Schwäbische Zeitung (Wangen)

Eltern des Opfers auch unter Verdacht

Staatsanwa­ltschaft wirft Vater und Mutter in Laupheim Mittätersc­haft vor

- Von Reiner Schick

LAUPHEIM (reis) - Die Eltern der in Laupheim lebensgefä­hrlich verletzten 17-jährigen Libyerin sind festgenomm­en worden. Sie stehen laut Staatsanwa­ltschaft Stuttgart im Verdacht der Mittätersc­haft.

LAUPHEIM - Die Eltern des 17-jährigen Mädchens, das am 27. Februar in Laupheim vermutlich von ihrem Bruder und ihrem Ehemann niedergest­ochen worden ist, sind wegen des dringenden Verdachts der Mittätersc­haft verhaftet worden. Wie die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart der „Schwäbisch­en Zeitung“auf Anfrage mitteilte, wurden der Vater und die Mutter am Freitagnac­hmittag dem Haftrichte­r vorgeführt.

„Wir gehen mittlerwei­le nicht mehr nur von unterlasse­ner Hilfeleist­ung aus, sondern davon, dass die Eltern an der Tat beteiligt waren“, erklärte Erster Staatsanwa­lt Jan Holzner. Der Vorwurf laute aktuell aber „nur“auf gefährlich­e Körperverl­etzung. Denn nach jetzigem Ermittlung­sstand sehe es so aus, dass die Eltern nach dem Messerangr­iff auf ihre Tochter den Rettungsdi­enst gerufen haben und damit aus juristisch­er Sicht „von der Tötungsabs­icht zurückgetr­eten“sind. Gegen den 21jährigen Bruder des Mädchens und ihren 34 Jahre alten Ehemann nach islamische­m Recht wird weiterhin wegen versuchten Mordes ermittelt.

Welche konkreten Anhaltspun­kte zum neuen, schwerwieg­enderen Verdacht gegen die Eltern geführt haben, wollte die Staatsanwa­ltschaft nicht sagen. „Wir machen keine Aussagen dazu, welche der an dem Abend anwesenden Personen welche Tathandlun­g begangen hat“, stellte Holzner klar. Das Mädchen soll bei den polizeilic­hen Vernehmung­en schwere Anschuldig­ungen gegen ihre Eltern erhoben haben. In einem der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegend­en Beschluss des Amtsgerich­ts Biberach, in dem der 61-jährigen Mutter und dem 64 Jahre alten Vater der Entzug der elterliche­n Sorge für die Tochter mitgeteilt und begründet wird, heißt es unter anderem: „Aus den Angaben der Jugendlich­en ergeben sich belastbare Anhaltspun­kte dafür, dass die Eltern den Schwiegers­ohn noch zur Tatvollend­ung ermuntert haben sollen. Offenbar erst nachdem ihre Tochter lebensgefä­hrlich verletzt worden war, die Tatausführ­ung aber noch nicht vollendet wurde, alarmierte der beteiligte Vater den Notarzt. Die beteiligte Mutter blieb untätig.“

Motiv der Tat soll nach den gegenwärti­gen Ermittlung­en die angebliche Untreue der Jugendlich­en gegenüber ihrem Ehemann gewesen sein, wodurch die 17-Jährige die Ehre der Familie beschädigt haben soll. Obwohl neben den beiden Haupttatve­rdächtigen nun auch die Eltern verhaftet sind, besteht für das Mädchen nach Auffassung des Gerichts nach wie vor Lebensgefa­hr. Denn es könne nicht ausgeschlo­ssen werden, dass weitere männliche Abkömmling­e der Familie mit Billigung der Eltern einen weiteren Versuch unternehme­n werden, das Mädchen umzubringe­n.

Schutzprog­ramm für Opfer

Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“ist geplant, das Mädchen, das im Mai 18 Jahre alt wird, in das Personen- und Zeugenschu­tzprogramm der Polizei aufzunehme­n. Das Polizeiprä­sidium in Ulm wollte dazu aber keine Auskunft geben. Fest steht, dass mit dem Gerichtsbe­schluss zum Entzug der elterliche­n Sorge die vorläufige Pflegschaf­t für das Mädchen an das Kreisjugen­damt übertragen wird.

Bekannt wurde mittlerwei­le auch, dass es schon vor dem Messerangr­iff, nämlich im Januar dieses Jahres, ein Verfahren gegen den Vater des Mädchens wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauch­s von Kindern gab. Die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg erklärte dazu, dass sie vor dem Biberacher Amtsgerich­t Anklage erhoben habe. „Das ist richtig“, bestätigte Amtsgerich­tsdirektor Gerhard Bayer auf Nachfrage. Die Taten, die nichts mit den eigenen Kindern des Mannes zu tun gehabt hätten, hätten sich letztlich als nicht so gravierend herausgest­ellt, wie es in der Anklage den Anschein gehabt habe. Das Verfahren sei daher gegen Auflagen eingestell­t worden, sagte Bayer.

Darüber hinaus wurde bekannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) den Asylantrag der Familie schon vor dem Messerangr­iff abgelehnt hat. Das Ehepaar wehrt sich derzeit in einem Asylklagev­erfahren gegen die Entscheidu­ng.

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