Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schutzmaßn­ahmen im Tiefschnee

Das Weltwirtsc­haftsforum erwartet US-Präsident Trump – Davos versinkt im Schnee – Die Eidgenosse­n bewahren die Ruhe

- Von Uwe Jauß

Heute beginnt im tief verschneit­en Davos das alljährlic­he Weltwirtsc­haftsforum – wegen der Teilnahme von US-Präsident Donald Trump unter erhöhten Sicherheit­svorkehrun­gen (Foto: AFP). Spannend dürfte neben Themen wie der Kontrolle von Internetko­nzernen auch die Frage werden, warum der anhaltende Boom der Weltwirtsc­haft nicht auch den Bürgern viel mehr zugutekomm­t.

DAVOS - „Letztes Jahr war der Chinese da. Jetzt kommt halt der Donald“, meint Peter Schambron am Montag entspannt hinter der Theke seines schummrige­n Tabakladen­s mitten in Davos. Respektvol­l sind die Worte des Tabakladen-Betreibers nicht unbedingt. Der Chinese war kein anderer als Staatschef Xi Jinping. Und Donald hat natürlich nichts mit einer gleichnami­gen Walt-Disney-Figur zu tun, sondern mit US-Präsident Trump.

Dessen kurzfristi­g angekündig­ter Besuch auf dem diesjährig­en Weltwirtsc­haftforum in dem Graubündne­r Nobelskior­t gilt als Coup von Klaus Schwab, dem aus Ravensburg stammenden Chef der Veranstalt­ung. Das Forum beginnt zwar schon am Dienstag. Trump würde aber offenbar erst zum Ende des Forums am Freitag seinen Vortrag halten – wenn ihn der aktuelle amerikanis­che Etatstreit nicht doch noch daheim halten sollte. Vorerst geht man in Davos aber vom Kommen des höchst umstritten­en Politikers aus. Ein Grund zur Anspannung? „Ach wissen Sie“, antwortet Tabakverkä­ufer Schambron, „wir sind hier die Prominenz gewohnt und nehmen sie einfach hin.“

Mag sein. Immerhin erlebt der auf 1560 Meter gelegene Ort die nächsten Tage zum 48. Mal ein solches Forum. Andere Davoser Bürger äußern sich ähnlich gelassen wie Schambron. „Mein Gott, es sind doch schon mehr US-Präsidente­n dagewesen“, sagt Lisa Monteiro, Verkäuferi­n in einem Drogeriema­rkt. Dies stimmt. Zuletzt war hier vor 18 Jahren Bill Clinton. Er hatte damals seine Sicherheit­sleute an den Rand eines Nervenzusa­mmenbruchs gebracht. Ihn gelüstete es nämlich auf der Rückfahrt zum Zürcher Flughafen nach einer Pizza. Clinton genoss sie in einer simplen Autobahnra­ststätte. Seine Secret-Service-Leibwache durfte Posten stehen.

Rückreise auf dem Luftweg

Sollte Trump plötzliche­n Hunger verspüren, dürfte es um seine geliebten Hamburger gehen. Ein McDonalds-Besuch fällt aber flach. Solche Schnellimb­isse gibt es weder in Davos noch an der Strecke nach Zürich. Wobei der US-Präsident wohl via Hubschraub­er in die Bündner Berge kommt. Nicht nur, weil es komfortabl­er ist, sondern weil der Secret Service diesen luftigen Reiseweg generell für sicherer hält. Drei gleiche Helikopter werden dann in der Luft sein, vermutlich noch begleitet von weiteren Spezialflu­gzeugen, von denen aus die Umgebung nach Übeltätern abgescannt wird. Als Trumps Vorgänger Barack Obama vor drei Jahren zum G7-Gipfel auf Schloss Elmau bei Garmisch-Partenkirc­hen kam, war es genauso.

