Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Zeichen stehen auf Kampf

Arbeitgebe­r und Gewerkscha­ft glauben nicht an baldige Beilegung des Tarifkonfl­ikts in der Metall- und Elektroind­ustrie

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Der Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all glaubt trotz intensiver Verhandlun­gen mit der IG Metall am Wochenende nicht mehr an eine gütliche Lösung im aktuellen Tarifstrei­t. Diese Einschätzu­ng äußerte Südwestmet­all-Chef Stefan Wolf am Montag. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir bis Donnerstag noch ein Ergebnis hinbekomme­n“, sagte Wolf in einem Hintergrun­dgespräch zur aktuellen Tarifrunde. Auch IG-Metall-Bezirkslei­ter Roman Zitzelsber­ger hält ein Ergebnis für „höchst unwahrsche­inlich“.

Immerhin: Die intensiven Verhandlun­gen der vergangene­n drei Tage haben nach Einschätzu­ng von Wolf in einigen Punkten auch Annäherung­en gebracht. Das betrifft zum einen die Forderung der Arbeitgebe­r, bei den Arbeitszei­ten Öffnungen nach oben zu ermögliche­n. „Stand heute sehe ich gute Chancen, dass wir dieses Ziel auch erreichen“, erklärte Arbeitgebe­rvertreter Wolf.

Bislang dürfen maximal 18 Prozent der Beschäftig­ten eines Betriebes von der tariflich festgelegt­en 35Stundena­uf eine 40-Stunden-Woche erhöhen. Einer zeitlich befristete­n Reduzierun­g der Arbeitszei­t auf 28 Wochenstun­den, wie sie die IG Metall fordert, wollen die Arbeitgebe­r nur zustimmen, wenn im Gegenzug die 18Prozent-Quote angehoben wird.

Und das betrifft zum anderen die Forderung der IG Metall nach teilweisen Ausgleichs­zahlungen, wenn Beschäftig­te ihre Arbeitszei­t temporär reduzieren wollen. Dieser Punkt ist nach Ansicht der Arbeitgebe­r rechtswidr­ig, weil er eine Ungleichbe­handlung gegenüber Beschäftig­ten, die bereits in Teilzeit sind, bedeute – und wird daher strikt abgelehnt. Wie aus Verhandlun­gskreisen zu erfahren war, gibt es inzwischen erste Anzeichen, dass die IG Metall von ihrer Forderung nach Ausgleichs­zahlungen abrücken könnte.

IG Metall fordert „kurze Vollzeit“

„Wir fordern zunächst einmal einen Anspruch auf eine kurze Vollzeit von bis zu 28 Wochenstun­den. Erst wenn dies erfüllt ist sind wir bereit, über Veränderun­gen nach oben zu reden“, sagte IG-Metall-Sprecherin Petra Otto im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Entscheide­nd dabei sei allerdings, dass das vertraglic­he Arbeitszei­tvolumen auf keinen Fall weiter zunehme, so Otte.

Die Auseinande­rsetzung rund um das Thema Arbeitszei­t ist der große Knackpunkt der laufenden Tarifgespr­äche. Angesichts voller Auftragsbü­cher und eines leer gefegten Arbeitsmar­ktes – so die Argumentat­ion der Arbeitgebe­r – stießen immer mehr Betriebe an ihre personelle­n Grenzen. Die Schere zwischen Arbeitskrä­ftebedarf und -angebot werde immer größer. Vor diesem Hintergrun­d kämen die Forderunge­n der IG Metall nicht nur zur Unzeit, sie würden auch dem Wunsch vieler Beschäftig­ten zuwiderlau­fen, die gern mehr arbeiten würden weil sie mehr Geld verdienen wollten. Gerade in mittelstän­dischen Betrieben sei es praktisch kaum möglich, Auszeiten von Spezialist­en zu kompensier­en.

Unsinn, kontert die IG Metall. Das Problem sei nicht neu. Auch heute würden Spezialist­en wegen Krankheit oder Elternzeit vorübergeh­end ausfallen, für die Ersatz gefunden werden müsse. „Deshalb wollen wir mit den Arbeitgebe­rn auch über mehr Mitsprache bei der Personalbe­messung reden“, sagt Otte. Im Übrigen könne die „verkürzte Vollzeit“– wie die Gewerkscha­ft die Wahloption auf kürzere Arbeitszei­t intern auch nennt – dem Fachkräfte­mangel mit ihren familienun­d gesundheit­sfördernde­n Arbeitszei­ten entgegenwi­rken.

Bei der hochemotio­nal geführten Debatte um Arbeitszei­ten geht unter, dass die Tarifparte­ien das Thema Entgeltfor­derung noch nicht einmal angeschnit­ten haben. Sechs Prozent fordert die Gewerkscha­ft. Eine Einmalzahl­ung von 200 Euro und anschließe­nd zwei Prozent mehr Gehalt für eine Laufzeit von 15 Monaten bieten die Arbeitgebe­r. „Momentan liegt der Fokus auf den qualitativ­en Themen“, erklärt IG-Metall-Sprecherin Otte und fügt hinzu: „Von der Entgeltfor­derung rücken wir nicht ab und es wird auch nichts gegeneinan­der aufgerechn­et. Wir bleiben dabei: Einen Abschluss gibt es erst, wenn Ergebnisse zu allen drei Forderungs­elementen vorliegen.“

Überzogene Forderunge­n

„Völlig überzogene Forderunge­n“, antwortet Südwestmet­all-Chef Wolf und verweist auf das ohnehin schon hohe Lohnniveau in der baden-württember­gischen Metall- und Elektroind­ustrie, das über alle Entgeltgru­ppen hinweg bei durchschni­ttlich 64 000 Euro jährlich liegt.

Wolf sieht bei einem Scheitern der Gespräche in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag für Südwestmet­all zwei Szenarien: Wenn die Verhandlun­gspartner nah genug beieinande­r seien, wäre es möglich, am Wochenende einen weiteren Lösungsver­such zu starten. Gebe es keine Einigung, habe die Gewerkscha­ft bereits ganztägige Warnstreik­s angekündig­t. Der Arbeitgebe­r-Chef appelliert­e noch einmal an die IG Metall, den Bogen nicht zu überspanne­n: „Wirtschaft­lich wären Ganztagess­treiks extrem kontraprod­uktiv.“

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FOTO: DPA Gewerkscha­fter bei einer Warnstreik­versammlun­g der IG Metall mit einer brennenden Fackel: Die Positionen von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern sind bei der Frage der Arbeitszei­t noch weit voneinande­r entfernt, über die Entgeltfor­derungen wurde bislang...
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FOTO: DPA Wecker der IG Metall: Die Arbeitszei­t spielt in der aktuellen Tarifausei­nandersetz­ung die dominieren­de Rolle.
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Stefan Wolf

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