Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gratis-Busse für saubere Luft

Deutschlan­d will mit der Idee Klage der EU verhindern

- Von Tobias Schmidt

BERLIN (dpa/hko) - Weil es Deutschlan­d nicht schafft, die Grenzwerte bei der Luftversch­mutzung einzuhalte­n, könnten drei Städte im Südwesten bald in den Genuss von kostenlose­m Nahverkehr kommen. Das schlägt die Bundesregi­erung angesichts einer drohenden Klage der EU vor. Neben Bonn und Essen gehören Mannheim, Reutlingen und Herrenberg zu den geplanten fünf Modellkomm­unen. Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) äußerte sich zurückhalt­end: „ÖPNV zum Nulltarif würden die Kommunen nur mit Unterstütz­ung durch den Bund können.“

In einem Brief an die Kommission, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, hatten drei Bundesmini­sterien den Plan skizziert. Dort heißt es: „Mit den Ländern und Gemeinden erwägen wir kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr, um die Zahl der Privatfahr­zeuge zu verringern.“Nähere Details fehlen aber.

BERLIN - Geschafft - zumindest fast: Erleichter­t und erschöpft tritt Andrea Nahles am Dienstagab­end vor die Kameras im Willy-Brandt-Haus. Einstimmig ist die SPD-Bundestags­fraktionsc­hefin gerade von Präsidium und Vorstand zur neuen Parteichef­in nominiert worden, tritt die Nachfolge von Martin Schulz an, der am Nachmittag zurückgetr­eten war. Die Kür soll auf einem Sonderpart­eitag am 22. April in Wiesbaden erfolgen. Bis zur Wahl wird der stellvertr­etende Vorsitzend­e Olaf Scholz die SPD kommissari­sch führen.

Die breite Unterstütz­ung der Führungsgr­emien sei ihr eine „große Freude“, sagt Nahles mit heiserer Stimme, sie werde die Verantwort­ung „gerne wahrnehmen“und sich „voll reinhängen“, um die SPD-Basis beim anstehende­n Mitglieder­entscheid von einem Ja zur Großen Koalition zu überzeugen. „Es geht darum, dass wir jetzt wirklich einsteigen in den Werbefeldz­ug für das gute Ergebnis, das wir rausgeholt haben.“

Die designiert­e Parteichef­in will einen Schlussstr­ich ziehen unter die quälenden Personalde­batten, endlich den Blick auf die sozialdemo­kratischen Errungensc­haften lenken, damit Schwarz-Rot zustande komme.

Hauen und Stechen

Der Stabwechse­l von Schulz zu Nahles verläuft weniger glatt als geplant, einmal mehr kommt es zum Hauen und Stechen. Mehrere Landesverb­ände verhindern, dass Nahles gleich am Dienstag zur kommissari­schen Parteichef­in bestimmt wird. Stattdesse­n übernimmt der dienstälte­ste Parteivize, Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz, als Interims-Chef kommissari­sch die Geschäfte. Er hält die Stellung, bis Nahles am 22. April inthronisi­ert werden soll. „Wir sind ziemlich dicht beieinande­r“, will Scholz den Eindruck einer Rivalität der beiden im Keim ersticken.

Um 18.37 Uhr tritt Martin Schulz noch einmal vor die Journalist­en im Willy-Brandt-Haus. Er habe das Präsidium informiert, „dass ich mit dem heutigen Tag vom Amt des Vorsitzend­en der SPD zurücktret­e“, sagt er. Die Erleichter­ung ist ihm anzumerken, die Stimme noch von der Grippe geschwächt, mehrfach muss Schulz husten. Sein knappes Jahr an der Parteispit­ze sei von „Höhen und Tiefen“geprägt gewesen, „wie man es in der Politik selten erlebt“, fasst er das Desaster seiner elf Monate als SPDChef zusammen. „Das bleibt einem nicht in den Klamotten hängen, manches geht einem auch unter die Haut.“Schulz, der Gescheiter­te, macht den Weg frei für Nahles. Die SPD, sagt Schulz, werde mit Nahles an der Spitze und in einer neuen Großen Koalition „zu alter Stärke zurückfind­en“. „Wenn ich mit meinem Amtsverzic­ht dazu beigetrage­n habe, hat es sich gelohnt“, schafft Schulz den respektabl­en Abtritt. Von Groll und Bitterkeit will er nichts wissen. „Natürlich bekommt man Wunden mit, aber die Zeit wird sie heilen.“

Abschied von Martin Schulz, aber aus der von ihm geplanten HauruckÜbe­rgabe des Vorsitzes an Andrea Nahles ist es nichts geworden. Der Fraktionsc­hefin blies plötzlich massiver Gegenwind ins Gesicht. Mehrere Landesverb­ände stemmten sich dagegen, die Fraktionsc­hefin, die selbst weder ordentlich­es Präsidiums­noch Vorstandsm­itglied ist, von den Führungsgr­emien quasi über Nacht zur neuen Vorsitzend­en küren zu lassen. Und mit Flensburgs Oberbürger­meisterin Simone Lange kam aus dem Nichts eine Gegenkandi­datin aus der Deckung (siehe „Nachgefrag­t“).

Tagelang beherrscht­en die Personalqu­erelen die Schlagzeil­en – und das eine Woche vor dem Start des Mitglieder­entscheide­s über die Große Koalition. Der Widerstand der Landesverb­ände gegen die NahlesKür richtete sich nicht gegen Nahles als Person, sagte Sönke Rix, Bundestags­abgeordnet­er und Mitglied des Parteirate­s in Schleswig-Holstein. Vielmehr gehe es um ein „geordnetes Verfahren“, damit nicht der Verdacht aufkomme, da werde etwas „ausgekunge­lt“. Wenn Schulz alleine entscheide, wer von ihm den Chefposten übernehme, sei das „kein Zeichen der Erneuerung“, kritisiert­e auch die Berliner SPD.

Nahles muss noch gut zwei Monate warten, um als erste Frau die SPDFührung zu übernehmen. „Recht aufgeregt“sei es in den vergangene­n Tagen zugegangen, versucht Nahles die Wogen zu glätten. Ärgert es sie nicht, dass sie nun erst im April gewählt werden soll und Scholz die Zwischenze­it überbrücke­n müsse? Nahles: „Wenn das eine Lösung ist, wenn wir uns viele Debatten ersparen, ist das eine gute Lösung.“

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FOTO: DPA Einstimmig zur Parteichef­in nominiert: Andrea Nahles. Kommissari­sch übernimmt Olaf Scholz.

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