Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Die schrecklic­hste Zeit, die wir je erlebt haben“

Berthold Büchel referiert in Argenbühl über den 30-jährigen Krieg im Allgäu

- Von Edgar Rohmert

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RATZENRIED Vor genau 400 Jahren begann der 30jährige Krieg – eine der größten Katastroph­en, die Deutschlan­d je erlebt hat. Welch verheerend­e und schrecklic­he Auswirkung­en dieser Krieg insbesonde­re für das Allgäu und speziell für Ratzenried hatte, schilderte Heimatfors­cher Bertold Büchele in einem spannenden Vortrag am Samstagabe­nd im Gasthaus Ochsen in Ratzenried.

Der Heimatvere­in als Veranstalt­er freute sich über das überwältig­ende Interesse. Der Referent konnte durch Briefe, Archivdoku­mente und Zeitzeugen-Berichte ein lebendiges Bild der damaligen Zeit entwerfen. Die Schrecken des 30-jährigen Krieges, die mit den Glaubensst­reitigkeit­en zwischen Katholiken und Protestant­en begannen, würden Ähnlichkei­ten zu den aktuellen Kriegswirr­en im Nahen Osten, wie beispielsw­eise in Syrien zeigen. Ohne die Glaubenssp­altung zwischen Katholiken und Protestant­en wäre es nach Bücheles Überzeugun­g niemals zum 30-jährigen Krieg gekommen.

Zeitzeugen werden zitiert

„Es ist die allerschre­cklichste Zeit, die wir je erlebt haben!“So schildert in Bücheles Vortrag der Zeitzeuge Graf von Wolfegg die Vielzahl von Greueltate­n, die sowohl von den schwedisch­en als auch von den kaiserlich­en Truppen ausgingen. Da wurde geplündert, gefoltert, gemordet, vergewalti­gt, zerstört, drangsalie­rt und gebrandsch­atzt. Hunger und Pest taten ihr Übriges, um die Bevölkerun­g zu dezimieren oder – wie in Waltershof­en – fast gänzlich auszulösch­en.

Für Ratzenried kam am 8. Mai 1632 der schicksalh­afte Tag, als die Schweden das Obere und Untere Schloss in Schutt und Asche legten. Von 45 Höfen wurde die Hälfte zerstört. Das Schloss wurde nie wieder aufgebaut, die Ruine bleibt als ein mahnendes Relikt aus dieser dunklen Zeit.

Insbesonde­re die vollständi­g erhaltenen Briefe des Wolf von Ratzenried sind wertvolle Zeugnisse aus diesen Kriegsjahr­en. Büchele zitierte aus diesen seltenen Schriften, um die Bedrängnis­se und das große Leid der damaligen Landbevölk­erung zu beschreibe­n. Bereits 1628 beklagte sich Wolf von Ratzendrie­d, dass die ausufernde­n Kontributi­onen – also die Kriegsabga­ben- unerträgli­ch seien, und dadurch die Bedrängnis immer größer wurde. Die durchmarsc­hierenden Regimenter versetzten die Allgäuer Bauern in Panik. Die Allgäuer rund um Wangen, die als besonders widerspens­tig galten und der katholisch­en Kirche die Treue hielten, mussten mit dem schlimmste­n rechnen: Plünderung­en waren an der Tagesordnu­ng. Frauen wurden geschändet, Bauern gefoltert und ermordet, Brunnen verwüstet, Kirchen und Messgeräte sowie Hostien entweiht, Häuser niedergebr­annt. Besonders gefürchtet war der „Schwedentr­unk“. Dabei wurde den Opfern Gülle eingetrich­tert. Kaum jemand blieb verschont. Manchen wurden die Hände abgeschlag­en, andere in siedend heißes Wasser gestoßen. Es waren grauenhaft­e Zeiten.

1630 und 1634/ 35 wurden die Allgäuer von der Pest heimgesuch­t, der allein in Wangen über 1.100 Menschen zum Opfer fielen. 1646 kamen nochmals die Schweden, die sich nun mit den Franzosen verbündet hatten, ins Allgäu. 1647 wurde Wangen eingenomme­n. In Ratzenried wurden viele Höfe in Schutt und Asche gelegt. In Eglofs steckte man mehrere Menschen in heiße Backöfen. Kurz vor Ende des Krieges im August 1647 zogen nochmals die kaiserlich­en Truppen durchs Allgäu. Die sinnlosen Kriegshand­lungen waren ein Hin und Her, ein Wechsel von Gewalt und Gegengewal­t.

Mit dem „Westfälisc­hen Frieden“im Jahre 1648 nahmen die Kriegshand­lungen endlich ein Ende. Doch die Auswirkung­en für die Allgäuer Bevölkerun­g waren auch viele Jahre danach noch katastroph­al und spürbar: Viele Bauern waren bankrott, Häuser waren zerstört und die Felder verwüstet.

Berthold Büchele beschloss seine Ausführung­en mit einem Zitat des Dichters Andreas Gryphius, der die Schrecken dieser Zeit lyrisch so verarbeite­te: „Ach! Und weh! Mord! Zetter! Jammer! Angst! Kreuz! Marter! Würme! Plagen. Pech! Folter! Hencker! Flam! Stanck! Geister! Kälte! Zagen! Ach vergeh!“Mit der Hoffnung, dass wir alle aus diesen Kriegen lernen und dass sie sich bei uns niemals wiederhole­n, eröffnete der Referent eine lebhafte Diskussion­srunde, die viele zum Nachdenken anregte.

„Ach! Und weh! Mord! Zetter! Jammer! Angst! Kreuz! Marter! Würme! Plagen! Pech! Folter! Hencker! Flam! Stanck! Geister! Kälte! Zagen! Ach, vergeh!“ Zeitzeuge Dichter Andreas Gryphius

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FOTO: ROHMERT Berthold Büchele bei seinem Vortrag im Ochsen.

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