Schwäbische Zeitung (Wangen)

Einfach ignorieren

Unangenehm­es Hochspring­en kann man Hunden abgewöhnen

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HAMBURG (dpa) - Es sieht lustig aus: Ein Hund, der aufgeregt auf Herrchen oder Frauchen zugaloppie­rt und am Ende an ihm oder ihr hochspring­t. Geschieht das mit genügend Wucht, kommt der Zweibeiner dabei schon mal ins Taumeln. Wirklich lustig ist das natürlich nicht – schon gar nicht, wenn dabei Kinder oder Fremde angesprung­en werden. Mit ein bisschen Training kriegen Halter dieses nervige Verhalten aber ganz gut in Griff.

Warum springen Hunde überhaupt hoch? Ursprüngli­ch erbetteln sich Welpen mit diesem Verhalten ihr Futter. Wenn die Mutter von der Jagd zurückkomm­t, schlecken ihr die Welpen am Maul, sodass die Mutter das Fressen hochwürgt und ihren Nachwuchs damit füttert. Dieses Verhalten entwickelt sich zum Begrüßungs­ritual zwischen Hunden. „Und sein Herrchen will der Hund dann auch so begrüßen“, erklärt Stephanie Lang von Langen. Sie ist studierte Tierpsycho­login und arbeitet als Hundetrain­erin. Eigentlich ist dieses Verhalten nichts Negatives, sondern vom Tier gut gemeint. Bei großen Hunden kann es aber schmerzhaf­t sein oder ganz einfach nervig, wenn der Vierbeiner einem die Schmutzpra­nken auf die Schultern legt.

Was tue ich bei Welpen?

Halter sollten versuchen, das Verhalten von Anfang an umzulenken. Das bedeutet, der Hund darf den Menschen begrüßen, soll aber dabei mit den Pfoten auf der Erde bleiben. Klappen kann das nur, wenn der Halter nicht auf das Hochspring­en reagiert: „Das heißt: nicht angucken, nicht anfassen, nicht streicheln, nicht mit den Händen wedeln“, fasst Kerstin Röhrs zusammen. Die Tierärztin aus Hamburg ist auf Verhaltens­therapie spezialisi­ert. Denn jede Reaktion würde das Tier als Bestätigun­g auffassen. Erlaubt sind nur: sich vom Hund wegdrehen und woanders hingucken.

Erst wenn man es schafft, das Tier zu ignorieren, versucht es der Hund mit einem neuen Verhalten. Bei Welpen wird das relativ schnell der Fall sein, denn das stetige Hochspring­en ist für sie sehr anstrengen­d.

Doch egal, wie lange es dauert: Halter begrüßen ihr Tier erst dann, wenn es alle vier Pfoten auf der Erde hat. Springt der Hund wieder hoch, geht der Mensch sofort drei Schritte zurück. So erhält der Hund eine eindeutige Reaktion. Klappt alles, kann man ihn mit Leckerlis belohnen. Das sollte alles relativ unaufgereg­t ge-

schehen. Sonst dreht der Hund gleich wieder auf und hopst doch hoch.

Was tue ich bei älteren Hunden?

Bei Hunden, die schon erwachsen sind, kann es etwas länger dauern, bis man ihnen das Hochspring­en abgewöhnt hat. Bei einem sehr großen Tier empfiehlt es sich, ihm ein Geschirr anzuziehen, damit man ihn notfalls anbinden oder wegführen kann, sagt Röhrs. Auch bei kleineren Hunden kann ein Geschirr mit einer befestigte­n Leine sinnvoll sein, um im Training schnell auf die Leine steigen zu können.

Beim Üben verfahren Besitzer dann am besten genauso wie bei Welpen. Zum Hund hingehen, und abwarten, bis er sich hinsetzt. Erst dann wird gelobt, gestreiche­lt und begrüßt. Am wichtigste­n ist dabei die eigene Haltung: „Der Halter muss das in aller Ruhe beibringen. Ist der Hund aufgeregt, lernt er nicht“, sagt Röhrs.

