So viele Unfälle wie noch nie
Zahl der Karambolagen steigt im Bereich des Präsidiums Kempten auf über 28 200
KEMPTEN - Der erste schlimme Unfall des Jahres 2017 ereignete gleich in der Silvesternacht. Sechs junge Menschen starben auf der A 7 bei Woringen. „Auslöser war eine überraschend aufgetauchte Nebelbank“, sagte Polizeivizepräsident Guido Limmer gestern bei der Vorstellung der Unfallbilanz in Kempten. Im weiteren Jahreslauf verloren 64 Unfallbeteiligte im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West (gesamtes Allgäu sowie die Landkreise Neu-Ulm und Günzburg) ihr Leben. Das sind drei weniger als 2016 (siehe Grafik) . Trotzdem ist die Zahl wieder „auf einem hohen Niveau“, kommentierte Limmer. Die Gründe für die hohe Zahl der Todesopfer und Unfälle seien jedoch nur schwer zu fassen. Insgesamt ereigneten sich
2017 28 216 Unfälle – so viele wie noch nie zuvor. 85 Prozent davon gingen glimpflich aus: „Hier blieb es bei Blechschäden“, sagte Limmer.
Neben dem tragischen Ereignis in der Neujahrsnacht erinnerte Limmer an drei weitere schwere Unfälle in der Region. Im August hatte ein Motorradfahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war in eine Familie geschleudert, die am Straßenrand stand. Eine Frau und ihre beiden Kinder sowie der Motorradfahrer starben dabei. Letzterer war laut Gutachten zu schnell unterwegs, sagte Limmer. Im Mai übersah eine Autofahrerin im Unterallgäu eine Motorradfahrerin. Beide Frauen starben bei dem Unfall. Im Juli prallte ein Auto mit sechs Insassen gegen einen Baum in Kaltental im Ostallgäu. Drei Menschen kamen ums Leben. Einen Unfallschwerpunkt, der technisch entschärft werden könnte, gebe es im Präsidiumsbereich allerdings nicht, sagte Limmer. Die Unfälle verteilten sich auf verschiedene Straßen.
Im Gegensatz zur Zahl der Unfalltoten blieb die Zahl der Verletzten in den vergangenen Jahren „einigermaßen stabil“, berichtete Limmer. Sie lag 2017 bei 5672. Darunter seien jedoch überproportional viele Motorradfahrer gewesen: 30 Prozent mehr als im Vorjahr. „Das heißt aber nicht, dass sie die Verursacher waren“, hob Limmer hervor. Unter den Verletzten waren zudem 320 Fußgänger und 1284 Radler. Auch diese Zahlen blieben in den vergangenen zehn Jahren ähnlich hoch. Besonders erfreulich sei, dass es auf Schulwegen seit zwölf Jahren keine tödlichen Unfälle mehr gegeben habe, erläuterte Limmer.
Seit 2013 erfasst die Polizei auch Unfälle mit E-Bikes separat. Seither gab es jedes Jahr mehr Verletzte. Das hängt aber laut Limmer vor allem damit zusammen, dass es auch immer mehr E-BikeFahrer gebe. In Deutschland seien 2017 450 000 E-Bikes verkauft worden.
Zu den Hauptunfallursachen zählen im Polizeipräsidium Schwaben Süd/West das Abkommen von der Fahrbahn, unangepasste Geschwindigkeit, zu geringer Abstand und Alkohol am Steuer, zählte Limmer auf. Was das Thema Ablenkung angeht, setzt Limmer große Hoffnung in den technischen Fortschritt beziehungsweise das autonome Fahren. „Dadurch werden die Unfälle zurückgehen, weil der Faktor Mensch wegfällt“, sagte er.
Auf die gestiegenen Unfallzahlen reagiert das Polizeipräsidium in Kempten unter anderem mit verstärkten Tempokontrollen – mit Lasergeräten. Der Effekt sei größer, wenn der Verkehrsteilnehmer direkt zur Kasse gebeten werde, sagte Limmer. Bei Motorrad-Kontrollen soll in diesem Jahr laut Verkehrspolizei Kempten auch das Thema Lärm im Vordergrund stehen.
„Wer abgelenkt ist, lenkt nicht.“ Polizeivizepräsident Guido Limmer zu einer der Hauptunfallursachen 2017