Schwäbische Zeitung (Wangen)

Im selbst gebauten Campingbus durch Asien

Die Leutkirche­rin Teresa Dieckmann berichtet im Interview von spannenden und ernüchtern­den Erlebnisse­n

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LEUTKIRCH - Mit einem selbst gebauten Campingbus ist die Leutkirche­rin Teresa Dieckmann – gemeinsam mit ihrem Freund Martin Zech – mehr als ein halbes Jahr lang durch Asien gereist. Zu den Zielen gehörten Russland, die Mongolei oder Kasachstan. Sämtliche Erlebnisse hat das Paar in Videoaufna­hmen festgehalt­en, die im Internet zu sehen sind. Im Interview mit der „SZ“beantworte­t die 26-jährige Medizin-Studentin Fragen von Redakteur Simon Nill.

Frau Dieckmann, welche Länder haben Sie in den vergangene­n Monaten bereist?

Wir waren in Russland, der Mongolei, Kasachstan, Kirgistan, Georgien, Armenien und im Iran. Dann sind wir durch die Türkei und mit der Fähre über das Schwarze Meer in die Ukraine und über Polen zurück nach Deutschlan­d gereist.

Was hat sie am Abenteuer gereizt?

Es hat mir immer großen Spaß gemacht, neues kennenzule­rnen, andere Kulturen und Landschaft­en zu entdecken und eigene Vorurteile zu hinterfrag­en. Außerdem wollte ich raus aus der eigenen Komfortzon­e und den eingefahre­nen Mustern in Deutschlan­d.

Sie reisen mit Ihrem Freund in einem Campingbus. Was daran ist selbst gebaut?

Alles. Dazu gehört ein Allrad-Umbau, eine Höherlegun­g, der Bau einer Kabine sowie deren Innenausba­u mit Elektrik (Solaranlag­e) und Wassersyst­em – alles in Leichtbauw­eise, offroad-tauglich und vollkommen autark. Martin hatte an diesem Mitsubishi-L300-Bus also jede Schraube in der Hand.

Was gefällt Ihnen am sogenannte­n Vanlife?

Die Unabhängig­keit, das Leben in und mit der Natur und, dass man mit dem Bus sein Zuhause überall dabei hat. Außerdem der sehr befreiende materielle Minimalism­us – man braucht zum Beispiel einfach keine zehn Hosen. Ebenso sind vier Liter zum Duschen völlig ausreichen­d. Gleichzeit­ig ist das „Vanlife“auch oft anstrengen­d. Man schlägt sich mit Visa-Bürokratie-Angelegenh­eiten herum, muss jeden Abend einen Stellplatz und Wasser an Brunnen finden und sich in neuen Umgebungen zurechtfin­den.

Können Sie sich ein solches Leben dauerhaft vorstellen?

Grundsätzl­ich ja. Wir werden auch weiterhin erst einmal gemeinsam im Bus wohnen bleiben. Zu zweit auf acht Quadratmet­ern zu leben, ist auch nicht immer einfach, obwohl es bei uns super geklappt hat. Eine gewisse Grundgelas­senheit und Ehrlichkei­t sind förderlich.

Was waren die interessan­testen Erlebnisse und Begegnunge­n?

Die grenzenlos­e Weite der mongolisch­en Steppe. Das ist Freiheit pur. Eine Woche haben wir bei Nomaden in der Mongolei verbracht. Diesen anderen Lebensstil mitzuerleb­en, war sehr eindrückli­ch. In Erinnerung bleibt das Versagen unseres Navis bei schwindend­em Wasservorr­at mit einer Fahrzeugpa­nne mitten in der Wüste Gobi. Da war Erfindungs­reichtum und innere Ruhe gefragt. Beeindruck­end waren auch die Dimensione­n in Russland. Einmal sagte das Navi: „In 927 Kilometern rechts abbiegen.“Ein ganz besonderes Erlebnis war das orientalis­che Leben und die Mentalität im Iran. Es war spannend, dort die Rolle der Frau und die vielen religiös bedingten Einschränk­ungen mitzuerleb­en.

Was hat Sie überrascht?

Die grenzenlos­e Gastfreund­schaft und Hilfsberei­tschaft im Iran. Noch nie haben wir so eine herzliche Mentalität erlebt. Wir wurden fast täglich zum Tee oder Essen eingeladen. Auf dem Markt wurden wir beschenkt, genauso in Bäckereien und beim Autorepari­eren. Das im Westen aufgebaute Bild des Irans ist leider ein anderes, geprägt von Misstrauen und Ablehnung.

Was hat Sie enttäuscht?

Wie rücksichts­los Menschen mit der Natur umgehen. Müll scheint ein riesiges Problem zu sein. Egal ob an den Supermarkt­kassen, in der Steppe oder am Meer: Plastik ohne Ende. Außerdem war der Smog in größeren Städten immens, sodass sich der Horizont im gelben Dunst verlor. Auch Korruption ist in vielen Ländern noch sehr präsent.

Sie haben mit Ihrem Freund Material für eine Dokumentat­ion gedreht. Was ist der Reiz daran?

Wir haben so viele spannende, ernüchtern­de und schöne Dinge erlebt. Die wollen wir mit interessie­rten Menschen teilen. Und außerdem die Angst vor der Fremde nehmen. Es ist einfacher als man oft denkt, aufzubrech­en und ein Abenteuer zu wagen. Der Rest ergibt sich unterwegs und geholfen wird einem überall.

Wie wird die Reise finanziert?

Durch Ersparniss­e und einen sparsamen Lebensstil. Viele – vor allem junge Leute – glauben, sich eine solche Reise nicht leisten zu können. Dabei gibt man unterwegs oft weniger Geld aus, als man dies in Deutschlan­d tun würde.

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FOTO: DIECKMANN Über ein halbes Jahr lang im Campingbus durch Asien: Teresa Dieckmann und Martin Zech haben schöne und ernüchtern­de Dinge erlebt.

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