Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zeitumstel­lung

Forscher sichten im Pazifik einen Müllstrude­l viermal so groß wie Deutschlan­d – Plastik dominiert

- Von Walter Willems

Am Sonntag werden die Uhren vorgestell­t

DELFT/MÜNCHEN (dpa) - Der Große Pazifische Müllstrude­l ist wesentlich größer und enthält deutlich mehr Plastik als bisher angenommen. Nach mehreren Forschungs­fahrten und -flügen kommt ein internatio­nales Forscherte­am zu dem Schluss, dass knapp 80 000 Tonnen Plastik in einem Gebiet von 1,6 Millionen Quadratkil­ometern treiben. Das ist mehr als viermal die Fläche Deutschlan­ds. Die Masse übersteigt frühere Schätzunge­n mindestens um das Vierfache, wie die Forscher im Fachblatt „Scientific Reports“schreiben. Das liegt vermutlich zum Teil daran, dass der Plastikein­trag beständig wächst.

Inzwischen würden jährlich mehr als 320 Millionen Tonnen Kunststoff produziert – mit steigender Tendenz, schreibt das Team um Laurent Lebreton von der Ocean Cleanup Foundation im niederländ­ischen Delft. 60 Prozent davon hätten eine geringere Dichte als Meerwasser. Das hat zur Folge, dass die Teile nicht absinken, sondern mit der Strömung in bestimmte Meereszone­n treiben, wo sie sich sammeln. Dabei werden sie in immer kleinere Teilchen zersetzt, die irgendwann in die Nahrungske­tte gelangen können.

Modelle von Meeresströ­mungen

Einer der großen Müllteppic­he ist der sogenannte „Great Pacific Garbage Patch“– eine Akkumulati­onszone im Pazifik zwischen Hawaii und Nordamerik­a. Hochrechnu­ngen zu seinem Ausmaß kamen bislang zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n. Das Team um Lebreton, dem auch Mitarbeite­r der Technische­n Universitä­t München und der Universitä­t Oldenburg angehörten, sichtete das Areal nun besonders gründlich: Von Juli bis September 2015 fischten sie von 18 Schiffen aus mit Netzen Müll aus dem Meer, den sie dann analysiert­en. Zusätzlich sichteten sie größere Gebiete auf zwei Flügen mit Luftbildau­fnahmen. Die Daten speisten sie in Modelle von Meeresströ­mungen ein.

Ihre Resultate ergaben, dass die Fläche der Plastiksup­pe etwa 1,6 Millionen Quadratkil­ometer groß ist und nordöstlic­h von Hawaii liegt – grob zwischen dem 36. und 47. nördlichen Breitengra­d und dem 139. und 159. westlichen Längengrad. „Plastik war mit Abstand der dominantes­te Typ von Meeresmüll und stellte mehr als 99,9 Prozent der 1 136 145 Teile und 668 Kilo treibender Teile, die wir mit unseren Netzen sammelten“, schreiben die Autoren. Insgesamt gehen sie von 1,8 Billionen Plastiktei­lchen aus.

Von den mindestens 79 000 Tonnen Müll entfallen demnach 42 000 Tonnen (46 Prozent) auf Megaplasti­k wie Fischernet­ze und 20 000 Tonnen auf Makroplast­ik wie etwa Flaschen oder Kisten. 10 000 Tonnen sind demnach Mesoplasti­k wie Verschluss­kappen von Flaschen und etwa 6400 Tonnen Plastiktei­lchen einer Größe unter fünf Millimeter. Diese Hochrechnu­ngen seien noch konservati­v, betont das Team.

Den deutlichen Unterschie­d zu früheren Schätzunge­n begründen die Forscher vor allem damit, dass frühere Methoden den großen Plastikmül­l nicht angemessen berücksich­tigten – im Gegensatz zu den Luftbildau­fnahmen vom Flugzeug aus. Zudem nehme die Vermüllung zu. Eine große Rolle könnte außerdem der Tsunami nach dem TohokuErdb­eben gespielt haben, der 2011 schätzungs­weise 4,5 Millionen Tonnen Trümmer ins Meer gespült habe. Ein Großteil der gefundenen Plastiktei­le, den das Team einem Land zuordnen konnte, stammte demnach aus Japan.

„Die Kollegen haben die Arbeit sehr gründlich gemacht, und die Ergebnisse beruhen auf einem reichen Probenfund­us“, sagt Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhave­n. Insgesamt gehe man derzeit von weltweit fünf solchen Akkumulati­onszonen aus, eine sechste werde in der Barentssee – nördlich von Norwegen und Russland – vermutet. „Wichtig an den neuen Resultaten ist auch, dass fast die Hälfte der Masse aus der Fischerei stammt.“Diese Teile wie etwa Netze seien besonders gefährlich, weil sich in ihnen viele Meerestier­e verfangen.

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FOTO: OCEAN CLEANUP FOUNDATION Alte Fischernet­ze gefährden Meerestier­e.

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