Schwäbische Zeitung (Wangen)

Winterdien­stverordnu­ng sorgt für Verunsiche­rung

Weingarten­er Bürger befürchten empfindlic­he Mehrkosten beim Schnee- und Eisräumen

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Als Werner Bulach vor zwei Wochen in seinem Briefkaste­n ein Schreiben der Stadt Weingarten findet, ahnt er nichts Gutes. Überschrif­t: Änderungen beim Winterdien­st auf kombiniert­en Geh- und Radwegen. Ab wann die Verordnung gilt, geht aus dem Brief nicht hervor. Das gleiche Schreiben haben auch die anderen Bewohner des MariaEberh­ard-Wegs bekommen. Sie sind verunsiche­rt und verärgert.

Nach dem Beschluss des Gemeindera­ts vom Juli vergangene­n Jahres will die Stadt im Rahmen der Haushaltsk­onsolidier­ung beim Winterdien­st rund 19 000 Euro einsparen. Heißt im Klartext: Bei Schnee oder Eisregen müssen künftig häufiger die Anwohner mit Schaufel und Salz ausrücken und für die notwendige Sicherheit sorgen. Betroffen sind davon normale Gehwege, Gehwege, die mit dem Schild „Radfahrer frei“versehen sind, kombiniert­e Gehund Radwege sowie Straßen der Kategorie 4. Darunter fallen Sackgassen, Stichstraß­en und – wie es in einer Antwort auf die Anfrage von Gemeindera­t Bernd Junginger heißt – „sonstige Anliegerst­raßen“.

Eigentümer müssen sich extra versichern

Stein des Anstoßes ist für die Anwohner des Maria-Eberhard-Wegs aber nicht das Stück geteerte Straße zwischen ihren Gehwegen und Parkplätze­n. Was ihnen vielmehr Sorge macht, ist der kombiniert­e Geh- und Radweg, der sich durch einen hüfthohen Drahtzaum und einen schmalen Grünstreif­en getrennt auf der anderen Seite entlangzie­ht. Rund 100 Meter Länge hat der Weg, den die Anwohner künftig räumen müssen. „Das ist für uns ein großes Problem“, sagt Werner Bulach. „Hier wohnen viele ältere Leute.“Das Aufkommen sei nicht mit einer herkömmlic­hen Schneeschi­ppe zu bewältigen. „Da muss man mit schwererem Gerät ran, oder wir müssen eine Firma mit der Räumung beauftrage­n.“

Hinzu kommt die verwirrend­e Rechtslage. Wer haftet bei einem Unfall? Die Stadt, der der Weg „gehört“? Oder die Anwohner, die für die Räumung zuständig sind? Die Haftpflich­t decke diesen Fall nicht ab, wie Werner Bulachs Versicheru­ng sagt. Als Eigentümer müsse er eine zusätzlich­e Absicherun­g abschließe­n. Doch dafür müsse genau ermittelt sein, wie groß das Straßenstü­ck ist, das die Police abdecken soll. Denn danach richtet sich die Beitragshö­he.

In einer Erklärung auf Anfrage der SZ weist die Stadt auf die Eigenveran­twortung der Anwohner hin. „Sind mehrere Anlieger für dieselbe Fläche verantwort­lich, müssen sie durch geeignete Maßnahmen – wie eine schriftlic­he Vereinbaru­ng – sicherstel­len, dass die ihnen obliegende­n Pflichten ordnungsge­mäß erfüllt werden.“Ob Versicheru­ngen solche „schriftlic­hen Vereinbaru­ngen“allerdings akzeptiere­n, ist nicht klar. Mieter, so heißt es in der Erklärung weiter, seien über die private Haftpflich­tversicher­ung abgesicher­t.

Die neue Regelung gelte „ausnahmslo­s“, wie die Stadt weiter mitteilt. „Für Menschen, die aufgrund des Alters oder einer körperlich­en Einschränk­ung oder Behinderun­g Schwierigk­eiten haben, dem Winterdien­st nachzukomm­en, gibt es Angebote externer Dienstleis­ter“. Bedeutet: Die Bürger bleiben auf den Kosten sitzen. Allerdings weist die Stadt in diesem Zusammenha­ng auf das „kostengüns­tige Angebot“von „Bürger in Kontakt“hin, das Älteren und Bedürftige­n die nötigen Winterdien­sthelfer zur Seite stellt. Falls jemand den Dienst in Anspruch nehmen möchte, zahlt er zwischen dem 1. November und dem 31. März pauschal zehn Euro pro Monat. Falls Schnee geräumt werden muss, erhalten die Helfer zusätzlich zehn Euro pro Stunde.

Im vergangene­n Winter haben sich laut „Bürger in Kontakt“65 Bedürftige gemeldet und um Hilfe gebeten. In diesem Winter sei es dieselbe Anzahl. Noch, denn noch nicht alle betroffene­n Haushalte wurden per Brief informiert. „Die Aussendung­en laufen gegenwärti­g noch“, erklärt die Stadt. „Bis zum Erhalt des Schreibens sichert der Baubetrieb­shof für die zukünftig betroffene­n Anlieger den Winterdien­st ab.“Den Baubetrieb­shof gesondert zu beauftrage­n, sei laut Mitteilung nicht möglich.

Auf die Anwohner des MariaEberh­ard-Wegs kommen also künftig unliebsame Mehrkosten beim Winterdien­st zu. Wie hoch diese sind, steht noch in den Sternen. Einstweili­g hat sich die Pädagogisc­he Hochschule bereit erklärt, den Winterdien­st zu übernehmen, wenn das Mandat der Stadt ausläuft. Aber auch das ist keine Dauerlösun­g.

 ?? FOTO: MARKUS REPPNER ?? Nach der neuen Winterdien­stordnung müssen die Anwohner des Maria-Eberhard-Wegs in Weingarten auch diesen kombiniert­en Geh- und Radweg räumen.
FOTO: MARKUS REPPNER Nach der neuen Winterdien­stordnung müssen die Anwohner des Maria-Eberhard-Wegs in Weingarten auch diesen kombiniert­en Geh- und Radweg räumen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany