Weltklasse mit Catenaccio-Volleyball
Die Darbietung des VfB Friedrichshafen macht selbst Trainer Vital Heynen sprachlos
FRIEDRICHSHAFEN - Die Volleyballer des VfB Friedrichshafen haben in der laufenden Saison nicht nur eine Duftmarke gesetzt. In allen Wettbewerben zeigen die Häfler, wie gut sie die Spielphilosophie ihres Trainers Vital Heynen umsetzen können. Das 3:0 (25:15, 25:13, 25:12) im fünften Spiel der Gruppenphase in der Champions League gegen Sastamala war der vorläufige Höhepunkt einer Mannschaft, die im Kollektiv derzeit unschlagbar scheint.
Normalerweise läuft es nach jedem Schlusspfiff in der ZF-Arena so: Die Mannschaft des VfB läuft eine Ehrenrunde, klatscht die Zuschauer ab und lässt sich mit den Balljungen ablichten. Danach schart Vital Heynen seine Profis um sich, noch auf dem Parkett folgt die erste Analyse des Spiels, Heynen lobt, was gut gelaufen ist, vor allem aber spricht er Fehler an. Nicht so am Mittwochabend. Die Spieler warteten vergebens, Heynen diskutierte stattdessen lang mit den beiden Schiedsrichtern Andrea Puecher und Stephan Grieder – obwohl deren Leistung makellos gewesen war. „Ich hatte der Mannschaft nichts zu sagen. Ich war einfach nur sprachlos. Es gibt keine perfekten Spiele, aber dieses Spiel war ganz nahe dran. Das war mit Abstand das beste Spiel, seit ich hier bin“, sagte er später, immer noch nach Worten ringend.
Total entnervte Gegner
Der finnische Meister konnte einem leidtun während der 75-minütigen Machtdemonstration des VfB Friedrichshafen, der als Gruppenerster in die K.o.-Phase der Königsklasse einzieht. Der VfB Friedrichshafen hat sicher nicht die beste Mannschaft Europas, wirkliches Superstarpotenzial hätten bei anderen Topteams nur wenige Spieler aus dem Kader.
„Wenn man die Einzelspieler betrachtet, ist Sastamala durchaus vergleichbar mit Friedrichshafen“, sagte auch Heynen. Am Mittwoch aber wirkten die Finnen mindestens zwei Klassen schwächer als die Mannschaft vom Bodensee, die vor allem in der Block- und Abwehrarbeit phänomenal spielte. „Wir haben ihnen einfach keine Möglichkeit gegeben, zu punkten“, so Heynen.
Sastamalas Diagonalangreifer Urpo Sivula oder Außenangreifer Olli Kunnari etwa sind normalerweise starke Spieler, die auch in europäischen Top-Ligen spielen könnten. Doch am Mittwoch wurden sie vom VfB-Kollektiv so lange bearbeitet, bis sie im dritten Satz nur noch entnervte Zuschauer waren. Insgesamt hatte Sastamala im Laufe des Spiels sogar drei Spieler ausgewechselt.
„Wir spielen Gegner müde“
Doch egal, was die Finnen probierten: Der VfB ahnte es und wusste immer eine passende Antwort. „Wir haben im Angriff nicht diese Durchschlagskraft anderer Mannschaften. Aber wir spielen den Gegner müde, sodass er Fehler macht. Und dann schlagen wir zu“, beschreibt Heynen seinen Spielansatz. „Catenaccio-Volleyball“, nennt er seine defensive, von vielen langen Ballwechseln geprägte Spielweise auch gern.
Es ist schwer, gegen den VfB zu punkten, und noch schwerer, die Ruhe zu bewahren. Die meisten Teams sind irgendwann genervt, verlieren die Konzentration. Und dann ist der VfB da. Wie zum Beispiel im dritten Satz gegen Sastamala, als es wieder einmal einen langen Ballwechsel gab. Athanasios Protopsaltis, kaum über 1,80 Meter groß, beendete das Hin und Her mit einem gewaltigen Schmetterschlag. Die Spieler von Sastamala schauten sich hinterher nur ungläubig an, als ob sie sich fragten, wo denn nun dieser Grieche hergekommen war.
Die meisten internationalen TopTeams spielen eher so wie das seit Jahren weltbeste Team Zenit Kazan: Hart aufschlagen und dann auf die Angriffsstärke der Superstars hoffen. Bei Kazan sind dies die Außenangreifer Matthew Anderson und Maxim Mikhailov, die rund eine Million Euro pro Jahr verdienen. Auch der VfB Friedrichshafen spielte – im Rahmen seiner Möglichkeiten – so, als Stelian Moculescu noch das Sagen hatte am Bodensee. Vor Heynen.
Nach nunmehr 26 Saisonsiegen stellt sich langsam die Frage, wer das Kollektiv des VfB Friedrichshafen aufhalten kann. PAOK Thessaloniki hatte es in der Champions League im ersten Spiel mit harten Aufschlägen versucht. Das ging zwei Sätze gut, dann übernahm der VfB das Kommando und gewann mit 3:2 – und das Rückspiel dann sogar recht mühelos. In der Bundesliga gab es ähnliche Partien gegen Frankfurt oder auch Berlin (bevor Stelian Moculescu dort übernahm), doch am Ende gewann immer der VfB. „Ich bin gespannt, wie wir auftreten, wenn es gegen starke italienische, polnische oder russische Teams geht“, sagt Heynen.