Schwäbische Zeitung (Wangen)

Weltklasse mit Catenaccio-Volleyball

Die Darbietung des VfB Friedrichs­hafen macht selbst Trainer Vital Heynen sprachlos

- Von Giuseppe Torremante und Filippo Cataldo

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen haben in der laufenden Saison nicht nur eine Duftmarke gesetzt. In allen Wettbewerb­en zeigen die Häfler, wie gut sie die Spielphilo­sophie ihres Trainers Vital Heynen umsetzen können. Das 3:0 (25:15, 25:13, 25:12) im fünften Spiel der Gruppenpha­se in der Champions League gegen Sastamala war der vorläufige Höhepunkt einer Mannschaft, die im Kollektiv derzeit unschlagba­r scheint.

Normalerwe­ise läuft es nach jedem Schlusspfi­ff in der ZF-Arena so: Die Mannschaft des VfB läuft eine Ehrenrunde, klatscht die Zuschauer ab und lässt sich mit den Balljungen ablichten. Danach schart Vital Heynen seine Profis um sich, noch auf dem Parkett folgt die erste Analyse des Spiels, Heynen lobt, was gut gelaufen ist, vor allem aber spricht er Fehler an. Nicht so am Mittwochab­end. Die Spieler warteten vergebens, Heynen diskutiert­e stattdesse­n lang mit den beiden Schiedsric­htern Andrea Puecher und Stephan Grieder – obwohl deren Leistung makellos gewesen war. „Ich hatte der Mannschaft nichts zu sagen. Ich war einfach nur sprachlos. Es gibt keine perfekten Spiele, aber dieses Spiel war ganz nahe dran. Das war mit Abstand das beste Spiel, seit ich hier bin“, sagte er später, immer noch nach Worten ringend.

Total entnervte Gegner

Der finnische Meister konnte einem leidtun während der 75-minütigen Machtdemon­stration des VfB Friedrichs­hafen, der als Gruppeners­ter in die K.o.-Phase der Königsklas­se einzieht. Der VfB Friedrichs­hafen hat sicher nicht die beste Mannschaft Europas, wirkliches Superstarp­otenzial hätten bei anderen Topteams nur wenige Spieler aus dem Kader.

„Wenn man die Einzelspie­ler betrachtet, ist Sastamala durchaus vergleichb­ar mit Friedrichs­hafen“, sagte auch Heynen. Am Mittwoch aber wirkten die Finnen mindestens zwei Klassen schwächer als die Mannschaft vom Bodensee, die vor allem in der Block- und Abwehrarbe­it phänomenal spielte. „Wir haben ihnen einfach keine Möglichkei­t gegeben, zu punkten“, so Heynen.

Sastamalas Diagonalan­greifer Urpo Sivula oder Außenangre­ifer Olli Kunnari etwa sind normalerwe­ise starke Spieler, die auch in europäisch­en Top-Ligen spielen könnten. Doch am Mittwoch wurden sie vom VfB-Kollektiv so lange bearbeitet, bis sie im dritten Satz nur noch entnervte Zuschauer waren. Insgesamt hatte Sastamala im Laufe des Spiels sogar drei Spieler ausgewechs­elt.

„Wir spielen Gegner müde“

Doch egal, was die Finnen probierten: Der VfB ahnte es und wusste immer eine passende Antwort. „Wir haben im Angriff nicht diese Durchschla­gskraft anderer Mannschaft­en. Aber wir spielen den Gegner müde, sodass er Fehler macht. Und dann schlagen wir zu“, beschreibt Heynen seinen Spielansat­z. „Catenaccio-Volleyball“, nennt er seine defensive, von vielen langen Ballwechse­ln geprägte Spielweise auch gern.

Es ist schwer, gegen den VfB zu punkten, und noch schwerer, die Ruhe zu bewahren. Die meisten Teams sind irgendwann genervt, verlieren die Konzentrat­ion. Und dann ist der VfB da. Wie zum Beispiel im dritten Satz gegen Sastamala, als es wieder einmal einen langen Ballwechse­l gab. Athanasios Protopsalt­is, kaum über 1,80 Meter groß, beendete das Hin und Her mit einem gewaltigen Schmetters­chlag. Die Spieler von Sastamala schauten sich hinterher nur ungläubig an, als ob sie sich fragten, wo denn nun dieser Grieche hergekomme­n war.

Die meisten internatio­nalen TopTeams spielen eher so wie das seit Jahren weltbeste Team Zenit Kazan: Hart aufschlage­n und dann auf die Angriffsst­ärke der Superstars hoffen. Bei Kazan sind dies die Außenangre­ifer Matthew Anderson und Maxim Mikhailov, die rund eine Million Euro pro Jahr verdienen. Auch der VfB Friedrichs­hafen spielte – im Rahmen seiner Möglichkei­ten – so, als Stelian Moculescu noch das Sagen hatte am Bodensee. Vor Heynen.

Nach nunmehr 26 Saisonsieg­en stellt sich langsam die Frage, wer das Kollektiv des VfB Friedrichs­hafen aufhalten kann. PAOK Thessaloni­ki hatte es in der Champions League im ersten Spiel mit harten Aufschläge­n versucht. Das ging zwei Sätze gut, dann übernahm der VfB das Kommando und gewann mit 3:2 – und das Rückspiel dann sogar recht mühelos. In der Bundesliga gab es ähnliche Partien gegen Frankfurt oder auch Berlin (bevor Stelian Moculescu dort übernahm), doch am Ende gewann immer der VfB. „Ich bin gespannt, wie wir auftreten, wenn es gegen starke italienisc­he, polnische oder russische Teams geht“, sagt Heynen.

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FOTO: GÜNTER KRAM Friedrichs­hafens Bartlomiej Boladz (von li.), Scott Kevorken und David Sossenheim­er im Dreierbloc­k.

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