Prokops Reifeprüfung
Bad Boys starten Mission Titelverteidigung – Erwartungshaltung vor dem EM-Auftakt riesig
ZAGREB (dpa/falx) - Christian Prokop kann seine EM-Premiere kaum erwarten. Bei der Ankunft der deutschen Handballer im Teamhotel „Panorama“in Zagreb stieg der Bundestrainer als Erster aus dem Mannschaftsbus. Das Signal war unmissverständlich: Bei der Medaillenmission der DHB-Auswahl in Kroatien gibt Prokop die Richtung vor. „Wir wollen ein sehr gutes Turnier spielen“, sagte der Coach. Die Anreise per Flug von Berlin nach Zagreb verlief entspannt. „Es gab keine Probleme, alles lief nach Plan“, so Prokop. Die Stimmung im Team ist 48 Stunden vor dem EM-Auftaktspiel des Titelverteidigers gegen Montenegro am Samstag (17.15 Uhr/ZDF) dagegen „angespannt und konzentriert“, wie DHB-Vizepräsident Bob Hanning berichtete.
„Ich freue mich auf die ersten Spiele und kann es kaum erwarten, dass es losgeht“, sagte Torhüter Andreas Wolff. „Ich hoffe, dass wir uns hier souverän präsentieren können.“Der Kieler avancierte vor zwei Jahren zum EM-Helden und soll der deutschen Mannschaft – gemeinsam mit Silvio Heinevetter – auch in Kroatien den nötigen Rückhalt geben.
Für Prokop ist die EM dagegen Neuland. Als die DHB-Auswahl 2016 unter Dagur Sigurdsson ihren sensationellen Gold-Triumph feierte, dachte er nicht einmal im Traum daran, zwei Jahre später als Bundestrainer dabei zu sein. Den Finalsieg gegen Spanien verfolgte der Vater einer vierjährigen Tochter und eines einjährigen Sohnes damals auf einem Videowürfel beim Public Viewing in Jena, wo er zuvor mit dem SC DHfK Leipzig ein Testspiel gegen die Füchse Berlin bestritten hatte.
Nun ist der 39-Jährige mittendrin und voller Tatendrang. „Die EM in Polen hat gezeigt, dass man mit einer jungen und ehrgeizigen Mannschaft einen Titel erreichen kann. Das gibt Selbstvertrauen und Motivation“, sagte Prokop. In der Gruppe C geht es für die Nationalmannschaft, die sich während des Turniers 2016 selbst den Beinamen Bad Boys verpasste, außerdem noch gegen die WM-Dritten Slowenien und Mazedonien. „Wir werden in der Vorrun- de auf Gegner treffen, die mit unheimlich viel Nationalstolz spielen. Dann müssen wir in Drucksituationen das Richtige machen“, sagte Prokop. Kreisläufer Patrick Wiencek sprach sogar von „drei Auswärtsspielen zum Start“. Wolff meint sogar, dass „die Halle brennen wird – natürlich nur im übertragenen Sinne“. Dennoch mein Prokop: „Wir dürfen unser Ziel nicht aus den Augen verlieren, dort mit der maximalen Ausbeute von vier Punkten rauszugehen. Das Fundament wird in der Vorrunde gelegt.“
Nach der Amtsübernahme vor elf Monaten hat Prokop, der einen Vertrag bis 2022 besitzt und den Handballbund rund eine Million Euro Ab- löse kostete, schnell seine eigene Handschrift erkennen lassen. Letztes Beispiel: Seine umstrittene Kadernominierung, als er am Sonntag die Europameister Finn Lemke, Fabian Wiede und Rune Dahmke aus dem Kader strich. „Er ist die Arbeit genau mit der Akribie und Konsequenz angegangen, wie wir uns das im Präsidium erhofft haben. Er hat auf dem Bestehenden aufgebaut, aber auch schon eigene Akzente gesetzt“, lobte Hanning.
Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Turnier könnten kaum besser sein, denn im Gegensatz zum Titelgewinn vor zwei Jahren sind alle Leistungsträger an Bord. „In der Tat ist es so, dass alle davon träumen, ein solches Märchen noch einmal zu wiederholen“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Und die Motivation, das unrühmliche Achtelfinal-Aus bei der WM vor Jahresfrist in Frankreich vergessen machen zu wollen, ist groß. „So stark war das Team selten besetzt. Wir haben uns alle weiterentwickelt, deshalb sehe ich uns stärker als vor zwei Jahren“, sagte Wiencek.
Das muss das Team nun vor einem Millionenpublikum beweisen. Denn nach dem TV-Blackout bei der WM vor einem Jahr, als im letzten Moment ein Verbandssponsor für die Live-Übertragungen der DHBSpiele eingesprungen war, kehren die deutschen Handballer mit dem EM-Auftakt am Samstag ins öffentlich-rechtliche Fernsehen zurück.