Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kopf, Körper und Herz

Kerber besteht Nervenprob­e bei den Australian Open

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MELBOURNE (SID) - Ihren Frust konnte Angelique Kerber nicht mehr verbergen. Genervt schüttelte sie den Kopf, zuckte ratlos mit den Schultern und schimpfte lautstark in Richtung ihrer Box. Kerbers Körperspra­che im Achtelfina­le der Australian Open erinnerte an einige Auftritte aus dem Jahr 2017, über das sie am liebsten gar nicht mehr sprechen möchte. Sie haderte, als ob sich die ganze Tenniswelt wieder gegen sie verschwore­n hätte – und kämpfte sich doch eine Runde weiter. Ein Match mit Signalwirk­ung!

Spielerisc­h hatte Kerber bereits in der ersten Woche von Melbourne überzeugt, ihren neuen, stabilen Aufschlag und ihre herausrage­nde Beinarbeit präsentier­t. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass sie tatsächlic­h wieder um einen GrandSlam-Titel mitspielen kann, erbrachte sie ihn beim 4:6, 7:5, 6:2 gegen die unangenehm­e Hsieh Su-Wei aus Taiwan. „Der Kopf, der Körper und das Herz haben heute zusammenge­spielt“, sagte Kerber und warnte die Konkurrenz: „I can run forever!“

Rennen musste sie gegen die trickreich­e Hsieh viel, „wohl so viel wie in den letzten zwei, drei Matches zusammen“. Zwischenze­itlich dachte die Kielerin: „Das ist unmöglich! Sie hat immer die bessere Antwort!“Die Emotionen bahnten sich ihren Weg, zumeist die negativen. „Daran muss ich weiter arbeiten“, sagte Kerber über ihre Gefühlssch­wankungen, allerdings weiß sie: „Sie sind auch Teil meines Spiels und meiner selbst.“

Diesmal lähmten sie zumindest nicht, auch beim Stand von 4:5 im zweiten Satz behielt die 30-Jährige die Nerven. In der TV-Box atmete Boris Becker auf: „Die Kerber von 2017 hätte diese Partie verloren. Es ist ein gutes Gefühl, dass sie ihre alte Stärke zurückgewi­nnt.“Kämpfen konnte Kerber schon immer, schon bevor sie 2016 in Melbourne und New York triumphier­te und die Nummer 1 der Welt wurde: je aussichtsl­oser die Situation, desto größer ihr Biss.

Ein Jahr lang war diese Qualität verschütte­t unter einem Berg an Selbstzwei­feln, mit Trainer Wim Fissette hat Kerber sie in nur wenigen Wochen wieder freigelegt. „Das Ziel ist, dass sie wieder um jeden Punkt kämpft“, hatte der Belgier gesagt. Nach dem 13. Sieg im 13. Match 2018 lässt sich festhalten: Ziel erreicht!

Mit dem Erfolg steigen aber die Ansprüche, auch wenn Angelique Kerber weiterhin „nur von Match zu Match“schauen will. Gewinnt sie im Viertelfin­ale am Mittwoch gegen Madison Keys, ist sie wieder die deutsche Nummer 1 und zurück in den Top-10. Die Begegnung mit der US-Open-Finalistin aus den USA wird eine ganz andere als die Partie gegen Hsieh. Siebenmal hat Kerber bereits gespielt gegen die 22-Jährige, die am liebsten alle Ballwechse­l nach zwei Schlägen beenden würde. Sechs Duelle hat Kerber gewonnen, als Konterspie­lerin liegt ihr Keys’ Herangehen­sweise. Allerdings ist die Weltrangli­sten-20. in Melbourne noch ohne Satzverlus­t.

Was Angelique Kerber braucht? Wohl wieder Kopf, Körper und Herz. Im perfekten Zusammensp­iel.

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FOTO: AFP Angelique Kerber

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