„Neuwahlen wären fatal“
BERLIN - Carsten Linnemann (Foto: Rasemann), Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, erwartet schwierige Koalitionsverhandlungen, wie er im Gespräch mit Andreas Herholz sagt.
Wie groß ist die Erleichterung der Union über den SPD-Beschluss?
Das sind keine guten Startvoraussetzungen für die Regierungsbildung. Die SPD wird mit hohem Druck in die Koalitionsverhandlungen gehen. Dieser Druck erzeugt Gegendruck, zumal auch wir unsere Positionen und Überzeugungen haben. Das werden also extrem schwierige Koalitionsverhandlungen. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir Anfang Februar Ergebnisse vorlegen können. Dann muss die SPD-Basis entscheiden. Die SPD darf nicht vergessen: Auch bei uns ist das kein Selbstläufer. Es wird noch einen Bundesparteitag der CDU geben, der ebenfalls über eine Neuauflage der Großen Koalition entscheiden muss.
Die SPD hat weitere Forderungen in den Bereichen Arbeit, Gesundheit und Flüchtlinge aufgestellt. Werden die Sondierungsergebnisse noch einmal aufgerollt?
Wenn man bereits Vereinbartes über Bord wirft, gibt es keine Vertrauensbasis mehr. Was bereits beschlossen wurde, muss gelten. Es gibt aber sicherlich einiges, was in Koalitionsverhandlungen noch präzisiert werden muss. Auch die Union hat noch Punkte, bei denen sie stärker ins Detail will. Insbesondere in den Bereichen Digitalisierung oder Energie sehe ich noch viel Potential. Bisher erhalten wir in diesen Punkten nur den Status Quo. Da muss noch mehr geschehen. Auch im Bereich Europa wird es noch schwierige Verhandlungen geben.
Wären Neuwahlen besser?
Neuwahlen wären fatal. Sie würden ein ähnliches Ergebnis produzieren wie im September, und die Politikverdrossenheit würde ins Unermessliche steigen. Es kann nicht sein, dass wir in einer repräsentativen Demokratie Wahlen haben, in denen uns das Volk, der Souverän, Verantwortung übergibt, und wir kommen damit nicht klar. Wir müssen jetzt endlich zu Potte kommen, eine Regierung bilden und die Zukunft des Landes gestalten. Das Land braucht Innovationen. Wir haben in der letzten Großen Koalition zu sehr den Status quo verwaltet und uns zu wenig um die Zukunft gekümmert.