Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nicht auf andere verlassen

- Von Ulrich Mendelin

Endlich. Die Bauarbeite­n zur Elektrifiz­ierung der Südbahn und der Allgäubahn haben begonnen. Insbesonde­re im Fall der Südbahn hat man das schon fast nicht mehr glauben wollen. Es ist die erste wesentlich­e Neuerung auf der Trasse seit dem zweigleisi­gen Ausbau, und der liegt mehr als 100 Jahre zurück.

Bei allen berechtigt­en Bedenken einiger Anwohner etwa in Sachen Lärmschutz: Für das Allgäu und für Oberschwab­en ist der Baubeginn nach einer langen Zeit der Vernachläs­sigung ein wichtiges Signal. Die Schiene hat als Verkehrstr­äger Zukunft – nicht nur als Verbindung zwischen Ballungsrä­umen, sondern auch für ländliche Regionen. Auf der Südbahn ist die Elektrifiz­ierung unabdingba­re Voraussetz­ung dafür, dass Städte wie Biberach und Ravensburg mehr als nur sporadisch­en Anschluss an das Fernverkeh­rsnetz bekommen. Und wenn der Takt zwischen Zürich und München erhöht wird, ist das ein Gewinn auch für Lindau oder Memmingen. Zudem erlaubt der Ausbau einen besseren Takt im Nahverkehr.

Pendler, die tagtäglich den real existieren­den Bahnverkeh­r erleben, werden nun sagen: Schön wäre es, wenn die Züge erst mal den bestehende­n Fahrplan einhalten würden. Gerade im baden-württember­gischen Nahverkehr hat die Bahn mit Verspätung­en und Zugausfäll­en Pendler zuletzt eher abgeschrec­kt. Bald werden Reisende über Monate mit Schienener­satzverkeh­r gequält. Das ist zwar unumgängli­ch, wird die Stimmung der Betroffene­n aber auch nicht heben. Außerdem kommen die Vorteile einer elektrifiz­ierten Südbahn mit durchgängi­gen, schnellere­n Zügen erst dann voll zum Tragen, wenn Stuttgart 21 fertiggest­ellt ist – auch dieses Großprojek­t taugt schon lange nicht mehr zur Visitenkar­te für den Schienenko­nzern.

In der Region fällt der Blick nun auf die Bodenseegü­rtelbahn, die als Dieselloch übrig geblieben ist. Der Ministerpr­äsident hat zwar schon ausgeschlo­ssen, dass das Land nach dem Vorbild der Südbahn auch andere Trassen hälftig finanziert. Doch die Südbahn zeigt auch: Ohne Ideen, Druck und Geld aus der Region geht nichts voran. Wer sich nur auf Planer aus Berlin verlässt, der ist verlassen.

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