Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mut zu Marketing und Europa

Justizmini­ster Guido Wolf und Towerstars-Werbechef, Rainer Mutschler, bei Wirtschaft­sgespräche­n in Baienfurt

- Von Philipp Richter

BAIENFURT - Unsere Region lebt von ihrer Wirtschaft, die Wirtschaft lebt vom Marketing, und Marketing lebt von Mut, Leidenscha­ft und Scheitern. So verknappt lassen sich die Thesen zusammenfa­ssen, die am Ende der Wirtschaft­sgespräche des Wirtschaft­sverbundes BaienfurtB­aindt am Donnerstag­abend standen. Geschätzte 150 Gäste kamen in die Gemeindeha­lle Baienfurt. Mit dabei Vertreter aus der Wirtschaft und Politik, und das nicht nur aus dem Schussenta­l, sondern aus dem ganzen Landkreis Ravensburg. Dass Marketing vor allem in der Politik und in Europa wichtig ist, erklärte Ehrengast Guido Wolf, Baden-Württember­gs Minister für Justiz, Europa und Tourismus.

Das zentrale Thema des Abends lautete Marketing. Die Binsenweis­heit „Wer nicht wirbt, stirbt“stand zu Beginn im Raum, die der erste Referent – der Towerstars-Marketingc­hef Rainer Mutschler – in seinem Vortrag direkt aufgriff. „Und wer wirbt, stirbt auch“, sagte Mutschler und stellte direkt klar: „Hier steht kein Marketing-Profi, hier steht einer, der viel Erfahrung in diesem Gebiet gesammelt hat.“Und das sollte auch Kern seines Vortrags sein. Marketing lebt von Leidenscha­ft und Visionen, es braucht Mut für Neues und man muss lernen, dass Scheitern sogar gut sein kann. („Umwege erhöhen die Ortskenntn­is.“)

Dass Marketing eine immer größere Dimension angenommen hat und in der heutigen Gesellscha­ft einen immer breiteren und wichtigere­n Raum einnimmt, ist überall sichtbar. Rainer Mutschler unterstric­h das mit Zahlen von seiner Tätigkeit beim Fußballver­ein VfB Stuttgart. „Zu Beginn meiner Zeit beim VfB gab es dort einen einzigen Pressespre­cher, mittlerwei­le ist die Zahl auf 17 angewachse­n“, berichtete er. Mutschler ermutigte zu Öffentlich­keit, auch wenn unangenehm­e Dinge vor großem Publikum wehtun können: „Aber je öffentlich­er Sie sind, desto eher werden Sie wahrgenomm­en und man setzt sich mit Ihnen auseinande­r.“

Gerade beim Thema Sport habe man den Vorteil, dass man Fans hat, und Fans seien Kunden, auch wenn sie so nicht genannt werden wollen. Das Gleiche gelte in der Wirtschaft. Es gehe darum, eine Marke zu schaffen, die ihre Fans hat. Das geht aber nicht im stillen Kämmerchen. Die Menschen müssen davon erfahren. „Nehmen Sie die flachen und farblosen Dinge wahr? Nein, wir nehmen die Dinge mit Profil wahr“, betonte er und ermutigte die Zuhörer, ein Wagnis einzugehen, aber immer mit einem Ziel vor Augen. Erfolgreic­h sei personalis­ierte Werbung, nicht umsonst funktionie­ren soziale Medien.

Werbung für das Land in Brüssel

Sehr politisch wurde der Abend mit dem Beitrag des CDU-Politikers Guido Wolf, der mit einer flammenden Rede für Europa warb. In Baienfurt schärfte er als gebürtiger Weingarten­er der hiesigen Wirtschaft ein, was Europa für sie bedeutet. Schließlic­h sitzen in ganz Oberschwab­en Unternehme­n und sogar einige der sogenannte­n Hidden Champions, die nach Europa exportiere­n und dort Niederlass­ungen haben. „Wir brauchen eine starke EU, die unsere Handelsint­eressen vertritt.“Als Deutschlan­d mit 80 Millionen Einwohnern allein habe man gegenüber Handelspar­tnern wie Indien, China und USA wenig Bedeutung. „Nur als gemeinsame­s Europa hat unsere Stimme Gewicht“, sagte Wolf überzeugt. Und weiter: „Jeder Schritt ins Nationale ist ein Rückschrit­t.“

Er forderte dazu auf, gut von der Europäisch­en Union zu sprechen, wobei er auch mit sich selbst ins Gericht ging. „Wir neigen dazu, die EU als schwerfäll­igen Tanker zu sehen, sollten sie aber nicht unterschät­zen“, sagte er und machte klar, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik von der Werbung lebe. Denn gerade sein Amt mit der Zuständigk­eit für Europaange­legenheite­n sei ein gutes Beispiel. „Wir müssen in Brüssel für uns werben.“

Wolf berichtete von der badenwürtt­embergisch­en Vertretung in Brüssel, wo man Werbung für das Land mache und wo man versucht, die hiesigen Interessen zu vertreten. 1987 wurde die Vertretung als Informatio­nsbüro gegründet und leistet heute Lobbyarbei­t für Baden-Württember­g. Man klinke sich als Land frühzeitig in die Gesetzgebu­ngsprozess­e ein. „In unserer Schwarzwal­dStube finden die Gespräche nach den Gesprächen statt“, plauderte Wolf aus dem Nähkästche­n und fügte mit Blick ins Publikum hinzu: „Nutzen Sie dieses Haus. Wir sehen uns in Brüssel auch als Dienstleis­ter.“

Allerdings warnte er davor, die EU auf den Binnenmark­t zu reduzieren. Es gehe hier auch um Rechtsstaa­tlichkeit. „Da gibt es schon ein paar Baustellen. Und Geld kann nur bekommen, wer auf einem rechtsstaa­tlichen Fundament steht“, sagte er mit Verweis auf Ungarn und vor allem Polen. Wegen der Justizrefo­rm hat die EU-Kommission jüngst ein Sanktionsv­erfahren gegen Polen eingeleite­t. Es bedürfe unbedingt einer unabhängig­en Justiz – gerade auch für die Wirtschaft, so Wolf.

 ?? FOTO: PHILIPP RICHTER ?? Bei den Wirtschaft­sgespräche­n des Wirtschaft­sverbunds Baienfurt-Baindt trägt sich Guido Wolf (links), der Minister für Justiz, Europa und Tourismus, ins Goldene Buch der Gemeinde ein – mit dabei Baienfurts Bürgermeis­ter Günter A. Binder.
FOTO: PHILIPP RICHTER Bei den Wirtschaft­sgespräche­n des Wirtschaft­sverbunds Baienfurt-Baindt trägt sich Guido Wolf (links), der Minister für Justiz, Europa und Tourismus, ins Goldene Buch der Gemeinde ein – mit dabei Baienfurts Bürgermeis­ter Günter A. Binder.

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