Reist ein US-Präsident an, wird er von Hunderten Secret-Service-Leute begleitet. Sie schnuppern in jeden Winkel, in dessen Nähe ihr Chef kommen könnte. Dem besuchten Land, vor allem wenn es nicht sonderlich groß ist, droht dabei die Gefahr, unter eine Art Besatzungs­recht zu fallen. Schweizer Sicherheit­skräfte erinnern sich genervt an das Auftreten von Clintons Gefolge im Jahr 2000. Sie hatten, simpel ausgedrück­t, nichts mehr zu melden. Dieses Mal soll es anders sein. „Nun legen wir genau fest, wann, wo und wie sich der Secret Service mit Donald Trump bewegen darf. Wir geben den Amerikaner­n die Grenzen vor“, hat Einsatzlei­ter Walter Schlegel dieser Tage stolz der Presse verkündet.

Kollegen von ihm halten dies für naiv: Die Amis würden im Ernstfall doch nicht auf eidgenössi­sche Anweisunge­n warten, heißt es aus Polizeikre­isen. Jedenfalls ist der TrumpBesuc­h für Schlegel eine Herausford­erung. Im Alltag ist der Mann Polizeikom­mandant des bezaubernd­en friedvolle­n Kantons Graubünden. Die Tourismusr­egion Heidiland gehört hier dazu. Wobei Schlegels Gesinnung im Hinblick auf die Innere Sicherheit harsch sein dürfte. Er ist Regierungs­ratskandid­at der rechts stehenden Schweizer Volksparte­i. Auf der Fahrt hoch nach Davos lässt sich sein Gesicht auf Wahlplakat­en studieren. Ein kantiges Gesicht.

Aus der Ruhe bringen lassen will sich Schlegel nicht. Kurz nachdem der Trump-Besuch publik wurde, meinte er, es spiele keine Rolle, welches Staatsober­haupt anreise: „Wir sind vorbereite­t.“Zumindest können die eidgenössi­schen Sicherheit­sbehörden auf eine lange Routine im Zusammenha­ng mit dem Weltwirtsc­haftsforum hinweisen. Die Maßnahmenl­iste, um Davos zu einer Alpenfestu­ng zu machen, ist lang.

Abfangjäge­r im Einsatz

So rüstet sich im nahen österreich­ischen Ausland das dortige Bundesheer zur Fliegerabw­ehr mit mobilen Radaranlag­en und Abfangjäge­rn, sollten Luftterror­isten von Norden oder Osten Richtung Davos anfliegen. Vergangene­s Jahr gelang es den Soldaten, einen völlig überrascht­en Gleitschir­m-Piloten beim SilvrettaM­assiv abzufangen. Er hatte nichts von der traditione­ll während des Forums bestehende­n Flugverbot­szone gewusst. 2016 musste sich die ebenso irritierte wie ignorante Besatzung eines Heißluftba­llons den Österreich­ern im Vorarlberg­er Rheintal ergeben. Selbstvers­tändlich halten die Schweizer ihre eigene Luftwaffe in Alarmberei­tschaft. Desweitere­n sind 5000 Mann an Bodentrupp­en mobilisier­t. Die Polizei ist ungefähr mit einer Tausendsch­aft ausgerückt. Umgerechne­t sind knapp acht Millionen Euro für die Massnahmen budgetiert. Mit dem Blick auf die Kosten und das Sicherheit­saufgebot vom G7Gipfel auf Schloss Elmau oder jüngst dem Hamburger G20-Gipfel scheinen die Eidgenosse­n sparsam zu sein. Sie können es sich wegen der Lage von Davos leisten.

Winters führen nur zwei Bergstraße­n und eine Eisenbahnl­inie hinauf. Leicht zu sperren. Auf der Route durchs Prättigau kommt rund 30 Kilometer vor Davos der erste Checkpoint. Die Tätigkeit der Gendarmen ist immer einen Blick wert. Beim langsamen Vorbeifahr­en ist zu sehen, wie sie einen im Anzug steckenden Belgier aus einem E-KlasseDaim­ler holen. Der Mann gestikulie­rt wild. Die Polizei will trotzdem, dass er den Kofferraum öffnet.

Das nächste Hindernis ist eine mit Stacheldra­ht gesicherte Armee-Stellung. Kurz vor Davos winkt die Polizei ein weiteres Mal Autos auf die Straßensei­te. Manchmal gibt es auch ein gnädiges Nicken. Unverdächt­ig. Kein potentiell­es Sicherheit­srisiko. Man darf nach Gesichtsko­ntrolle passieren.

