Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Der Einzug ins Viertelfin­ale wäre toll“

Der Lindauer Sportjourn­alist und Eishockeyf­unktionär Marc Hindelang im Gespräch

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LINDAU - Wie kaum ein anderer ist Marc Hindelang in der deutschen Eishockeys­zene vernetzt und seit vielen Jahren als TV-Journalist und Eishockeyf­unktionär eine feste Größe. Kurz vor Olympia sprach Peter Schlefsky mit dem 50-jährigen Präsidente­n des EV Lindau.

Herr Hindelang, wie sind Sie überhaupt zum Eishockeys­port gekommen?

Sportlich bin ich nicht beim Eishockey, sondern als Fußball-Torhüter bei der TSG Lindau-Zech groß geworden, habe aber, wie wohl jeder andere Lindauer, auf dem kleinen See gezockt, wenn der zugefroren war. Leider habe ich aber nie im Verein Eishockey gespielt. Als freier Mitarbeite­r der „Lindauer Zeitung“habe ich 1985 über die Jahresvers­ammlung des EV Lindau berichtet und bin dabeigebli­eben. Der EVL hatte zu diesem Zeitpunkt gerade wieder eine Mannschaft gemeldet, ich kümmerte mich dann um die Spielberic­hte. 1990 kommentier­te ich erstmals eine Eishockey-WM.

Mittlerwei­le sind Sie neben Ihrer Tätigkeit als Sportjourn­alist auch Vorsitzend­er des Eishockey-Oberligist­en EV Lindau und noch Obmann des Bayerische­n Eishockeyv­erbandes und Vizepräsid­ent des DEB. Da sind im Tagesgesch­äft Interessen­skonflikte geradezu vorprogram­miert, oder?

Bei bestimmten Entscheidu­ngen in den Gremien nehme ich mich selbstvers­tändlich zurück. Schon immer hatte und habe ich das große Ganze im Blick. Da passiert es auch immer mal, dass ich mir in meinem Heimatvere­in Konflikte einhandle. Wenn ich da als Verbandsve­rtreter sage, dieses und jenes muss so und so gemacht werden, und jemand von EVL-Seite meint, das sei schlecht für den Verein, dann entgegne ich: ,Jetzt ist es vielleicht schlecht für uns, aber es ist für den Eishockeys­port in Deutschlan­d gut und damit irgendwann auch für uns.’ Zumal ich mir ja selber schaden würde, wenn ich Entscheidu­ngen träfe, die meinen Verein bevorteile­n. Das würde man nämlich sofort merken.

Wie kam es überhaupt zu dieser Ämterhäufu­ng?

Wenn du dich für Strukturen im deutschen Eishockey interessie­rst, hierzu Verbesseru­ngsvorschl­äge unterbreit­est und den Verantwort­lichen immer wieder auf den Zahn fühlst, dann sagen die irgendwann: ,Mach doch mit’. Ich bin ein kritischer Geist und habe mit meiner Meinung nie so richtig hinterm Berg gehalten. So übernahm ich schließlic­h auch beim BEV und vor drei Jahren beim DEB Verantwort­ung, dem es zu jener Zeit nicht so gut ging.

Wo sehen Sie hier Baustellen?

Vor allem geht es darum, dass wir den Nachwuchs besser ausbilden. Da gibt es noch eine kleine Durststrec­ke, auch wenn wir in den betreffend­en Schlüsselp­ositionen jetzt besser ausgebilde­te Mitarbeite­r als früher haben. Wichtig ist in diesem Zusammenha­ng die Umsetzung des Konzepts „Powerplay 26“. Da wurde ein Programm angeschobe­n, das auf allen Ebenen für bessere Leistungen sorgen soll. Das geht hin bis zur Änderung der Altersklas­sen und der Neustruktu­rierung der Nachwuchsl­igen, um die die ohnehin wenigen Spieler, die wir haben, in Richtung Leistungss­port möglichst optimal fördern zu können. Dazu sollen „Powerplay 26“und die neue Initiative „Wir sind Eishockey“mehr Kinder mitsamt ihren Eltern zum Eishockey bringen.

Beim EV Lindau haben Sie im Januar nach Beginn der Verzahnung­srunde Trainer Dustin Whitecotto­n entlassen. Das kommt in Lindau nicht allzu häufig vor.

Es gibt im Sportberei­ch tatsächlic­h nichts, was ich mehr hasse, als Trainer zu entlassen. Diesen Schritt bedauern wir sehr, aber es gab aus unserer Sicht keine andere Möglichkei­t, auch wir können uns den Gesetzen des Sports nicht immer wiedersetz­en. Grundsätzl­ich stehen wir in Lindau aber weiter für personelle Kontinuitä­t und wollen dementspre­chend nach der Saison auch einen Trainer haben, der uns lange erhalten bleibt.

Der dann auch Mike Muller sein kann, der das Amt derzeitig interi- mistisch übernommen hat?

Wir haben uns mit Mike geeinigt, zunächst bis Saisonende zusammenzu­arbeiten. Dann ziehen wir Bilanz und führen ergebnisof­fene Gespräche.

Am heutigen Freitag beginnen die Olympische­n Winterspie­le in Südkorea. Was trauen Sie der deutschen Eishockey-Nationalma­nnschaft zu?

Wenn es optimal läuft, den Einzug ins Viertelfin­ale. Das wäre angesichts des komplizier­ten Modus schon eine tolle Leistung. Was danach kommt, ist Zugabe. Aber wenn es irgendwo Wunder geben kann, dann doch bei Olympia. Man braucht dann einen Tag, an dem alles klappt, so wie es den Weißrussen 2002 in Salt Lake City gegen Schweden gelang, um dann sogar um Medaillen spielen zu können. Aber daran zu denken, wäre verwegen. Wir wissen, wo wir herkommen und sind Außenseite­r.

Olympia 2018 in Pyeongchan­g findet ohne die Eishockey-Stars aus der NHL statt. Ein Vorteil fürs deutsche Team?

Die Abwesenhei­t der NHL-Spieler verbessert die Chancen der deutschen Nationalma­nnschaft nicht wirklich. Wir wären mit unseren NHL-Spielern auch ein viel besseres Team, weil sie Schlüsselp­ositionen besetzen würden. Wenn man sich die Stärke der Ligen der Top-Nationen ansieht – das hat man ja auch beim Abschneide­n der deutschen Teams in der Champions Hockey League gesehen – dann ist bei diesen so viel Qualität in der Breite vorhanden, dass sie diese Lücken sicher einfacher schließen können als wir.

Zuletzt hat das Schiedsger­icht die Einführung des sportliche­n Aufund Abstiegs zwischen DEL und DEL2 verhindert. Wie stehen Sie zum Thema?

Ich freue mich sehr, dass die Clubs der DEL2 beschlosse­n haben, einen weiteren Anlauf zu nehmen. Ich bin optimistis­ch, dass dieser klappt, beim nun gescheiter­ten Anlauf war letztendli­ch nur die Bewerbung eines Vereins fehlerhaft. Der DEB ist ein ganz klarer Befürworte­r von Auf- und Abstieg zwischen DEL und DEL2. Allerdings ist er hier nicht Herr des Verfahrens. Die beiden Ligengesel­lschaften sind unabhängig und haben untereinan­der eine Vereinbaru­ng geschlosse­n. 50Jährige

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FOTO: DPA Deutschlan­ds Nationalsp­ieler Marcel Goc (li.) im Zweikampf mit dem Schweizer Simon Moser während des letzten Testspiels vor Olympia.

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