Thomas Reis macht einen Rundumschlag
Der Kabarettist erklärt das Leben aus Sicht eines Fünfzigjährigen
WANGEN - Thomas Reis hat am Samstagabend in der Häge-Schmiede die Vielfalt der männlichen Psyche aus Sicht eines Fünfzigjährigen unter die Lupe genommen. Gleichzeitig warf er auch wieder die von ihm aus anderen Programmen bekannten bitterbösen Pfeile in Richtung Politik, Kirche und Gesellschaft ab. Das Publikum dankte es ihm mit viel Applaus.
Wie kann man als Akteur nur so viel reden, wie als Zuschauer so viel aufnehmen und dabei noch jede Menge Spaß haben? Thomas Reis trat in Wangen den Beweis dafür an. Und das über zwei aufregende und anregende Stunden lang. Dabei brauchte der Kabarettist weder eine Bühnendekoration noch Requisiten – nur seine zwei hyperaktiven Augenbrauen, die wilde Tänze vollführten. Dazu sein ebenso Wortkaskaden hervorsprudelndes Mundwerk und ein Gefühl für das, was auch unterhalb der Gürtellinie gerade noch machbar ist.
Reis ist einer, der sich nicht um Tabus schert, der gerne entlarvt und seine Finger auf die Wunden dieser Erde legt. Ja, er traut sich etwas. Wenngleich er gerne und oft zugibt, über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Aber natürlich macht er lustig weiter. Schert sich nicht darum, dass bei der einen oder anderen Gemeinheit nicht oder nur spärlich gelacht wird. Selbst die auffallende Stille während seiner hervorgebrachten Doppeldeutigkeiten in Sachen „Gott und Religion“sind ihm wurscht.
Streizug durchs Politische
Wenngleich Thomas Reis die Schwelle zum fünften Jahrzehnt schon längst überschritten hat, kokettiert er noch mit dem „Endlich 50!“So, als ob er erst beim Denken die Worte wählt, schwadroniert er über das Schlimmste, „was noch kommt, wenn man nicht aufpasst“, über die freundlichen Kohlenhydrate, die man trotz des Willens zum Abnehmen nicht so einfach vom Tellerrand schubsen kann, von seinem Funktionspyjama, „der für mich das Nachthemd neben mir bumst“.
Schnell ist Thomas Reis bei Angela Merkel, deren Durchhaltevermögen er lobt, gleichzeitig aber die Frage nach der möglichen Einnahme von „Pilzen“stellt. Die Auferstehung von Martin Schulz hatte der Spötter erst für Ostern gedacht, er empfiehlt als nächsten Hoffnungsträger Joschka Fischer, „der momentan abkömmlich ist“, ereifert sich über die Frisur von Donald Trump und stellt fest: „Der hat doch einen toten Goldhamster auf dem Kopf.“Und für Frauke Petrys im vergangenen Jahr geborenen Sohn, der gleich für Wahlkampfzwecke herhalten musste, wünscht sich Reis: „Hoffentlich wird er ein schwuler Kommunist.“
Helden der Kindheit
Dann darf sich das Publikum mit den Helden aus Reis’ Kindheit vertraut machen. Den Geissen-Peter aus „Heidi“bezeichnet er als „Erdogan, als er noch klein war“. Asterix und Obelix schiebt er „Drogenkonsum, Fremdenhass und das gemeinsame Sorgerecht für einen kleinen Hund“in die Schuhe. Und Pippi Langstrumpf nennt er „Migrantenkind aus dem Taka-Tuka-Land“. Ganz nebenbei parodiert er noch Winfried Kretschmann und Adolf Hitler, „der vom Schäferstündchen mit dem Schäferhündchen schwärmt“.
Nach der Pause wird es etwas gemächlicher. Schließlich macht Thomas Reis seit 35 Jahren Kabarett und muss sich laut eigener Aussage „nicht mehr aufregen“. Er ist „toleranzig“geworden. Und wieso eigentlich jeden Morgen aufstehen? Lohnt sich für die paar Stunden doch eigentlich nicht. Dennoch hat er noch so viel vor, aber was? Na, vielleicht über die ungeliebten Deutschen nachdenken? Reis fängt zu schluchzen an und sagt mit erstickender Stimme: „Die Isländer spielen scheiße Fußball, aber alle lieben sie!“
Gegen Ende des Programms sind die Besucher zum Mitmachen eingeladen. Da wird nach den gängigen Werbesprüchen vergangener Fernsehzeiten gesucht und im Chor deklamiert. Bei „Warum schwimmt der Afrikaner nicht wie Milky Way sogar in der Milch?“hört der Spaß dann allerdings auf. Da lässt man sich lieber den guten Rat mit auf den Heimweg geben: „Genießt das Leben“und „Denkt an Euch, solange ihr Euch noch an Euch erinnern könnt!“