Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ösoterik

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Es gibt nichts Schöneres als die Bestätigun­g lieb gewonnener Vorurteile. Zum Beispiel, dass der Österreich­er zu bürokratis­chem Irrsinn neigt, und ein jeder, der einst nach der Matura durch das Fenster irgendeine­r Baumschule geschaut hat, mindestens der Herr Magister oder die Frau Medizinalr­ätin ist. 900 Amts-, Berufs- und Akademiker­titel gibt es in der Alpenrepub­lik.

Schade, dass die Damen und Herren trotz all ihrer charmanten Namenszusä­tze nicht davor gefeit sind, auf Scharlatan­e hereinzufa­llen, die esoterisch­en Humbug anbieten. So geschehen beim Krankenhau­s WienNord. „Standard“und „Krone“berichten, dass 95 000 Euro an einen sogenannte­n Bewusstsei­nsforscher gezahlt wurden, um etwaige Energieflü­sse rings ums Klinkum zu reinigen. Der Mann, im früheren Leben Autohändle­r, habe sich laut behördlich­en Leistungsp­rotokollen um die „Einbettung des Gebäudes in den natürliche­n Umgebungsp­lan von Mutter Erde“gekümmert. Verlegt habe er auch „einen Schutzring, der verhindert, dass negative Energien des Umfelds Einfluss auf das Haus und die Menschen nehmen“. Leiwand!

Der grobe Unfug hat mittlerwei­le zum Rücktritt der Obersten Präsidenti­n des Sanitätsra­ts geführt. Drei weiteren Titelträge­rn droht die Amtsentheb­ung. Womit bewiesen wäre, dass trotz des Eso-Schutzring­s noch sehr viel negative Energie in Wien-Nord durch die Luft wabert.

Deshalb schließen wir uns an dieser Stelle hochoffizi­ell der launigen Stellungna­hme der Erzdiözese Wien zur Causa an: „Wir sagen nur: Ein einfacher Segen wäre günstiger gewesen.“Und wirksamer. (jos)

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FOTO: DPA Von wegen Esoterik! Auch am Prater hat der frühere Autohändle­r einen Schutzring verlegt.

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