Auslastung bei über 100 Prozent
Immer mehr psychische Erkrankungen – Bezirkskrankenhaus Memmingen hat zu wenig Betten
MEMMINGEN - Im Jahr 2010 hat das Bezirkskrankenhaus (BKH) 20 weitere Betten genehmigt bekommen, doch diese Erweiterung wurde noch nicht umgesetzt: Im Zuge des Klinikumbaus erhalte das BKH mehr Platz, sagt Verwaltungsleiter Wolfram Firnhaber: „Den Zeitpunkt kann ich derzeit aber noch nicht abschätzen.“Das vom Bezirk betriebene BKH ist im Gebäude des städtischen Krankenhauses untergebracht. Es verfügt derzeit über 40 Betten und zwölf Plätze in der Tagesklinik. Der Ärztliche Direktor Andreas Küthmann spricht von einer „hohen Auslastung. 2017 lag sie bei etwas über 100 Prozent, in den Jahren zuvor bei bis zu 110 Prozent“. Dies ist Ausdruck einer allgemeinen Entwicklung: Die Zahl psychischer Erkrankungen steigt.
Nach Küthmanns Worten hatte der am Gesundheitsministerium angesiedelte Krankenhaus-Planungsausschuss entschieden, dass das Memminger BKH 20 weitere Betten bekommt. „Das Problem ist die bauliche Situation. Wir hängen hier an den Planungen des Klinikums“, sagt Küthmann. Derzeit laufen umfangreiche Umbau- und Erweiterungsarbeiten am Krankenhaus. „Wenn die internistische Intensivstation umgezogen ist, ist die frei werdende Fläche für das BKH gedacht“, sagt Firnhaber. Einen Termin kann er aber noch nicht nennen. Ärztlicher Direktor Küthmann äußert Verständnis: „Bauliche Maßnahmen in einem bestehenden Gebäude sind nicht so einfach.“
Fest steht, dass der Bedarf für eine Erweiterung des Bezirkskrankenhauses gegeben ist – bei einer Auslastung von über 100 Prozent. In der Praxis bedeutet dies, dass auch einmal drei Patienten in einem Zwei-Bett-Zimmer untergebracht werden, obwohl „räumliche Enge für psychisch Kranke nicht immer günstig ist“, wie es Küthmann ausdrückt. „Allerdings liegen die Patienten auch nicht den ganzen Tag im Bett, sondern sollen zum Beispiel in die Stadt gehen, um Alltagsdinge zu bewältigen.“
Den Anstieg psychischer Probleme führt Küthmann unter anderem darauf zurück, dass sich der Arbeitsalltag verändert hat: „Früher gab es eine stärkere körperliche Belastung, was zu Krankheiten an Muskeln und Knochen führte“, erläutert der Ärztliche Direktor. Heutzutage sei man psychisch stärker gefordert, „durch eine höhere Informations- und Arbeitsdichte“. Psychische Krankheiten seien inzwischen der häufigste Grund dafür, dass jemand früher in Rente geht. Das Memminger Bezirkskrankenhaus behandelt beispielsweise auch Menschen, die an Demenz leiden. Diese Krankheit nehme zu, „weil es mehr Senioren gibt. Das Risiko steigt hier ja mit dem Alter“, sagt Küthmann.
Im Umgang mit psychischen Erkrankungen stellt der Ärztliche Direktor einen positiven Wandel fest: „Sie sind in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.“Dies zeige sich daran, dass Prominente viel offener mit solchen Problemen umgingen. Zuletzt hatte der frühere Nationalspieler Per Mertesacker in einem Interview berichtet, welchem Druck er sich als Fußball-Profi ausgesetzt sah. Er sprach von Magenschmerzen, Durchfall und Brechreiz. Küthmann begrüßt einen „unverkrampfteren Umgang“mit psychischen Problemen: „Für Patienten ist es einfacher, wenn sie es nicht verbergen müssen oder sogar Ablehnung spüren.“
Ein großes Thema ist aber die Versorgung psychisch kranker Menschen. „Wir stehen vor dem Problem eines Fachkräfte-Mangels in der Pflege und bei den Ärzten“, sagt Küthmann. Am Memminger BKH gebe es schon jetzt Mediziner aus Aserbaidschan und Mazedonien. „Es ist eine absurde Situation“, konstatiert der Ärztliche Direktor. „Wir holen Ärzte aus anderen Ländern und schicken gleichzeitig junge Leute von hier in andere Staaten, damit sie dort Medizin studieren.“Ein Beispiel hat Küthmann in der eigenen Familie: Eine Tochter hat ihr Abitur mit einem Zweier-Schnitt gemacht und damit den Numerus clausus fürs MedizinStudium nicht geschafft. Sie besucht nun eine Uni in Cluj (Rumänien). „Meine Tochter hat dort über 100 deutsche Mitstudierende“, sagt Küthmann.