Mut zu Marketing und Europa
Justizminister Guido Wolf und Towerstars-Werbechef, Rainer Mutschler, bei Wirtschaftsgesprächen in Baienfurt
BAIENFURT - Unsere Region lebt von ihrer Wirtschaft, die Wirtschaft lebt vom Marketing, und Marketing lebt von Mut, Leidenschaft und Scheitern. So verknappt lassen sich die Thesen zusammenfassen, die am Ende der Wirtschaftsgespräche des Wirtschaftsverbundes BaienfurtBaindt am Donnerstagabend standen. Geschätzte 150 Gäste kamen in die Gemeindehalle Baienfurt. Mit dabei Vertreter aus der Wirtschaft und Politik, und das nicht nur aus dem Schussental, sondern aus dem ganzen Landkreis Ravensburg. Dass Marketing vor allem in der Politik und in Europa wichtig ist, erklärte Ehrengast Guido Wolf, Baden-Württembergs Minister für Justiz, Europa und Tourismus.
Das zentrale Thema des Abends lautete Marketing. Die Binsenweisheit „Wer nicht wirbt, stirbt“stand zu Beginn im Raum, die der erste Referent – der Towerstars-Marketingchef Rainer Mutschler – in seinem Vortrag direkt aufgriff. „Und wer wirbt, stirbt auch“, sagte Mutschler und stellte direkt klar: „Hier steht kein Marketing-Profi, hier steht einer, der viel Erfahrung in diesem Gebiet gesammelt hat.“Und das sollte auch Kern seines Vortrags sein. Marketing lebt von Leidenschaft und Visionen, es braucht Mut für Neues und man muss lernen, dass Scheitern sogar gut sein kann. („Umwege erhöhen die Ortskenntnis.“)
Dass Marketing eine immer größere Dimension angenommen hat und in der heutigen Gesellschaft einen immer breiteren und wichtigeren Raum einnimmt, ist überall sichtbar. Rainer Mutschler unterstrich das mit Zahlen von seiner Tätigkeit beim Fußballverein VfB Stuttgart. „Zu Beginn meiner Zeit beim VfB gab es dort einen einzigen Pressesprecher, mittlerweile ist die Zahl auf 17 angewachsen“, berichtete er. Mutschler ermutigte zu Öffentlichkeit, auch wenn unangenehme Dinge vor großem Publikum wehtun können: „Aber je öffentlicher Sie sind, desto eher werden Sie wahrgenommen und man setzt sich mit Ihnen auseinander.“
Gerade beim Thema Sport habe man den Vorteil, dass man Fans hat, und Fans seien Kunden, auch wenn sie so nicht genannt werden wollen. Das Gleiche gelte in der Wirtschaft. Es gehe darum, eine Marke zu schaffen, die ihre Fans hat. Das geht aber nicht im stillen Kämmerchen. Die Menschen müssen davon erfahren. „Nehmen Sie die flachen und farblosen Dinge wahr? Nein, wir nehmen die Dinge mit Profil wahr“, betonte er und ermutigte die Zuhörer, ein Wagnis einzugehen, aber immer mit einem Ziel vor Augen. Erfolgreich sei personalisierte Werbung, nicht umsonst funktionieren soziale Medien.
Werbung für das Land in Brüssel
Sehr politisch wurde der Abend mit dem Beitrag des CDU-Politikers Guido Wolf, der mit einer flammenden Rede für Europa warb. In Baienfurt schärfte er als gebürtiger Weingartener der hiesigen Wirtschaft ein, was Europa für sie bedeutet. Schließlich sitzen in ganz Oberschwaben Unternehmen und sogar einige der sogenannten Hidden Champions, die nach Europa exportieren und dort Niederlassungen haben. „Wir brauchen eine starke EU, die unsere Handelsinteressen vertritt.“Als Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern allein habe man gegenüber Handelspartnern wie Indien, China und USA wenig Bedeutung. „Nur als gemeinsames Europa hat unsere Stimme Gewicht“, sagte Wolf überzeugt. Und weiter: „Jeder Schritt ins Nationale ist ein Rückschritt.“
Er forderte dazu auf, gut von der Europäischen Union zu sprechen, wobei er auch mit sich selbst ins Gericht ging. „Wir neigen dazu, die EU als schwerfälligen Tanker zu sehen, sollten sie aber nicht unterschätzen“, sagte er und machte klar, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik von der Werbung lebe. Denn gerade sein Amt mit der Zuständigkeit für Europaangelegenheiten sei ein gutes Beispiel. „Wir müssen in Brüssel für uns werben.“
Wolf berichtete von der badenwürttembergischen Vertretung in Brüssel, wo man Werbung für das Land mache und wo man versucht, die hiesigen Interessen zu vertreten. 1987 wurde die Vertretung als Informationsbüro gegründet und leistet heute Lobbyarbeit für Baden-Württemberg. Man klinke sich als Land frühzeitig in die Gesetzgebungsprozesse ein. „In unserer SchwarzwaldStube finden die Gespräche nach den Gesprächen statt“, plauderte Wolf aus dem Nähkästchen und fügte mit Blick ins Publikum hinzu: „Nutzen Sie dieses Haus. Wir sehen uns in Brüssel auch als Dienstleister.“
Allerdings warnte er davor, die EU auf den Binnenmarkt zu reduzieren. Es gehe hier auch um Rechtsstaatlichkeit. „Da gibt es schon ein paar Baustellen. Und Geld kann nur bekommen, wer auf einem rechtsstaatlichen Fundament steht“, sagte er mit Verweis auf Ungarn und vor allem Polen. Wegen der Justizreform hat die EU-Kommission jüngst ein Sanktionsverfahren gegen Polen eingeleitet. Es bedürfe unbedingt einer unabhängigen Justiz – gerade auch für die Wirtschaft, so Wolf.