“
Wegen der Abschreibungen ist nach Ansicht des Rathauschefs der neue, doppische Haushalt „strukturell immer defizitär“. Was durchaus Vorteile mit sich bringe: „In der Vergangenheit habe ich nicht gesehen, welche Belastungen ich mir mit einer Investition für die Zukunft einkaufe. Jetzt schon.“
Und Lang glaubt auch, dass Wangen von der Umstellung stärker betroffen sei als andere Kommunen. Denn die Stadt sei eine vergleichsweise große Flächengemeinde mit einem 300 Kilometer langen Straßennetz. Zudem leiste man sich eigenständige Strukturen in den Ortschaften – und nicht zuletzt zahlreiche Immobilien. „Wir sind ganz dick dabei, was die Vermögenswerte angeht“, sagt er. Mit der neuen Haushaltsführung können diese aber auch schwinden.