Nach Ernteausfall kommt die Gerichtsvollzieherin
Der Berger Kirschbauer Albert Blaser bangt nach dem Frostschaden 2017 um die Existenz
BERG - Das kann doch wohl nicht wahr sein! Das war der erste Gedanke von Albert Blaser, als er den Brief der Gerichtsvollzieherin in den Händen hielt. Der Kirschbauer aus der Gemeinde Berg hat seinen Beitrag für die Berufsgenossenschaft im vergangenen Jahr nicht zahlen können, weil er zum zweiten Mal in Folge keine Kirschenernte einfahren konnte. Laut seinen Erzählungen fehlen ihm durch den Frost 250 000 Euro an Einnahmen, was ihn an den Rand der Existenz gebracht hat. Und dann noch die Gerichtsvollzieherin? Blaser kann es nicht fassen.
Wenn der 52-jährige Familienvater durch seine Obstplantagen geht, dann blickt er hoffnungsvoll auf die viele Knospen, die schon überall auf den Ästen zu sehen sind. Sie sollen in diesem Jahr kräftig blühen und viele Kirschen bringen. Das hofft er. Es ist ein bisschen wie ein Glücksspiel, das Wetter, von dem Blasers Einkommen abhängt. Denn vor einem Jahr hat ihm genau das Wetter einen Totalausfall der Einnahmen beschert. Im Jahr davor, erfroren 90 Prozent, sagt er.
Die Frostnächte im April 2017 hat die Landesregierung als Naturkatastrophe eingestuft. Im Mai hat BadenWürttembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) bei einem Besuch in Bavendorf bei Ravensburg die Unterstützung der betroffenen Obstbauern zugesagt. Sie sollen laut Hauk eine Teilentschädigung Anfang dieses Jahres bekommen. Laut Auskünften des Landwirtschaftsministeriums laufen die Auszahlungen dieser sogenannten Frosthilfe in diesen Tagen an. Am Donnerstag, 15. Februar, will das Ministerium Weiteres bekanntgeben.
Und um genau diese Frosthilfe geht es in der Geschichte von Albert Blaser, auf die er so sehr hofft und wartet, weil sie ihn ein Stück weit aus seiner Misere holen soll. Denn die ausgefallenen Einnahmen haben ihn in Schwierigkeiten gebracht. Seine einzige Geldquelle ist der Verkauf seiner Kirschen. Im Jahr 2000 habe er mit dem Apfelanbau aufgehört, weil die Preise in den Keller gegangen sind. Seine Frau ist arbeitssuchend, wie er sagt. Seine zwei Töchter gehen in den Kindergarten und in die Grundschule. Mittlerweile pflegt er seine Mutter mit Alzheimer (Pflegegrad 4) selbst. „Das bringt mir wenigstens 750 Euro Pflegegeld. Das ist aber ein Vollzeitjob, der mich komplett in Anspruch nimmt“, erzählt er. Für die vierköpfige Familie sind die 750 Euro allerdings zu wenig.
Das sei auch der Grund, warum er den Jahresbeitrag von 471,52 Euro für die Berufsgenossenschaft an die „Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau“(SVLFG) nicht habe bezahlen können. „Besonders ärgert mich, dass ich extra im November bei der Sozialversicherung angerufen habe und sie informiert habe, dass ich erst bezahlen kann, wenn ich die Frosthilfe bekommen habe. Ich habe gesagt, dass es mindestens Januar wird. Mir wurde von der Versicherung am Telefon zugesagt, dass ich mir keine Sorgen machen muss wegen eines Haftbefehls, und dann kam doch der zweite Brief im Januar“, sagt er.
Gefängnis angedroht
Das Schreiben der Gerichtsvollzieherin, das der SZ vorliegt, ist auf den 5. Januar datiert. Besonders erschreckt ihn ein Satz im Brief: Wenn er nicht zu einem festgesetzten Termin erscheint und keine Zahlung erfolgt, werde er verhaftet und müsse eventuell ins Gefängnis. Was Blaser so ärgert, ist, dass ihm Gefängnis angedroht wird, obwohl ihm am Telefon zugesagt worden sei, dass er sich keine Sorgen wegen eines Haftbefehls machen müsse. Allerdings erschwert die Sache, dass Blaser zuvor schon mal einen Termin zur Vermögensauskunft bei der Gerichtsvollzieherin versäumt hat, der im November gewesen wäre. Laut den Darstellungen Blasers habe er seine Mutter gepflegt und den Termin deswegen verschwitzt. „Aber auch hier habe ich angerufen und Bescheid gegeben“, erzählt er.
Bei der SVLFG heißt es auf Nachfrage der SZ: „Sofern der SVLFG wesentliche Einnahmeverluste durch Ernteausfälle konkret und begründet
Albert Blaser über den Brief
vorgetragen werden, nimmt die SVLFG in jedem Einzelfall eine Prüfung im Hinblick auf eine Stundung (Zahlungsvereinbarung) vor.“Es werde dann versucht, mit den Personen „eine für sie erträgliche Zahlungsvereinbarung“zu treffen. „Es ist deshalb besonders wichtig, dass sich der Betroffene frühzeitig mit der SVLFG in Verbindung setzt. So kann verhindert werden, dass die SVLFG (in Unkenntnis der Umstände) zur Beitreibung der Forderung Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten muss“, so die Antwort der Versicherung. Heißt im Umkehrschluss: Albert Blaser hat sich zu spät gemeldet.
Es gibt keine Kredite mehr
Doch er sieht das nicht so. Blaser sieht sich im Recht, denn der Krankenkasse und Alterskasse habe er auch nichts überweisen können und keinen Brief vom Gerichtsvollzug bekommen. „Als ich im November angerufen habe, wurde am Telefon gesagt, dass sie mit der Zahlungsforderung warten würden, aber es kam trotzdem der Brief. Ein weiteres Gespräch hat es nicht gegeben. Das hat mich enttäuscht und hat mich an die Decke gebracht“, sagt er.
Er habe sich auch ein sogenanntes Kirschengerüst gekauft, das er für den Anbau benötigt, aber auch dieser Verkäufer habe auf die Zahlung vorerst verzichtet. Aber mit seinem Obsthof weitermachen will er. Eigentlich. „Solange es möglich ist, will ich weiter Kirschen anbauen. Das ist mein Beruf. Ich will es auch weiter probieren, nur wenn wieder so ein Jahr kommt, muss ich wohl aufhören“, sagt Blaser. Kredite von der Bank gebe es auch nicht mehr, weil er die alten zurzeit nicht zurückbezahlen kann. „So macht das Geschäft keinen Spaß mehr.“
„Das hat mich enttäuscht und hat mich an die Decke gebracht.“