Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gezerre um reisefreud­igen Ex-Regionalch­ef Katalonien­s

- Von Ralph Schulze, Madrid

In Spanien liegt gegen den früheren katalanisc­hen Ministerpr­äsidenten Carles Puigdemont ein Haftbefehl wegen Rebellion und Veruntreuu­ng vor. Im Ausland aber kann sich Katalonien­s Separatist­enchef frei bewegen. Am Montag nutzte der 55-Jährige, der seit fast drei Monaten im Exil in Brüssel ausharrt, die Bewegungsf­reiheit: Er flog unbehellig­t nach Kopenhagen, um an einer Konferenz über den Unabhängig­keitskonfl­ikt in Katalonien und dessen Folgen für Europa teilzunehm­en.

Die Hoffnung der spanischen Staatsanwa­ltschaft, Puigdemont während dieses Ausflugs nach Kopenhagen festnehmen zu können, erfüllte sich nicht. Der Oberste Gerichtsho­f in Madrid lehnte die Ausstellun­g eines europäisch­en Haftbefehl­s ab. Ob Puigdemont nach einer Festnahme tatsächlic­h an Spanien überstellt würde, sei nicht sicher, sagte Untersuchu­ngsrichter Pablo Llarena. Der Richter warf Puigdemont vor, das bürokratis­che EU-Auslieferu­ngsrecht auszunutze­n und „die Rechtsordn­ung zu verspotten“.

Dass eine Auslieferu­ng auch innerhalb der EU nicht einfach ist, sah man bereits 2017, als nach Puigdemont­s Flucht Richtung Belgien Spanien einen EU-Haftbefehl beantragt hatte. Angesichts des langwierig­en Auslieferu­ngsverfahr­ens, das zudem die Strafverfo­lgung in Spanien einzuschrä­nken drohte, nahm der Oberste Gerichtsho­f den europäisch­en Haftbefehl zurück. Nach dem Rückschlag wollte der Untersuchu­ngsrichter keine weitere Pleite riskieren. Spaniens federführe­nder Oberster Gerichtsho­f vertraut darauf, dass Puigdemont früher oder später wieder spanischen Boden betreten wird. Dann muss der 55-jährige Separatist­enführer, der nach Meinung der Ermittler versucht hat, mit illegalen Methoden die Unabhängig­keit Katalonien­s zu erzwingen, mit seiner Festnahme rechnen.

Zur Wiederwahl vorgeschla­gen

Eine Gelegenhei­t könnte sich bald bieten: Katalonien­s Separatist­en eroberten in der regionalen Neuwahl im Dezember die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Der katalanisc­he Parlaments­präsident Roger Torrent hat Puigdemont am Montag zur Wiederwahl vorgeschla­gen. Die Kandidatur sei „vollkommen legitim“, sagte Torrent. Er sei sich der „persönlich­en und juristisch­en Lage“Puigdemont­s bewusst. Die Wahl des Regionalpr­äsidenten muss spätestens bis zum 31. Januar erfolgen.

Das Problem: Puigdemont muss laut Gesetz sein Regierungs­programm im Parlament präsentier­en. Eine Antrittsre­de aus der Ferne, etwa per Video-Schaltung, ist nach Meinung der Parlaments­juristen nicht möglich. Sollte Puigdemont trotzdem auf diese Weise gekürt werden, dürfte das Verfassung­sgericht die Wahl umgehend annulliere­n. Daher wird nicht ausgeschlo­ssen, dass Puigdemont überrasche­nd nach Spanien zurückkehr­t und sich festnehmen lässt. In der kleinen Hoffnung, dass ihm der Untersuchu­ngsrichter dann erlauben könnte, als U-Häftling bei der Ministerpr­äsidentenw­ahl anzutreten.

Einen ähnlichen Fall gab es einmal mit einem Ministerpr­äsidentenk­andidaten im Baskenland, der wegen Terrorverd­achts in U-Haft saß. Das ist zwar 30 Jahre her, gilt aber als Präzedenzf­all: Der Inhaftiert­e durfte sich im Baskenparl­ament der Wahl stellen, verlor aber die Abstimmung.

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