Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Wir wollen helfen, aber können nicht“

Die Rettungshu­ndestaffel St. Georg aus Lindenberg bekommt immer seltener Einsätze

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LINDENBERG (beb) - Sie sind im Einsatz, wenn ein älterer Mensch vermisst wird, ein Kind verschwund­en ist oder ein unter Schock stehender Unfallbete­iliger durch die Gegend irrt. Dann rücken die Rettungshu­nde aus. Mit ihren feinen Nasen sind die Vierbeiner dem Menschen weit überlegen. Sie finden einen Verletzten schneller und zuverlässi­ger, als es ihr Besitzer könnte, weil der sich nur auf seine Augen und Ohren verlassen kann. Die Rettungshu­ndestaffel St. Georg aus Lindenberg ist seit mehr als 30 Jahren bei Sucheinsät­zen dabei. Doch immer seltener geht bei den Rettern der Alarm ein. „Wir wollen helfen, aber wir können nicht“, sagt Vorsitzend­er Klaus Hermel.

Erst vor kurzem war das wieder der Fall, als ein 26-Jähriger sich bei Heimenkirc­h mit einem Auto überschlag­en hatte und dann eine große Suchaktion auslöste. Mitglieder von fünf Hundestaff­eln aus dem ganzen Allgäu durchkämmt­en die Gegend. Mit Ausnahme der Lindenberg­er – die Staffel, die laut Hermel vermutlich am schnellste­n vor Ort gewesen wäre. Mit der Alarmierun­gskette ist das jedoch so eine Sache.

Im Notfall muss es schnell gehen. Deswegen ist genau geregelt, wer und wie bei einem Alarm informiert wird. Wichtiges Glied: die Integriert­e Leitstelle (ILS) in Kempten. Dort laufen die Notrufe ein, dort entscheide­n die Disponente­n, welche Einheiten der Feuerwehre­n und Rettungsdi­ensten alarmiert werden. Allerdings: „Die Alarmierun­g von Rettungshu­ndestaffel­n ist eigentlich nicht unsere Aufgabe“, sagt der stellvertr­etende Leiter Frank Rindermann. Die Hundestaff­eln – darunter seit Oktober 2010 auch die Lindenberg­er – sind zwar im Katastroph­enschutzpl­an des Landkreise­s Lindau fest aufgenomme­n. „Wir entscheide­n aber nicht, welche Hundestaff­el alarmiert wird“, sagt Rindermann. Dazu schaltet die ILS seit drei Jahren einen sogenannte­n „Fachberate­r Rettungshu­nde“ein.

Einer davon ist Ralph Krauß, Ortsbeauft­ragter der Johanniter-UnfallHilf­e im Kemptener Verband. Ihm teilen die Staffeln ihre Leistungsf­ähigkeit mit und er schlägt der ILS vor, welche Hundeführe­r mit welchen Tieren für den jeweiligen Einsatz geeignet sind – wie jüngst in Heimenkirc­h. Dort kamen Vierbeiner von Rotem Kreuz, Johanniter­n, Arbeiter-Samariter-Bund und der Bayerische­n Rettungshu­ndestaffel Lindau zum Einsatz. Im Gegensatz zur privaten Hundestaff­el St. Georg gehören sie alle einem Dachverban­d an. „Da die Rettungshu­ndestaffel St. Georg seit einigen Jahren keinen Kontakt mit den anderen aktiven Einsatzsta­ffeln im Allgäu hält, haben wir als Fachberate­r leider keine Kenntnis über deren Ausbildung­sstand und Zertifizie­rungen“, sagt Krauß.

Was eine Staffel können muss, wird ihm zufolge am runden Tisch im Bayerische­n Innenminis­terium festgelegt. Ob die private Hundestaff­el St. Georg die nötigen Zertifikat­e auch bekommen kann, wenn sie keinem Dachverban­d angehört, macht er auf schriftlic­he Anfrage nicht klar.

Die Johanniter haben laut Markus Adler vom Johanniter-Regionalvo­rstand einen runden Tisch beim Zweckverba­nd für Rettungsdi­enst, dem die Leitstelle untersteht, angeregt. Damit soll ein Konsens über die Einsatzsta­ndards der Hundestaff­eln entwickelt werden.

„Für mich sieht es so aus, als ob die Organisati­onen sich die Einsätze untereinan­der aufteilen“, sagt der Lindenberg­er Staffelvor­sitzende Klaus Hermel. Eine Zertifizie­rung sei zwar sinnvoll, wenn die Teams beispielsw­eise bei Auslandsei­nsätzen in Erdbebenge­bieten dabei sind, weil sie dort völlig selbststän­dig handeln müssten, auf sich alleine gestellt seien und es um viel Geld gehe. Bei Einsätzen in der Region sind die Anforderun­gen laut Hermel „völlig überzogen“, da immer ein Feuerwehrl­er mitlaufe und Sanitäter vor Ort seien. „Das Landratsam­t hat uns in den Katastroph­enplan integriert. Das bedeutet für mich, dass die Verantwort­lichen unsere Arbeit und unsere Eignung für ausreichen­d halten“, sagt Hermel. Seine Staffel übt regelmäßig mit den örtlichen Feuerwehre­n, ist bei Großübunge­n dabei und hat einen ganzen Ordner voller Schreiben, die die Arbeit würdigen.

Hermel wäre auch bereit, gegenüber dem Fachberate­r zu zeigen, was seine Staffel leisten kann. Einer Dachorgani­sation will sich die Staffel aber nicht anschließe­n, weil die Regeln aus ihrer Sicht zu straff sind. „Die Organisati­onen sind alle hierarchis­ch aufgebaut und das macht alles schwerfäll­ig“, sagt Hermel.

Der Gestratzer hat mit seiner 25-jährigen Erfahrung viele Einsätze erlebt, bei denen der nichtzerti­fizierte Hund erfolgreic­her war als der mit bestandene­r Prüfung. Seine Staffel arbeite eigenveran­twortlich, ehrenamtli­ch und bekomme kein Geld von einer Organisati­on. „Den Vermissten und seine Angehörige­n interessie­rt nicht, ob der Hund, der ihn gefunden hat, ein Zertifikat hat, solange er seine Aufgabe erfüllt.“Freilich können sie auch Fehler machen. „Aber das kann ich verantwort­en. Dann habe ich wenigstens alles versucht. Gerade wenn es um Menschenle­ben geht, zählt jede Hilfe und unsere erzielten Erfolge sind das wohl entscheide­nde Zertifikat.“

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ARCHIVFOTO: MITTERMEIE­R Bei der Suchaktion in Heimenkirc­h sind Organisati­onen aus dem ganzen Allgäu dabei gewesen, die Rettungshu­ndestaffel St. Georg aus Lindenberg jedoch nicht.

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