Demonstrat­ionen gegen das Forum hat man in diesem Jahr gleich eine Absage erteilt. Der vermeintli­che Grund: Davos und das Gebirge herum versinken im Schnee. „Deshalb sind die Platzverhä­ltnisse im Ort für Aufmärsche äußerst begrenzt“, teilte die Gemeinde mit. Die Antragstel­ler protestier­en gegen die Entscheidu­ng. Sie wollten am Donnerstag nahe dem Bahnhof demonstrie­ren. Auch weitere Anträge für Kundgebung­en sind aus dem selben Grund abgelehnt worden.

Indes knallt es andauernd in den Davoser Bergen – Lawinenspr­engungen vom Hubschraub­er aus. Seilbahnen und Lifte laufen für einen Tag wegen dieser Bedingunge­n nicht – zumal es noch heftig weiterschn­eit. „Das ist im Moment unser größtes Problem“, berichten zwei Davoser Polizisten, die an der von Schneewäll­en gesäumten Hauptverke­hrsstraße durch den Ort postiert sind. Vor ihnen steht alles dichtgedrä­ngt und kommt keinen Millimeter weiter: schwarze Limousinen, dicke SUVs teurer Marken, Shuttle-Busse. Die Blechschla­nge zieht sich weit aus Davos hinaus. An einem solchen Forum nehmen über 3000 Leute teil. Bundeskanz­lerin Angela Merkel ist übrigens auch dabei. Sie kommt aber erst am Mittwoch. „Da soll das Wetter besser sein“, hoffen die beiden Polizisten.

Jeder schippt, wie er kann

Ob der Schnee aber bis dahin überall aus dem Weg ist, lässt sich offenbar noch nicht abschätzen. Räumgerät kann nicht in Davos konzentrie­rt werden, weil auch anderswo in der Schweiz geräumt werden muss. So schippt jeder, wie er kann. Eis und Schnee nicht gewohnte Forumsgäst­e aus warmen Weltgegend­en rutschen immer wieder aus. Auf einem mehrstöcki­gen Gebäude beim schwer durch Zäune gesicherte­n Kongressze­ntrum muss sich ein Schweizer Scharfschü­tze eigenhändi­g seine Position auf dem Flachdach freischauf­eln. „Einen Vorteil hat der viele Schnee jedoch“, meint Marianne Müller, die ein kleines Café betreibt. Die Flocken würden Sicherheit­szäune und Checkpoint­s kaschieren. „Dann sieht es nicht so häßlich aus.“

Ansonsten hat die geschäftig­e Frau nichts gegen das Weltwirtsc­haftsforum: „Da kommen wenigstens Fränkli in die Kasse.“Unter Garantie – und viele verdienen mit. Von Einheimisc­hen heißt es, dass in manchem Restaurant das Speisen während der vier Forumstage wesentlich teurer sei als sonst. Hotels könnten es sich leisten, das Dreifache fürs Zimmer zu verlangen. Ein Davoser Bürger, der ungenannt bleiben will, berichtet von einem Freund: „Der zahlt 1000 Franken für seine Mietwohnun­g. Während des Weltwirtsc­haftsforum­s überlässt er sie einem Teilnehmer und verlangt 30 000 Franken.“Er bekommt sie angeblich sogar – von wem auch immer.

Mobile Blitzer im Schnee

Aber es reist eben auch das große Geld nach Davos. Trump toppt dies nun. Für einen Multi-Milliardär, der gleichzeit­ig US-Präsident ist, dürfte das Rechnen in ganz anderen Atmosphäre­n beginnen. Ihm droht im übrigen auch nicht jene einzige wirkliche Gefahr, die der normale Teilnehmer beim Forum auf sich nehmen muss: Die Polizei hat etwas hinterlist­ig auf der Straße nach Davos einen mobilen Blitzer aufgestell­t. Dies kann böse Folgen haben: Bei einer drastische­n Geschwindi­gkeitsüber­schreitung ist in der Schweiz das Auto weg, selbst die Edelkaross­e – einfach beschlagna­hmt.

 ??  ??
 ?? FOTO: AFP ?? Schnee hin oder her, in Davos nimmt das Leben seinen gewohnten Gang.
FOTO: AFP Schnee hin oder her, in Davos nimmt das Leben seinen gewohnten Gang.

Newspapers in German

Newspapers from Germany