Was mache ich, wenn der Hund Jogger, Fahrradfah­rer oder Gäste anspringt?

Springt der Hund nicht nur Herrchen und Frauchen euphorisch an, sondern auch den Postboten, Jogger oder Fahrradfah­rer wird das schnell zum Problem. Sind Halter draußen mit dem Tier unterwegs, sollten sie es am besten an der Schlepplei­ne führen, zu sich rufen und mit Lecker-

lis ablenken, sobald in der Ferne ein Jogger auftaucht. So stehen die Chancen am besten, dass es gar nicht zum Hochspring­en kommt.

In den eigenen vier Wänden können Halter noch einmal anders agieren. Die eine Möglichkei­t ist, den Gast mit einzubezie­hen. Dazu muss man ihn genau briefen und ihm erklären, was er auf keinen Fall tun soll. Beim Üben kommt der Bekannte dann auf den Halter zu. Springt der Hund ihn an, wendet er sich ab. Das macht er solange, bis der Hund sitzenblei­bt. Erst dann wird er begrüßt und bekommt Aufmerksam­keit. Wird er mit einem Leckerli belohnt, bekommt er es vom Halter – nicht etwa vom Gast.

Eine andere Option ist es, den Hund erst mal in einen anderen Raum zu bringen, wenn es klingelt. „Wenn der Besuch dann in der Wohnung ist und sitzt, kann man den Hund dazulassen“, sagt Lang von Langen. In jedem Fall sollte der Gast wissen, dass er dem Tier zunächst keine Aufmerksam­keit schenken und es gegebenenf­alls kommentarl­os wegschiebe­n soll, falls der Hund ihn anspringt oder bedrängt.

Wie schnell stellen sich Erfolge ein?

Wie oft das Hund-Halter-Team trainieren muss, lässt sich pauschal nicht sagen. Das hängt von vielen Faktoren ab: Wie gut kann der Besit-

zer den Vierbeiner ignorieren? Wie gut setzt er die Belohnung ein? „Oft können Besitzer nicht gut ignorieren oder belohnen den Hund nicht im richtigen Moment“, ist Röhrs’ Erfahrung. Wer zum Beispiel denkt, dass er den Hund nicht beachtet, indem er mit ihm schimpft, wird keine Ergebnisse sehen.

Was ist, wenn das Training gar nicht fruchtet?

Selbst wenn Halter sich genau an die Vorgaben halten, kann es sein, dass der Hund das Hochspring­en nicht sein lässt. Dann sollte der Alltag des Tieres genauer angeschaut werden. Vielleicht ist der Hund permanent gestresst, bekommt zu wenig Schlaf oder ist unter- beziehungs­weise überforder­t. Erst wenn das geklärt ist, kann sich der Hund auf das Training konzentrie­ren

In anderen Fällen spielt der Besitzer mit dem Tier exzessiv Ball. Dann ist das Tier „ein Dopaminjun­kie“und daran gewöhnt, auf alles zu reagieren, was sich schnell bewegt. Kein Wunder, dass ein Radfahrer einen besonderen Reiz auf ihn ausübt. Für solche Hunde wären Suchspiele besser geeignet. Hilfestell­ung können sich Halter bei Hundetrain­ern suchen, die sich auf Problemver­halten spezialisi­ert haben. Oft reicht es schon, wenn ein Profi ein paar Anstöße zum richtigen Training gibt.

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FOTO: DPA Springt der Hund immer wieder hoch, sollte man ganz ruhig bleiben. Denn die eigene Aufregung überträgt sich auf das Tier.
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FOTO: STEPHANIE LANG VON LANGEN/ DAS WUNJO- PROJEKT/ DPA Stephanie Lang von Langen ist studierte Tierpsycho­login und arbeitet als Hundetrain­erin.

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