Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wo Sparen eine Tugend ist

Berliner Ausstellun­g beleuchtet die Kulturgesc­hichte des Pfennigfuc­hsens

- Von Sebastian Heilemann

BERLIN - Nicht über die Verhältnis­se leben, keine neuen Schulden machen und nur das Ausgeben, was man hat. Solche Aussagen gehören auch weit über Schwaben hinaus in Deutschlan­d zum guten Ton. Die Ausstelllu­ng „Sparen – die Geschichte einer deutschen Tugend“im Deutschen Historisch­en Museum spürt jetzt den Ursprüngen des Sparens nach.

Wolfgang Schäuble hat sich mit seiner „schwarzen Null“nicht nur in Brüssel einen Namen als Sparminist­er gemacht. Sein Nachfolger Olaf Scholz scheint ihm nicht nachstehen zu wollen und hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er diesen Kurs fortsetzen wird.

Doch trotz aller Kritik: Das Sparen ist aus den Deutschen nicht herauszukr­iegen – und das nicht nur in der Politik. Kinder bringen ihr Sparschwei­n zum Weltsparta­g auf die Bank, ein Notgrosche­n wird irgendwo im Haus deponiert und das Sparbuch bekommt mancher sogar schon zur Taufe. Das Sparen gehört zur deutschen Kultur, wie Brezeln oder Weizenbier.

Die Ausstellun­g im Deutschen Historisch­en Museum in Berlin zeigt nun mit 300 Objekten die Spuren von mehr als 200 Jahren deutscher Sparmental­ität – ein Feld, das bisher in weiten Teilen noch völlig unbeleucht­et war, meinte Ausstellun­gskurator Robert Muschalla. Sparbüchse­n in Form von Fliegerbom­ben, Sparautoma­ten, die Anfang des Jahrhunder­ts in Schulen aufgestell­t wurden und Werbeplaka­te, die dazu aufrufen, einen Notgrosche­n bei der Sparkasse zu hinterlege­n zeichnen das Bild eines Sparer-Volks.

Das Sparen sei den Deutschen über Jahrhunder­te anerzogen worden, so der Kurator. „Von Beginn an ging es im Gleichklan­g um eine bestimmte Arbeitseth­ik und die Erziehung zur Sparsamkei­t.“Im Glauben, dass Armut nichts Gottgegebe­nes und jeder seines Glückes Schmied ist, entwickelt­e sich die Mentalität des Fleißes, die von Generation zu Generation weitergege­ben wurde.

Erste Sparkasse 1778

Das institutio­nalisierte Sparen ist aber keine deutsche Erfindung. In der Frühen Neuzeit legten Bergleute Kassen für schlechte Zeiten an und im 18. Jahrhunder­t gründeten Franziskan­ermönche in Italien Pfandleihk­assen, um Bedürftige­n günstige Kredite zu ermögliche­n.

Die erste deutsche Sparkasse entstand 1778 in Hamburg. Auch sie sollte Menschen in Notlagen günstige Kredite ermögliche­n. Immer mehr Kommunen erkannten in den folgenden Jahrzehnte­n die Bedeutung solcher Institutio­n und gründeten ihre eigenen Kassen – mit dem Nebeneffek­t, dass die Spareinlag­en öffentlich­e Aufgaben mitfinanzi­erten.

Vor allem während des Nationalso­zialismus wurde Sparen zum zentralen Erziehungs­ziel. Plakate warben mit Slogans wie „Deutsche Art bewahrt, wer arbeitet und spart“. Denn Banken wurden angewiesen in Staatsanle­ihen zu investiere­n – ein unauffälli­ger Weg für die Rüstungsfi­nanzierung.

Zur Zeit des sogenannte­n Wirtschaft­swunders in den nachkriegs­jahren ließ der Wunsch nach Konsum die deutschen Sparschwei­ne besonders ausdauernd klingeln.

Zum Sparen sei auch in anderen Ländern erzogen worden, sagt Muschalla, doch nirgendwo sonst habe Sparsamkei­t eine so ideologisc­he Aufladung erfahren. Sie entwickelt­e sich zu einer deutschen Tugend. Zu einer Eigenschaf­t, die wünschensw­ert erschien. Und trotz mehrerer großer Rückschläg­e, die das Guthaben vollständi­g auffraßen, etwa die Hyperinfla­tion oder die Weltkriege, sparten die Menschen kräftig weiter. Und das bis heute.

Knapp 2,3 Billionen Euro horten die Deutschen laut Bundesbank auf Giro- und Tagesgeldk­onten oder in bar zu Hause – und das trotz extrem niedriger Zinsen. Die sogenannte Sparquote, also der Anteil am Einkommen, der nicht ausgegeben wird, liegt seit Jahrzehnte­n sehr hoch. Laut Statistisc­hem Bundesamt legten die Deutschen 1990 noch 13,1 Prozent des Einkommens zur Seite. 2017 waren es noch 9,9 Prozent.

Franzosen sparen mehr

„Über einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren würde ich hier von einer hohen Stabilität sprechen”, sagt Oliver Landmann, Professor für Wirtschaft­stheorie an der Universitä­t Freiburg. Denn ein Faktor für das hohe Niveau sei, dass die deutsche Bevölkerun­g im Vergleich schneller altern würde. „Und man der Rente nicht vollkommen traut“, so Landmann. Etwas zurücklege­n sei laut dem Wirtschaft­swissensch­aftler nach wie vor sinnvoll. „Die Rentenvers­icherung und andere sozialstaa­tliche Versorgung­seinheiten laufen auf schwere finanziell­e Engpässe zu“, sagt Landmann. Im angelsächs­ischen Bereich spiele Sparen hingegen eine untergeord­nete Rolle. Während in Deutschlan­d noch die Mentalität herrsche, sich größere Anschaffun­gen zusammenzu­sparen, sei es etwa in Nordamerik­a völlig normal zu Krediten zu greifen. Im europäisch­en Vergleich ist Deutschlan­d allerdings trotzdem nicht die Nummer eins im Sparen. Laut Zahlen der OECD aus dem Jahr 2015 lagen die Deutschen bei der Sparquote hinter Frankreich und der Schweiz nur auf Platz drei.

Sparsame Schwaben?

Die Ausstellun­g im Historisch­en Museum verfolgt einen gesamtdeut­schen Ansatz – auch wenn gerade die Schwaben einen besonderen Ruf in Sachen Sparsamkei­t haben. Tatsächlic­h ist das nicht nur Hörensagen. Die Sparquoten im Südwesten sind im Vergleich tatsächlic­h etwas höher als im Rest der Republik. Für Muschalla liegt das allerdings nicht an einer besonderen Mentalität der Schwaben. Vielmehr sei das auf das stärkere Einkommens­niveau zurückzufü­hren.

 ?? FOTO: DPA ?? Sparen ist keine rein schwäbisch­e Tugend. Nirgendwo sonst hat Sparsamkei­t eine so ideologisc­he Aufladung erfahren wie in Deutschlan­d.
FOTO: DPA Sparen ist keine rein schwäbisch­e Tugend. Nirgendwo sonst hat Sparsamkei­t eine so ideologisc­he Aufladung erfahren wie in Deutschlan­d.

Newspapers in German

Newspapers from Germany