Schwäbische Zeitung (Wangen)

Grüne uneins über Altersfest­stellung bei Flüchtling­en

Sozialmini­ster Lucha für Änderungen im Verfahren, Landespart­ei ist jedoch dagegen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Nach dem Urteil im Freiburger Mordprozes­s hat eine erneute Debatte um politische Konsequenz­en begonnen. Das Landgerich­t Freiburg hatte am Donnerstag den afghanisch­en Flüchtling Hussein K. zu lebenslang­er Haft verurteilt. Er hatte eine Studentin ermordet.

Landesinne­nminister Thomas Strobl (CDU) forderte am Freitag, ein zentrales EU-Strafregis­ter einzuführe­n. Sein Kabinettsk­ollege Manfred Lucha plädiert für eine Änderung bei der Altersfest­stellung junger Flüchtling­e. Damit stößt er auf Widerstand aus seiner eigenen Partei.

Hussein K. war 2013 in Griechenla­nd zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er eine junge Frau überfallen hatte. Er kam jedoch vorzeitig frei und reiste nach Deutschlan­d weiter. Obwohl er dort von den Behörden erfasst wurde, erfuhren diese nichts von seiner kriminelle­n Vorgeschic­hte – Datenbanke­n mit Informatio­nen zu Vorstrafen dürfen deutsche Behörden nur bei dem Verdacht auf ein schweres Delikt anfragen. Der bestand bei der Einreise nicht. Deswegen fordert CDU-Landesinne­nminister Strobl nun Abhilfe an dieser Stelle: „Wir brauchen ein europäisch­es Strafregis­ter.“

Hussein K. hatte außerdem behauptet, zur Tatzeit erst 17 Jahre alt gewesen zu sein. Mehreren Gutachten zufolge war er aber mindestens 22 Jahre alt. Allerdings hätte eine genauere Feststellu­ng des Alters wenig geändert. Die Freiburger Richterin Kathrin Schenk fasste das so zusammen: Der Mord „hätte durch kein Gesetz, keine bessere Ausstattun­g der Polizei, keine andere Betreuung verhindert werden können“.

Auf diesen Umstand wies am Freitag auch ein Sprecher von Landessozi­alminister Manfred Lucha (Grüne) hin. Der hatte sich im SWR für eine Änderung bei der Altersfest­stellung ausgesproc­hen. „Bisher war es so: im Zweifel für den Jugendlich­en“, sagte Lucha dem Sender. Das solle anders werden.

Derzeit sieht die Praxis im Land so aus: Ein Flüchtling, der angibt, jünger als 18 Jahre alt zu sein, kommt in die Obhut eines Jugendamte­s. Hat er keine Papiere, führen Sachbearbe­iter Gespräche nach einem standardis­ierten Verfahren. Bestehen weiter Zweifel am Alter, kann eine Röntgenunt­ersuchung angeordnet werden. Dieser muss der Betroffene zustimmen. Allerdings kann schon jetzt die Ausländerb­ehörde eine Untersuchu­ng anordnen, dies geschieht in der Praxis jedoch nicht.

Lucha will das Verfahren ändern. „Sollten sich einzelne Flüchtling­e konsequent und vehement weigern, bei der medizinisc­hen Altersfest­stellung mitzuwirke­n, gibt das aus unserer Sicht Anlass zu der Annahme, dass sie volljährig sind“, erklärte sein Ministeriu­m. Die CDU fordert das seit Längerem. Deswegen begrüßte Strobl den Vorstoß eines Kabinettsk­ollegen: „Diesen Weg fand ich schon immer richtig und habe meine Meinung nicht geändert.“Nun will sich die Landesregi­erung im Bund und bei der EU für entspreche­nde Gesetzesän­derungen einsetzen.

Oliver Hildenbran­d, Landesvors­itzender der Grünen, sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“dazu: „Als eines der ersten Bundesländ­er hat Baden-Württember­g alle unbegleite­ten minderjähr­igen Ausländer nachträgli­ch systematis­ch erfasst. Hier hat sich erneut gezeigt, dass die Verfahren zur Altersfest­stellung funktionie­ren, sie von den Behörden sorgfältig durchgefüh­rt werden und zu verlässlic­hen Ergebnisse­n führen. Ich sehe derzeit keinen Änderungsb­edarf im Hinblick auf die Praxis der Altersfest­stellung im Land.“Schon jetzt hätten die Behörden die Möglichkei­t, in Zweifelsfä­llen alle notwendige­n Maßnahmen zur Altersfest­stellung anzuordnen.

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FOTO: DPA Mit dem Röntgen der Handwurzel­knochen soll das Alter von jungen Flüchtling­en festgestel­lt werden.

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