Minusgeschäft Lebensversicherung
Konzerne denken über den Verkauf ihrer Policen an Run-off-Firmen nach – Für Kunden ändert sich zumeist nichts
FRANKFURT - Mit Nullzinsen umzugehen ist keine leichte Aufgabe. Das merkt der Sparer, der kaum noch Zinsen auf sein Geld kriegt; das merken aber auch Lebensversicherer. Denn deren Geschäftsmodell liegt im Wesentlichen darin, dass sie das Geld, das die Kunden einzahlen, am Kapitalmarkt anlegen. Mit den erwirtschafteten Renditen können Lebensversicherer die versprochenen Zinsen reinholen, um sie an die Versicherungsnehmer auszuzahlen. So zumindest die Theorie.
Das Problem ist, dass das Nullzins-Umfeld Banken und Versicherungen genau dieses Wirtschaften schwer macht. Denn deren Anlagen werfen ebenfalls weniger Renditen ab. Sie bekommen also Probleme damit, die dem Kunden bei Vertragsabschluss zugesagten garantierten Zinsen gutzuschreiben. Vor allem bei Altverträgen spielt das eine Rolle, denn da können die Zinsen bis zu vier Prozent betragen. Also suchen Versicherer nach neuen Wegen.
Viele Unternehmen sind bereits den Weg gegangen, die Kosten, so es denn geht, zu senken. Ein anderes Mittel sind bislang nur wenige Unternehmen gegangen – nämlich ihre mittlerweile unliebsamen Versicherungsverträge weiterzuverkaufen. Da die gewöhnliche Konkurrenz im Markt der Lebensversicherer kein allzu großes Interesse am Kauf solcher „Altlasten“hat, haben sich neue Gesellschaften gebildet: Abwicklungsgesellschaften, in der Branche als Run-off-Unternehmen bezeichnet. Sie versuchen, in großem Stil Lebensversicherungen aufzukaufen, um sie weiterzuverwalten.
Was aber passiert in einem solchen Fall mit dem Versicherungsvertrag, wenn der den Besitzer wechselt? Zunächst einmal nichts, heißt es bei der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin in Bonn. Sie ist als Oberaufsicht für die Branche der Versicherungen zuständig. Deren oberster Versicherungsaufseher Frank Grund sagt, die Bafin trage dafür Sorge, dass „kein Kunde schlechter gestellt werden darf durch diesen Inhaberwechsel. Vertragliche Garantien bleiben unverändert bestehen.“
Das sei schon dadurch gewährleistet, dass die Hürden eines Verkaufs von Lebensversicherungen hoch seien. In der Regel würden nur ganze Unternehmen den Besitzer wechseln. „Das heißt, der Lebensversicherer aus einem Konzern heraus wird an einen anderen Investor verkauft. Der Rechtsträger, die Lebensversicherungsgesellschaft, bleibt also Vertragspartner des Kunden“.
Dass diese Run-off-Firmen möglicherweise besser wirtschaften können als die traditionellen Versicherungskonzerne, hat mehrere Gründe. Zum einen geben Unternehmen wie die Frankfurter Leben an, dass ihre IT moderner und damit effizienter sei. Ganz sicher aber haben diese Unternehmen kein Neugeschäft: Es fallen also keine Kosten für Marketing und Werbung an. Und schließlich brauchen sie auch keine Filialen, denn die jährlichen Informationen an die Kunden lassen sich per Computer verschicken.
Nur wenige Konzerne verkaufen
Also kein Problem? Der Bund der Versicherten spricht bei dieser Tendenz von einer Art Beben, das potenziell die Altersvorsorge von Millionen Menschen gefährde. Doch die Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin sieht die Situation weniger dramatisch. Aus ihrer Sicht hatten in der Vergangenheit zwar viele Versicherer angekündigt, den Schritt einer solchen Auslagerung von Lebensversicherungen zu erwägen. Dennoch sind die Wenigsten diesen Weg auch gegangen. Nur drei Prozent der Lebensversicherungen sei bei Abwicklungsgesellschaften gelandet, sagt Aufseher Grund.
Viele Kunden horchen jedoch auf, wenn sie hören, dass ausgerechnet ihre Lebensversicherung den Besitzer gewechselt hat. Zumal hinter Abwicklungsgesellschaften mitunter Investoren aus weiter Ferne stehen. Beispielsweise aus den USA oder – wie im Falle der Frankfurter Leben – aus China. Der Name Guo Guangchang ist in Deutschland wenig bekannt. Der chinesische Milliardär führt die chinesische Unternehmensgruppe Fosun. Und die expandiert gerade in Europa. Die Frankfurter Leben gehört mehrheitlich auch Fosun.
Bei der Frankfurter Leben merkt man nichts vom chinesischen Mehrheitseigentümer. Das Unternehmen ist, wie hierzulande für Versicherer üblich, Mitglied im gesetzlichen Sicherungsfonds. Und im Falle des Übergangs von Kundenverträgen an Frankfurter Leben heißt es: „Für die Kunden ändert sich dabei nichts: Die Versicherungsverträge werden mit unveränderten Garantien, Konditionen und Bedingungen fortgeführt.“
Ob das wirklich so ist, das sollten betroffene Kunden von Lebensversicherungen genau beobachten, Eile ist aber wohl vorerst nicht geboten. Sollten aber enttäuschende Nachrichten von den neuen Gesellschaften kommen – etwa wenn es um die Höhe der Überschussbeteiligung geht, ist es ratsam, sich bei Verbraucherschützern zu informieren.