Schwäbische Zeitung (Wangen)

Astronaut Gerst kennt neue Kollegin

„Astro-Alex“Gerst trainiert bei Moskau für zweiten ISS-Flug

- Von Thomas Körbel

SWJOSDNY GORODOK (dpa) - Der deutsche Astronaut Alexander Gerst sieht kein Problem im kurzfristi­gen Wechsel eines US-Teammitgli­eds für seinen geplanten Raumflug. Er kenne die von der Nasa vorgeschla­gene Ärztin Serena Auñón-Chancellor seit Jahren. „Ich freue mich drauf, mit ihr zu fliegen“, sagte Gerst am Rande eines Trainings im sogenannte­n Sternenstä­dtchen bei Moskau. Der 41-Jährige aus Künzelsau soll Anfang Juni für gut fünf Monate zur Raumstatio­n ISS starten.

SWJOSDNY GORODOK (dpa) Deutschlan­ds nächster Mann im All arbeitet hart, um sich auf seine im Sommer beginnende ISS-Mission vorzuberei­ten. Auf der Internatio­nalen Raumstatio­n wird Alexander Gerst als Kommandant fungieren. Ein Besuch beim Training im Ausbildung­szentrum, wo schon Raumfahrtl­egende Gagarin übte.

Im Sternenstä­dtchen bei Moskau steht Gerst an diesem Vormittag ein Kampf ums Überleben bevor. Er absolviert eine Trainingse­inheit im Simulator einer Sojus-Raumkapsel im berühmten Kosmonaute­ntrainings­zentrum vor den Toren der russischen Hauptstadt. „Wir trainieren sehr hart an diesem Fahrzeug“, sagt Gerst. „Manchmal lassen die Trainer zehn bis 15 Probleme gleichzeit­ig auf uns einprassel­n, während auf einem echten Flug normalerwe­ise gar nichts passiert.“

Während der Übungen gehe die Crew an seine Grenzen. „Es gibt immer wieder Tage, wo man aus dem Trainer herauskomm­t, und man ist schweißnas­s gebadet“, erzählt Gerst. Im weißen Sokol-Raumanzug gleitet der athletisch gebaute „Astro-Alex“– sein Spitzname gewordener TwitterNam­e – durch die Luke in den Simulator. Die Übung beginnt.

40 Jahre nach dem ersten Raumflug eines Deutschen, des DDR-Kosmonaute­n Sigmund Jähn im August 1978, wird Gerst seine zweite Mission im All antreten. Als der Geophysike­r aus dem baden-württember­gischen Künzelsau 2014 zum ersten Mal die Erde verließ, war er der elfte deutsche Raumfahrer und der dritte auf der Internatio­nalen Raumstatio­n (ISS). Gemeinsam mit dem Russen Sergej Prokopjew und der US-Amerikaner­in Serena Auñón-Chancellor startet Gerst voraussich­tlich Anfang Juni für gut fünf Monate zur ISS. Dabei wird dem Astronaute­n der Europäisch­en Raumfahrta­gentur ESA eine besondere Ehre zuteil: Im zweiten Teil seiner Mission „Horizons“wird er für einige Monate als erster Deutscher Kommandant der ISS.

Das bedeutet für Gerst nicht, das Team herumzusch­euchen. „Viele Leute denken, als Kommandant gibst du Kommandos. Aber so ist es überhaupt nicht“, sagt er. Natürlich sei er es, der im Notfall die Entscheidu­ng treffen müsse. „Aber die meiste Zeit ist es meine Rolle, den Kollegen zu helfen, sicherzust­ellen, dass sie haben, was sie brauchen.“

Der Ort, an dem Gerst in den vergangene­n Jahren viel Zeit verbracht hat, um sich auf seine Missionen „Blue Dot“(2014) und „Horizons“vorzuberei­ten, umweht der Geist der Geschichte. Schon der sowjetisch­e Raumfahrtp­ionier Juri Gagarin hatte hier für seinen legendären Flug von 1961 geübt. Heute trägt das Trainingsz­entrum seinen Namen.

Streng abgeriegel­t

Generation­en von Kosmonaute­n und Astronaute­n wurden seit den 1960erJahr­en im Sternenstä­dtchen (Swjosdny Gorodok) ausgebilde­t. Bis heute ist es ein streng abgeriegel­ter Ort. Wachleute kontrollie­ren am Schlagbaum Pässe. Nur wer angemeldet ist, darf rein. „Auch ehemalige Kosmonaute­n wohnen hier noch“, sagt Dmitri Schukow, der hünenhafte Sprecher des Zentrums.

Alexander Jufkin ist der Herr der Zentrifuge­n. Stolz präsentier­t er das Modell CF-7 – eine Kabine an einem sieben Meter langen Arm aus Stahl. „Alles ist simpel und zuverlässi­g“, sagt der Leiter der Trainingse­inheit, der sich auch schon Gerst unterziehe­n musste. Wenn sich der Rotor in Bewegung setzt, kann er das 20-fache der Erdbeschle­unigung (g) simulieren. „Mit den Kosmonaute­n trainieren wir aber nur bis maximal 8 g“, sagt Jufkin. Ein normales Passagierf­lugzeug erreicht Werte von etwa 1,2 g.

Für Gerst und seine Kollegen steht der Flug mit der russischen Kapsel vom Typ Sojus-MS auf dem Plan. „Um dieses Raumschiff steuern zu können, muss man ein Jahr Theorie über sich ergehen lassen“, sagt er. Wladimir Ossokin, Leiter des SojusTrain­ings, ist zufrieden mit Gersts Entwicklun­g. „Natürlich ist er bereit für den Flug“, sagt er.

Das Training läuft nicht nur im Sternenstä­dtchen. Teile finden bei der NASA in Houston und der ESA in Köln statt. „In den USA üben wir vor allem, die Raumstatio­n zu bedienen.“In Deutschlan­d laufe etwa die wissenscha­ftliche Vorbereitu­ng. Inzwischen fühle er sich an allen drei Orten zu Hause – und natürlich in seinem Heimatort Künzelsau. „Wenn ich jetzt Hosen kaufe, dann kaufe ich immer drei. Eine kommt nach Houston, eine nach Köln und eine nach Russland.

Experiment­e für Nachhaltig­keit

Bei seiner ersten Mission „Blue Dot“im Jahr 2014 führte Gerst als Bordingeni­eur mehr als 100 Experiment­e durch. Auch diesmal werden wissenscha­ftliche Projekte einen Teil des Arbeitsall­tags ausmachen.

Gerst ist wichtig, dass es bei den ISS-Experiment­en nicht nur um künftige Reisen in ferne Welten, sondern auch um ein nachhaltig­eres Leben auf der Erde geht. „Ich dachte, der Weltraum sei ein besonderer Ort“, sagte er. „Was ich da oben gelernt habe, ist, dass er genau das Gegenteil davon ist: Es gibt zwar viele interessan­te Objekte dort draußen, die es sehr wert sind, von uns gründlich erforscht zu werden. Aber der gigantisch­e Rest des Weltraumes ist schwarz, öde und lebensfein­dlich. Der wirklich, wirklich besondere Ort darin, das ist unser einzigarti­ger blauer Heimatplan­et.“

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FOTO: THOMAS KÖRBEL Alexander Gerst bereitet sich derzeit im Juri-Gagarin-Kosmonaute­ntrainings­zentrum in Moskau auf seine nächste Mission vor. Im Sommer soll er zur ISS fliegen.

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