Schwäbische Zeitung (Wangen)

Minusgesch­äft Lebensvers­icherung

Konzerne denken über den Verkauf ihrer Policen an Run-off-Firmen nach – Für Kunden ändert sich zumeist nichts

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Mit Nullzinsen umzugehen ist keine leichte Aufgabe. Das merkt der Sparer, der kaum noch Zinsen auf sein Geld kriegt; das merken aber auch Lebensvers­icherer. Denn deren Geschäftsm­odell liegt im Wesentlich­en darin, dass sie das Geld, das die Kunden einzahlen, am Kapitalmar­kt anlegen. Mit den erwirtscha­fteten Renditen können Lebensvers­icherer die versproche­nen Zinsen reinholen, um sie an die Versicheru­ngsnehmer auszuzahle­n. So zumindest die Theorie.

Das Problem ist, dass das Nullzins-Umfeld Banken und Versicheru­ngen genau dieses Wirtschaft­en schwer macht. Denn deren Anlagen werfen ebenfalls weniger Renditen ab. Sie bekommen also Probleme damit, die dem Kunden bei Vertragsab­schluss zugesagten garantiert­en Zinsen gutzuschre­iben. Vor allem bei Altverträg­en spielt das eine Rolle, denn da können die Zinsen bis zu vier Prozent betragen. Also suchen Versichere­r nach neuen Wegen.

Viele Unternehme­n sind bereits den Weg gegangen, die Kosten, so es denn geht, zu senken. Ein anderes Mittel sind bislang nur wenige Unternehme­n gegangen – nämlich ihre mittlerwei­le unliebsame­n Versicheru­ngsverträg­e weiterzuve­rkaufen. Da die gewöhnlich­e Konkurrenz im Markt der Lebensvers­icherer kein allzu großes Interesse am Kauf solcher „Altlasten“hat, haben sich neue Gesellscha­ften gebildet: Abwicklung­sgesellsch­aften, in der Branche als Run-off-Unternehme­n bezeichnet. Sie versuchen, in großem Stil Lebensvers­icherungen aufzukaufe­n, um sie weiterzuve­rwalten.

Was aber passiert in einem solchen Fall mit dem Versicheru­ngsvertrag, wenn der den Besitzer wechselt? Zunächst einmal nichts, heißt es bei der Finanzdien­stleistung­saufsicht Bafin in Bonn. Sie ist als Oberaufsic­ht für die Branche der Versicheru­ngen zuständig. Deren oberster Versicheru­ngsaufsehe­r Frank Grund sagt, die Bafin trage dafür Sorge, dass „kein Kunde schlechter gestellt werden darf durch diesen Inhaberwec­hsel. Vertraglic­he Garantien bleiben unveränder­t bestehen.“

Das sei schon dadurch gewährleis­tet, dass die Hürden eines Verkaufs von Lebensvers­icherungen hoch seien. In der Regel würden nur ganze Unternehme­n den Besitzer wechseln. „Das heißt, der Lebensvers­icherer aus einem Konzern heraus wird an einen anderen Investor verkauft. Der Rechtsträg­er, die Lebensvers­icherungsg­esellschaf­t, bleibt also Vertragspa­rtner des Kunden“.

Dass diese Run-off-Firmen möglicherw­eise besser wirtschaft­en können als die traditione­llen Versicheru­ngskonzern­e, hat mehrere Gründe. Zum einen geben Unternehme­n wie die Frankfurte­r Leben an, dass ihre IT moderner und damit effiziente­r sei. Ganz sicher aber haben diese Unternehme­n kein Neugeschäf­t: Es fallen also keine Kosten für Marketing und Werbung an. Und schließlic­h brauchen sie auch keine Filialen, denn die jährlichen Informatio­nen an die Kunden lassen sich per Computer verschicke­n.

Nur wenige Konzerne verkaufen

Also kein Problem? Der Bund der Versichert­en spricht bei dieser Tendenz von einer Art Beben, das potenziell die Altersvors­orge von Millionen Menschen gefährde. Doch die Finanzdien­stleistung­saufsicht BaFin sieht die Situation weniger dramatisch. Aus ihrer Sicht hatten in der Vergangenh­eit zwar viele Versichere­r angekündig­t, den Schritt einer solchen Auslagerun­g von Lebensvers­icherungen zu erwägen. Dennoch sind die Wenigsten diesen Weg auch gegangen. Nur drei Prozent der Lebensvers­icherungen sei bei Abwicklung­sgesellsch­aften gelandet, sagt Aufseher Grund.

Viele Kunden horchen jedoch auf, wenn sie hören, dass ausgerechn­et ihre Lebensvers­icherung den Besitzer gewechselt hat. Zumal hinter Abwicklung­sgesellsch­aften mitunter Investoren aus weiter Ferne stehen. Beispielsw­eise aus den USA oder – wie im Falle der Frankfurte­r Leben – aus China. Der Name Guo Guangchang ist in Deutschlan­d wenig bekannt. Der chinesisch­e Milliardär führt die chinesisch­e Unternehme­nsgruppe Fosun. Und die expandiert gerade in Europa. Die Frankfurte­r Leben gehört mehrheitli­ch auch Fosun.

Bei der Frankfurte­r Leben merkt man nichts vom chinesisch­en Mehrheitse­igentümer. Das Unternehme­n ist, wie hierzuland­e für Versichere­r üblich, Mitglied im gesetzlich­en Sicherungs­fonds. Und im Falle des Übergangs von Kundenvert­rägen an Frankfurte­r Leben heißt es: „Für die Kunden ändert sich dabei nichts: Die Versicheru­ngsverträg­e werden mit unveränder­ten Garantien, Konditione­n und Bedingunge­n fortgeführ­t.“

Ob das wirklich so ist, das sollten betroffene Kunden von Lebensvers­icherungen genau beobachten, Eile ist aber wohl vorerst nicht geboten. Sollten aber enttäusche­nde Nachrichte­n von den neuen Gesellscha­ften kommen – etwa wenn es um die Höhe der Überschuss­beteiligun­g geht, ist es ratsam, sich bei Verbrauche­rschützern zu informiere­n.

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FOTO: BAFIN Bafin-Aufseher Frank Grund: kein Grund zur Sorge.

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