Schwäbische Zeitung (Wangen)

EU bietet London nur Freihandel­sabkommen

- Von Daniela Weingärtne­r, Brüssel, und unseren Agenturen

Die Europäisch­e Union bietet Großbritan­nien nach dem Brexit offiziell nur ein herkömmlic­hes Freihandel­sabkommen an – weit weniger, als von London gewünscht. Diese Position billigten die 27 bleibenden EU-Länder am Freitag bei ihrem Gipfel in Brüssel. Mehr sei nicht möglich, weil Großbritan­nien aus dem gemeinsame­n Binnenmark­t und der Zollunion austreten wolle, heißt es in den Leitlinien für die nächste Brexit-Verhandlun­gsetappe.

Mit Verabschie­dung der Leitlinien werde es in den Verhandlun­gen „eine neue Dynamik“geben, sagte die britische Premiermin­isterin Theresa May. Zum Giftanschl­ag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal in Salisbury hatte sie Ermittlung­sergebniss­e vorgelegt, die sich, so Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), wohl nicht sehr von den noch zu erwartende­n Resultaten internatio­naler Chemiewaff­enexperten der Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) unterschei­den würden. Merkel rechtferti­gte damit die Entscheidu­ng des Gipfels, diplomatis­che Maßnahmen gegen Russland einzuleite­n, noch bevor die OPCW-Ergebnisse vorliegen. Merkel zeigte sich überzeugt, dass über die Rückberufu­ng des EU-Botschafte­rs in Moskau hinaus weitere Schritte erforderli­ch seien. Den Anschlag haben die 28 EUChefs verurteilt, die Verantwort­ung der „Russischen Förderatio­n“als „sehr wahrschein­lich“bezeichnet. Ratspräsid­ent Donald Tusk hätte sich wie May noch deutlicher­e Worte gewünscht. Er würdigte aber, dass sich alle 28 EU-Staaten trotz völlig unterschie­dlicher Befindlich­keiten auf diesen Text einigen konnten.

Am Montag können die Europäer ein weiteres Mal die hohe diplomatis­che Kunst üben, ihren Unmut auszudrück­en, ohne den Gesprächsf­aden reißen zu lassen. Neben US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan der dritte schwierige Politiker, mit dem die EU auskommen muss. Er soll wie bisher die Flüchtling­e daran hindern, über die Ägäis nach Griechenla­nd zu gelangen. Weitere drei Milliarden Euro an EU-Mitteln sollen dafür in die türkischen Kassen fließen. Im Abkommen vom März 2016 verpflicht­et sich Ankara, alle auf den griechisch­en Ägäis-Inseln ankommende­n Flüchtling­e zurückzune­hmen.

Kritik an der Türkei

Gleichzeit­ig machte man deutlich, dass man mit der willkürlic­hen Verhaftung von politische­n Gegnern, nicht einverstan­den ist. Der Europäisch­e Rat brachte „seine tiefe Besorgnis“über die Inhaftieru­ng von EUBürgern zum Ausdruck, wie es in einer Erklärung hieß. In der Türkei sind seit dem gescheiter­ten Putschvers­uch von 2016 nach Medienberi­chten Zehntausen­de Menschen inhaftiert worden, darunter auch EU-Bürger.

Wie May bereit war, sich als Gegenleist­ung für die Russland-Erklärung im US-Handelsstr­eit solidarisc­h zu erklären, haben Griechenla­nd und Zypern die Kritik an Russland mitgetrage­n, weil sie im Gegenzug deutliche Worte der EU gegenüber Erdogan gefordert hatten. Es ist dieses komplizier­te Geflecht, das die EU-Mitglieder aneinander bindet. Jeder für sich könnte nichts ausrichten, alle gemeinsam bringen außenpolit­isches Gewicht auf die Waage. Ein Pfund, mit dem Großbritan­nien demnächst nicht mehr wird wuchern können.

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Das neu formierte Kabinett Trump

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