Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Ich gebe meine Hoffnung mit Amerika nicht auf“

Die Komikerin Gayle Tufts, die aus einer demokratis­chen Familie in den USA stammt, zieht Bilanz zu einem Jahr Trump

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RAVENSBURG - Die ganze Nacht lang habe sie auf dem Boden gelegen und geweint. Als klar war, dass Donald Trump US-Präsident wird, habe sich die Komikerin Gayle Tufts kaum beruhigen können. Das schreibt die 57jährige Wahlberlin­erin, die aus dem Ort Brockton an der liberalen Ostküste der USA stammt, in ihrem Buch „American Woman – How I lost my Heimat und found my Zuhause“. Im Gespräch mit Daniel Hadrys zieht die Deutsch-Amerikaner­in, die aus einer demokratis­chen Familie kommt, ihre persönlich­e Bilanz zu einem Jahr Trump.

Stand ein US-Präsident schon mal derart im Fokus von Satirikern?

Never ever. Nicht in dieser Liga. Diese Kombinatio­n von Arroganz, Zynismus und Inkompeten­z ist unglaublic­h. Zu twittern, dass man einen Nuklearkri­eg starten will – das ist nicht mehr witzig. Das ist einfach gefährlich. Vergleichb­ar ist Richard Nixon. Aber er hatte seinen Berater Henry Kissinger an seiner Seite. Man musste nicht mit Kissingers Politik einig sein. Aber er hat einen brillanten Intellekt. Gerald Ford, der Vizepräsid­ent, war einfach duselig. Aber Trump ist eine Mischung aus Zombie und Killer.

Nehmen die Amerikaner Trumps Drohgebärd­en in Richtung Nordkorea als Zeichen der Stärke wahr, oder fürchten sie sich vor einem Atomkrieg?

Es ist wahnsinnig schwierig zu sagen in dieser polarisier­ten Zeit, es gibt „die Amerikaner“. Man kann auch nicht „die Deutschen“sagen, und Amerika ist viel größer. Aber: Von den Leuten, die ich kenne – ich komme von der liberalen Ostküste und aus einer demokratis­chen Familie – sagt bis auf eine Freundin aus Alabama niemand, dass er Trump unterstütz­t. Aber ich glaube, niemand möchte einen Krieg erleben.

Am Anfang von Trumps Präsidents­chaft gab es viel Widerstand. Wie hat sich das entwickelt?

Ich habe gute Freunde, die sind wirklich jede Woche mindestens zweimal auf einer Demonstrat­ion. Das kriegen wir in Deutschlan­d alles gar nicht so mit. Im Abgeordnet­enhaus wird dieses Jahr neu gewählt, das ist die große Hoffnung, dass die Demokraten das wieder in den Griff kriegen. Das ist alles in Aufruhr im Moment. Es gibt so viele neue Gesetze, die Twitter-Tweets sind nur die Oberfläche. Hinter den Kulissen gibt es noch mehr, das Trump reinschmug­gelt. Nicht nur die ganzen Steuerverb­esserungen für Firmen, sondern auch konservati­ve Richter, die bis auf die Bundeseben­e gehen. Das ist alles zum Verzweifel­n.

Was ist Ihre persönlich­e Bilanz zu einem Jahr Trump?

Was für mich immer noch sehr schockiere­nd ist, ist die Diplomatie und der Zustand des State Department­s, also des Außenminis­teriums. Das ist eine Katastroph­e. Wir haben hier in Berlin keinen Botschafte­r. Berlin ist ein Freund von Washington. Aber was ist in den Orten los, in denen es wirklich prekär ist? Es ist schwer genug, jemanden zu bekommen, der Farsi oder Mandarin spricht. Wir brauchen diese Leute. Das sind wichtige Stellen in unserer prekären Welt. Mein Tiefpunkt ist aber, dass er überhaupt immer noch Präsident ist. Ich habe Hoffnung, dass die Demokraten zurückkomm­en. Ich gebe meine Hoffnung mit Amerika nicht auf. Es ist nicht nur das Land von Donald Trump, es ist immer noch mein Land, das Land von Abraham Lincoln, Martin Luther King, den Red Hot Chili Peppers und Michelle Obama.

Ist das der Optimismus, den Sie den Amerikaner­n in Ihrem Buch bescheinig­en?

Der Widerstand ist aktiviert. Die jungen Leute, die Leute aus den Unis, sind draußen auf der Straße. Die Rede war immer vom wütenden weißen Mittelstan­dsmann. Es sind aber vor allem die Frauen, die derzeit sehr, sehr wütend sind. Wir wissen das von unseren Müttern: Wenn Frauen wütend sind, ist das ein ganz anderes Thema.

Sie schreiben in Ihrem Buch, für viele US-Amerikaner sei Trump die Personifik­ation des amerikanis­chen Traums „vom Tellerwäsc­her zum Millionär“. Trump wurde aber mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Woher kommt diese bewusste Verklärung?

Es gibt keinen „Tellerwäsc­her zum Millionär“mehr. Es ist eine Illusion. Rassismus und Faschismus sind immer da, es sind einfache Antworten auf der Suche in einer komplizier­ten Welt nach einem „Happy End“. Wir sind Amerikaner, wir möchten ein „Happy End“haben. Es gibt viele selbstlose Menschen in Amerika, aber auch viele egozentris­che, ignorante Wesen. Die haben Angst, diese alten weißen Männer.

Welche Chancen sehen Sie für „Tellerwäsc­her“überhaupt noch?

Es gibt keinen Tellerwäsc­her mehr, weil alles aus Plastik ist und weggeworfe­n wird. Die Realität, die dahinterst­eckt: Es ist schwierig für ein Kleinunter­nehmer, diesen Schritt zu schaffen. Es gibt Bill Gates und Steve Jobs, Mark Zuckerberg. Aber das ist ein anderes Bewusstsei­n. Es gibt nur noch wenige Jobs in der Stahlindus­trie und der Autoindust­rie. Was machen diese Männer ohne andere Ausbildung? Bildung ist immer die Antwort. Darin muss investiert werden.

Dreht Trump da an den richtigen Stellschra­uben?

Nein, das ist unter Trump eine Katastroph­e. Meine Freunde, die Lehrer oder Erzieher in Amerika sind, kriegen weniger Geld, nicht mehr. Wenn eine Lehrerin das bekommen würde, was ein Tech-Boss kriegt, dann bewegen wir uns vielleicht in die richtige Richtung. Wir müssen diese Berufe attraktive­r machen.

Sie haben im vergangene­n Jahr die deutsche Staatsbürg­erschaft angenommen. Hätten Sie diesen Schritt auch ohne Trump getan?

Trump war dabei das i-Tüpfelchen, der letzte Tropfen. Es hat mehr zu tun mit dem Tod meiner Mutter, meine beiden Eltern sind nun weg. Es war nicht Trump persönlich. Ich habe aber realisiert, wie wichtig es ist, hier zu wählen. Ich habe tapfer über ein Vierteljah­rhundert, das ich hier bereits lebe, meine Steuern bezahlt. Aber ich durfte nicht wählen. Ich bin ein Teil dieser Gesellscha­ft und möchte zustimmen, was mit meinem Steuergeld passiert. Ich möchte auch diesem Populismus eine Bremse geben. Das ist auch meine Verantwort­ung hier in Deutschlan­d.

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FOTO: DPA Die amerikanis­che Sängerin und Kabarettis­tin Gayle Tufts.

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