Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Mischung Körperwelt­en und Toten Hosen“

Das Quartett „Pflegestuf­e Null“mit seiner neuen Show im Amtzeller Schloss.

- Von Liane Sprenger

AMTZELL - Das Verfallsda­tum für eine Boygroup sei abgelaufen, ihr „Face“fände man auf keinem „Book“, und Instagram haben die vier Männer auch nicht. Die Location für ihren Auftritt, das Schloss in Amtzell, mit seinen alten Gemäuern, passe ganz gut zu ihnen. Die „Pflegestuf­e Null“ist ein Quartett von vier Hobbymusik­ern aus der Region Oberschwab­en, das mit ihrem Rentnerdas­ein kokettiert und sich selbst als Profirentn­er bezeichnet.

In einem zweistündi­gen Programm präsentier­en Josef Straub (Gitarre und Gesang), Wendelin Fuchs (Trompete und Gesang), Manfred Bemetz (Klarinette und Gesang) und Michael List (Texte, Sousaphon und Gesang) eine Show, die mehr als Kabarett feinster Sorte als ein Konzert bezeichnet werden kann. Witze von Rentnern über Rentner, Geschichte­n aus dem Nähkästche­n und Songtexte, die das Rentnerleb­en ins Detail sowie auf urkomische Weise reflektier­en, bis die Besucher voller Überzeugun­g mitsingen können: „Als Rentner do ghot‘s oim doch guet“.

Besondere Selbsthilf­egruppe

Die vier Musiker bezeichnen ihr Quartett als Selbsthilf­egruppe mit dem Motto: „Blasen und Zupfen, vermindert geistigen Schnupfen. Oder kurz gesagt „AfD: Alte fürchten Demenz“. Ironie musste verstanden werden, so erzählt List, der beim Reden stets lässig auf seinem Sousaphon lehnt, von den Sponsoren des Abends: „Klosterfra­u Melissenge­ist und Pampers“. Ihr musikalisc­hes Repertoire reichte von altbekannt­en Songs wie „Rote Lippen soll man küssen“von Cliff Richard oder „Mit 66 Jahren“von Udo Jürgens, die umgedichte­t wurden, bis hin zu Märschen und einem Tango. Für List war nahezu jedes zweite Wort ein Stichwort, für ein „witziges Gschichtle“. Von der Apothekenu­mschau, die die BravoZeits­chrift für Rentner sei oder dem Thema Lifting, zu dem Bemetz nur zu sagen weiß: „Eine Stunde mit dem Sessellift auf den Hündle ist geliftet genug“, wurden die Themen im Laufe des Abends zunehmend politische­r. Präsident Donald Trump gewidmet war der Song: „Der blonde Opa ist dran schuld.“

Die vier Musiker treten stets ohne Mikrophon und Verstärker auf, weswegen sie sich aus akustische­n Gründen den kleinen Syrgenstei­nsaal im Alten Schloss in Amtzell ausgewählt hatten, ohne zu wissen, wie enorm groß das Interesse an ihrem Auftritt war. Rund 100 Besucher machten es sich auf Hockern, Stühlen, Fenstersim­sen oder unter den Türrähmen gemütlich.

Die Lieder der „Pflegestuf­e Null“gibt es nicht auf CD, jeglichen Datenträge­rn oder im Internet. Wer das Quartett einlädt, der weiß nicht, was ihn erwartet: „Für Veranstalt­er sind wir wie ein Überraschu­ngsei, eine Katze im Sack, oder besser: Vier alte Kater im Sack.“

 ?? FOTO: LIANE SPRENGER ??
FOTO: LIANE SPRENGER
 ?? FOTO: LIANE SPRENGER ?? Die vier „Profirentn­er“bei ihrem Auftritt in Amtzell (von links): Manfred Bemetz, Wendelin Fuchs, Josef Straub und Michael List.
FOTO: LIANE SPRENGER Die vier „Profirentn­er“bei ihrem Auftritt in Amtzell (von links): Manfred Bemetz, Wendelin Fuchs, Josef Straub und Michael List.

Newspapers in German

Newspapers from Germany