Winterdienstverordnung sorgt für Verunsicherung
Weingartener Bürger befürchten empfindliche Mehrkosten beim Schnee- und Eisräumen
WEINGARTEN - Als Werner Bulach vor zwei Wochen in seinem Briefkasten ein Schreiben der Stadt Weingarten findet, ahnt er nichts Gutes. Überschrift: Änderungen beim Winterdienst auf kombinierten Geh- und Radwegen. Ab wann die Verordnung gilt, geht aus dem Brief nicht hervor. Das gleiche Schreiben haben auch die anderen Bewohner des MariaEberhard-Wegs bekommen. Sie sind verunsichert und verärgert.
Nach dem Beschluss des Gemeinderats vom Juli vergangenen Jahres will die Stadt im Rahmen der Haushaltskonsolidierung beim Winterdienst rund 19 000 Euro einsparen. Heißt im Klartext: Bei Schnee oder Eisregen müssen künftig häufiger die Anwohner mit Schaufel und Salz ausrücken und für die notwendige Sicherheit sorgen. Betroffen sind davon normale Gehwege, Gehwege, die mit dem Schild „Radfahrer frei“versehen sind, kombinierte Gehund Radwege sowie Straßen der Kategorie 4. Darunter fallen Sackgassen, Stichstraßen und – wie es in einer Antwort auf die Anfrage von Gemeinderat Bernd Junginger heißt – „sonstige Anliegerstraßen“.
Eigentümer müssen sich extra versichern
Stein des Anstoßes ist für die Anwohner des Maria-Eberhard-Wegs aber nicht das Stück geteerte Straße zwischen ihren Gehwegen und Parkplätzen. Was ihnen vielmehr Sorge macht, ist der kombinierte Geh- und Radweg, der sich durch einen hüfthohen Drahtzaum und einen schmalen Grünstreifen getrennt auf der anderen Seite entlangzieht. Rund 100 Meter Länge hat der Weg, den die Anwohner künftig räumen müssen. „Das ist für uns ein großes Problem“, sagt Werner Bulach. „Hier wohnen viele ältere Leute.“Das Aufkommen sei nicht mit einer herkömmlichen Schneeschippe zu bewältigen. „Da muss man mit schwererem Gerät ran, oder wir müssen eine Firma mit der Räumung beauftragen.“
Hinzu kommt die verwirrende Rechtslage. Wer haftet bei einem Unfall? Die Stadt, der der Weg „gehört“? Oder die Anwohner, die für die Räumung zuständig sind? Die Haftpflicht decke diesen Fall nicht ab, wie Werner Bulachs Versicherung sagt. Als Eigentümer müsse er eine zusätzliche Absicherung abschließen. Doch dafür müsse genau ermittelt sein, wie groß das Straßenstück ist, das die Police abdecken soll. Denn danach richtet sich die Beitragshöhe.
In einer Erklärung auf Anfrage der SZ weist die Stadt auf die Eigenverantwortung der Anwohner hin. „Sind mehrere Anlieger für dieselbe Fläche verantwortlich, müssen sie durch geeignete Maßnahmen – wie eine schriftliche Vereinbarung – sicherstellen, dass die ihnen obliegenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt werden.“Ob Versicherungen solche „schriftlichen Vereinbarungen“allerdings akzeptieren, ist nicht klar. Mieter, so heißt es in der Erklärung weiter, seien über die private Haftpflichtversicherung abgesichert.
Die neue Regelung gelte „ausnahmslos“, wie die Stadt weiter mitteilt. „Für Menschen, die aufgrund des Alters oder einer körperlichen Einschränkung oder Behinderung Schwierigkeiten haben, dem Winterdienst nachzukommen, gibt es Angebote externer Dienstleister“. Bedeutet: Die Bürger bleiben auf den Kosten sitzen. Allerdings weist die Stadt in diesem Zusammenhang auf das „kostengünstige Angebot“von „Bürger in Kontakt“hin, das Älteren und Bedürftigen die nötigen Winterdiensthelfer zur Seite stellt. Falls jemand den Dienst in Anspruch nehmen möchte, zahlt er zwischen dem 1. November und dem 31. März pauschal zehn Euro pro Monat. Falls Schnee geräumt werden muss, erhalten die Helfer zusätzlich zehn Euro pro Stunde.
Im vergangenen Winter haben sich laut „Bürger in Kontakt“65 Bedürftige gemeldet und um Hilfe gebeten. In diesem Winter sei es dieselbe Anzahl. Noch, denn noch nicht alle betroffenen Haushalte wurden per Brief informiert. „Die Aussendungen laufen gegenwärtig noch“, erklärt die Stadt. „Bis zum Erhalt des Schreibens sichert der Baubetriebshof für die zukünftig betroffenen Anlieger den Winterdienst ab.“Den Baubetriebshof gesondert zu beauftragen, sei laut Mitteilung nicht möglich.
Auf die Anwohner des MariaEberhard-Wegs kommen also künftig unliebsame Mehrkosten beim Winterdienst zu. Wie hoch diese sind, steht noch in den Sternen. Einstweilig hat sich die Pädagogische Hochschule bereit erklärt, den Winterdienst zu übernehmen, wenn das Mandat der Stadt ausläuft. Aber auch das ist keine Dauerlösung.